den geiftlofen Wiederholungen mißverftandener Motive fatt= gefeben hatten, zum Empire oder Biedermeier abzufchwenken. Die Namen von Künftlern wie Eckmann, Cbriftianfen, Behrens ufw. wurden in der widerticbften Weife zu Reklamezwecken aus gebeutet. Es dürfte genügen, an die Zeit zu erinnern, in der es faft keine kunftgewerbliche Firma in Berlin gab, die nicht nach Entwürfen von Eckmann arbeitete. Was bei diefem Trei ben heranskam, kann doch fcblecbterdings nicht als »Kunftgewerbe« bezeichnet werden. □ Es ift ferner Tatfacbe, daß gefunde Hnläufe, wie folcbe in der Hauptfacbe von München ausgegangen find, fofort nach ihrem Erfcbeinen in Berlin und fonftwo in Surrogate umgewandelt und maffenhaft auf den Markt geworfen wurden, zum Schaden derjenigen, deren Initiative und Opferfreudigkeit das gute Vor bild zu verdanken war. So wurde jahrelang jedes beffere Streben labmgelegt zum Schaden der künftlerifchen Entwicklung und des kaufenden Publikums. □ Es ift ferner Tatfache, daß weitaus der größte Teil der Kunft- induftrie nur deshalb profperiert, weil man fich nicht entblödet, dem Gefcbmack des Publikums dadurch entgegen zu kommen, in dem man Dinge berftellt, die lediglich einem gewiffen Senfa= tionsbedürfnis entgegenkommen und deshalb gekauft werden. Es braucht hier nicht auf Einzelheiten bingewiefen zu werden; ein Rundgang durch die Leipziger Engrosmeffe oder ein Blick in die Schaufenfter genügt, um das Getagte zu erhärten. □ Daß mit dem Worte »Kunft« in allen feinen Biegungen ein fcbändlicber Unfug bei uns getrieben wird, darüber kann bei den Kennern der Verbältniffe keinerlei Zweifel befteben. Der gleichen Dinge müffen aber fcbließlicb zu einer Kataftropbe führen, bei der der Unfcbuldige mit dem Schuldigen zu leiden haben wird. Diefelbe fcbeint denn auch näher zu liegen, als allgemein bekannt ift, fonft wäre der Hngftruf vom darniederliegenden Kunftgewerbe nicht erfolgt. Wer gute Gefcbäfte macht, erbebt keine Klagen. Es ift dabei nur allzu menfcblicb, den Grund des Übels nicht bei fich, fondern bei andern zu fucben. □ Hngeficbts diefer Sachlage muß es daher anerkannt werden, daß das Direktorium der III. Deutfcben Kunftgewerbeausftellung fich ein Verdienft dadurch erworben bat, daß es beftrebt war, die Spreu von dem Weizen zu fondern, indem es nur künftlerifcb einwandfreie Sachen zuließ. □ Möge fich alfo das Unternehmertum die Bevormundung durch die Künftler bis auf weiteres gefallen laffen, denn am Ende zieht es doch den Hauptvorteil an dem zu erwartenden Huffcbwung. Eine Kunftgewerbeausftellung, die nicht das künftlerifcbe Mo ment in den Vordergrund ftellt, kann unmöglich vorbildlich und erzieberifcb wirken. Wir brauchen eine Klärung der Begriffe und nicht eine noch größere Begriffsverwirrung, wie fie fcbon ohnehin vorhanden ift. □ Bezeichnend für den Geift der Befcbwerdefübrer ift deren Stellungnahme zu den Lebrwerkftätten. Während der Programm redner der Verfammlung des »Verbandes für die wirtfcbaftlichen Intereffen des Kunftgewerbes« namentlich darauf binwies, daß die jetzige Unterrichtsmethode die Schule dem Handwerk entfremde, nahm diefelbe Verfammlung eine Refolution an, welche fich gegen die Einrichtung von Lebrwerkftätten an Kunftgewerbefcbulen richtete. Man will alfo den Weg zur Befferung nicht betreten feben. Wenn dabei zur Motivierung auf die durch die Schul- werkftätten bervorgerufene Konkurrenz im wirtfcbaftlichen Sinne bingewiefen wird, fo hält es wirklich fchwer, die Antrag- fteller noch emft zu nehmen. Alfo die kleine Werkftatt einer Kunftgewerbefcbule tritt erfolgreich in den Konkurrenzkampf mit Fabriken mit mehreren Hundert Arbeitern. Dergleichen wäre beffer unausgefprochen geblieben, ganz abgefeben von der inneren Unwahrheit, die auch hier wieder zutage tritt, indem der Induftrielle es unternimmt, fich künftlerifcb auf die gleiche Stufe mit der Lebrwerkftatt zu ftellen. □ Arbeiten, wie der von Prof. Groß für die Stadt Dresden gefcbaffene Tafelauffat), und analoge Werke von Tafcbner, Riegel u. a. können entweder in einer Fabrik überhaupt nicht bergeftellt werden oder doch nur unter ftändiger Aufficht des Künftlers. Solche Arbeiten, die doch nebenbei auch den Zweck erfüllen, vorbildlich zu wirken, entftehen am beften in der Lebr werkftatt, wo ihnen die Hand des Meifters ftets zu Gebote ftebt. Mit einem einzigen folchen Stücke ift aber der Entwicklung weit mehr gedient als mit Käften voll Zeichnungen. □ Die gedachte Verfammlung aber wendet fich ganz mit Recht gegen die »Papierkunft« und doch will fie der Kunftgewerbe« fcbule die Möglichkeit nehmen, aus derfelben berauszukommen. Solange davon ausgegangen wird, daß die Lebrwerkftätten nicht dazu da find, das Handwerk von Grund aus zu lehren, was fich aus rein praktifcben Urfachen als unmöglich erweift, kann nichts gegen diefelben eingewendet werden, denn fie find die ein zige Stätte, die dem Gewerbegebilfen hinreichend Gelegenheit geben kann, fich in feinem Beruf zu vervollkommnen. Hier kann er an die Bewältigung befferer Aufgaben unter Aufficht des Lehrers berantreten, was in dem induftriellen Betrieb in weit aus den meiften Fällen ausgefchloffen erfcbeint. □ Unverftändlicb bleibt es ferner, wenn gefordert wird, daß der Lehrer fich auf die Dauer der Fühlung mit der Technik entraten foll. Es ift doch hinreichend bekannt, daß unfere Schulen gerade daran kranken, daß fowobl den Schülern, als auch den Lehrern keine Gelegenheit geboten wird, fich praktifch zu betätigen. (Man ftelle fich den Mediziner vor als Univerfitätslebrer, ohne daß die Klinik ihn zur Seite ftebt!) Die hieraus fidi ergebende Ver flachung und der nur zu bald eintretende Indifferentismus ge hören zu den traurigften Erfcbeinungen in unferm Unterrichts- wefen. D Wenn aber das Unternehmertum nun foweit gebt, feinem Lehr- meifter die Möglichkeit der praktifchen Betätigung abfcbneiden zu wollen, bloß von der Erwägung ausgehend, es könne ihm hierdurch ein gefchäftlicher Nachteil erwachfen, dann verdient es nicht mehr gehört zu werden. □ Wo Auswüchfe fich an den Lebrwerkftätten zeigen füllten, die geeignet erfcbeinen, das freie Gewerbe zu beeinträchtigen, fo ift es der Auffichtsbebörde doch unbenommen, von Fall zu Fall einzufcbreiten. Hiergegen jedoch durch allgemeine Vorfcbriften vorgeben zu wollen, muß als böcbft bedenklich bezeichnet werden, weil die Gefahr damit verbunden ift, daß gerade für den ehrlich Strebenden eine Lähmung eintritt. □ Andererfeits können dagegen meines Erachtens die Lebr werkftätten febr wohl zur Leiftung der für das Gewerbe be- ftebenden Abgaben berangezogen werden, um fo mehr als hier durch der letzte Grund zu einer Befcbwerde gegen diefelben aus dem Weg geräumt würde. □ Darmftadt, den 13. Auguft 1906 gez.: Prof. J. H. SCH AR VOGEL Weitere Gutachten von Künftlern und Firmen folgen in den näcbften Heften. VOM SCHÖNEN LEBT DAS GUTE IM MENSCHEN UND AUCH DIE GESUNDHEIT. FEUCHTERSLEBEN 251