ftehen, find Schulen diefer Hrt eine unumgängliche Notwendig keit, und jeder Verfuch, die Freiheit und die Ideale der Schule zu befchneiden, kann nur verderblich auf die Hnftifter zurück wirken. Es ift ganz klar, daß eine praktifche Lehrzeit mehr taugt, als die größtenteils unzulänglichen Verfuchswerkftätten der Schulen, aber wo gibt es eine Lehrlingspraxis, die die höchfte Ausbildung in technifcher, handwerklicher und künftle- rifcher Hinficht verbürgt? Wo gibt es eine Lebrlingspraxis, die vor allem von der Auffaffung ausgebt, daß dem Lehrling gegen über nicht Rechte, fondern vor allem Pflichten zu üben find? In den meiften Handwerksberufen fehlen vollftändig die Auf gaben für eine erfchöpfende und gediegene Ausbildung. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, wo die Bedingungen für eine erfolgreiche Lehrzeit von vornherein gegeben find. Da gegen gibt es eine erdrückende Mehrheit von Fällen, wo der Lehrling nach abfolvierter Lehrzeit faft alles nacbzubolen ge nötigt war, was ihm eigentlich hätte die Lebrlingszeit bieten müffen. Eine Umfrage diefer Art würde die traurigften Zu- ftände enthüllen. Nur einer verhältnismäßig geringen Zahl gelingt es, nachträglich einen gewiffen Grad von Tüchtigkeit zu erwerben, aber diefe Zahl ift fo klein, daß man fie faft nur als Glücksfälle bezeichnen könnte. Es wird mit diefen reform bedürftigen Zuftänden nicht beffer werden, folange nicht das ethifche Bewußtfein im Handwerk gehoben wird. In diefer Be ziehung werfen die Düffeldorfer Verhandlungen des Fachver bandes zur Wahrung der wirtfcbaftlicben Intereffen im Kunft- gewerbe ein grelles Streiflicht auf die berrfchenden Gefinnungen. Denn als Obermeifter Fifcher im Facbverbande die Mißftände im Lehrlingswefen geißelte und eine Refolution vorlegte, wo nach ficb die Mitglieder des Fachverbandes verpflichten tollten, die Lebrlingsausbeutung zu unterlaffen, wurde diefe Refolution als eine unkollegiale Kritik abgelebnt. Diefe Auffaffung bezeich net zur Genüge die Hoflfnungstofigkeit der Lage. Wer beffern will, muß vor allem bei ficb felbft anfangen können. Der Mangel an Selbftkritik ift es, der diefe Kreife am Vorwärtskommen bindert. n II. DIE HANDWERKER GEGEN DIE MODERNE KUNST Seit einiger Zeit führen zahlreiche Handwerker, namentlich die Pofamentierer und Tapezierer, die Drecbfler, Stukkateure und Holzbildhauer Klage darüber, daß fie von der modernen Be wegung wenig berückficbtigt feien. Diefe Frage hat der Regie rung neuerlich Veranlaffung gegeben, eine Anfrage an die Cbemnitjer Gewerbekammer zu richten, ob und inwieweit die Befcbwerden der Handwerker begründet feien. Die Cbemnityer Gewerbekammer bat in ihren Erhebungen allerdings feftgeftellt, daß der »Jugendftil« den Arbeiten jener Handwerker keinen Raum biete. Die Gewerbekammer fei wohl überzeugt, daß ein direktes Eingreifen der Regierung nicht befürwortet werden könne, daß aber zu erwarten fei, daß die früheren Stilarten wiederkebren werden. Dafür fprecbe fcbon der Umftand, daß bei der Dresdner Kunftgewerbeausftellung wenig Verkäufe er zielt worden feien und dadurch die Künftler zur Abkehr von der modernen, bizarren Stilart bewegen würden. □ Das ift, wenn auch nicht wörtlich, fo doch finngemäß die Ent- fcbeidung der Cbemnitjer Gewerbekammer. □ Es ift nötig, alles Verfängliche diefer Äußerungen feftzuftellen. Die Gewerbekammer fpricbt vom »Jugendftil«, was wohl der Abficbt dient, gegen alles beffere Wiffen das Publikum in Un klarheit über das Wefen der Moderne zu halten. Das Publikum bat mit Recht eine Abneigung gegen den Jugendftil. Die Ge werbekammer bedient fich diefes Wortes, um damit die moderne Kunft zu bezeichnen, trotzdem heute jeder Menfcb weiß, daß moderne Kunft und Jugendftil zwei grundverfcbiedene Begriffe find. Das Wefen der modernen Kunft, fo wie es von den ernften Künftlern und von den hervorragenden und foliden Betrieben aufgefaßt wird, beftebt in der Betonung der Sachlichkeit und der Gediegenheit, wobei alles unterdrückt wird, was auf bloße Stil maskerade binausläuft und dem prüfenden Auge nicht ftand- halten kann. Aus diefem Grunde ift der Ausdruck »bizarre Stilart« für die moderne Kunft im Gewerbe nicht gerechtfertigt. Der Jugendftil im Gegenfatj dazu ift ein Produkt, das vorzugs weife von einer auf bloße Effektbafcberei und Täufchung bin arbeitenden Induftrie und unfoliden Gewerbetreibenden gepflegt wurde, die vor allem nur eine Mode mitmachen wollten und mit Ausfcbluß tüchtiger künftlerifcber Kräfte eigene Stilerfindungen betreiben wollten. Die Gewerbekammer möge daher in ihren Äußerungen diefe zwei grundverfcbiedenen Begriffe forgfältig auseinanderbalten, wenn ihr darum zu tun ift, eine Klärung zu fcbaffen. Die Gewerbekammer fpricbt von der modernen Kunft, als einer Laune, von der man abkommen würde, um auf die älteren Stilarten zurückzugreifen. Die Gewerbekammer follte wiffen, daß in der modernen Kunft keine Modeangelegenbeit vorliegt, fondern eine folgerichtige Entwicklung, die keinesfalls in die Vergangenheit zurückgreift, am allerwenigften zu den früheren Stilarten. Diefe früheren Stilarten, darunter die Imi tationen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu ver« ftehen find, waren Moden, weil fie nicht als eine felbftändige Schöpfung des Zeitgeiftes entftanden find, fondern als eine Ab- wecbflung, bei der das Publikum an der Nafe berumgefübrt wurde. Der Jugendftil, der der Hauptfache nach von der Scbund- induftrie und von den Gefchmacksverirrungen gewiffer Gewerbe- kreife bervorgerufen wurde, war eine Mode, bei der es den Beteiligten nicht darauf ankam, dem Kulturfortfcbritt einen Dienft zu erweifen, fondern Gewinn zu machen, folange die Sache »zieht«. Weil diefe Sache glücklicherweife nicht mehr »zieht«, entbehren viele, die ihr Glück auf Modelaunen geftellt hatten, einer feften Grundlage, die moralifcb und wirtfcbaftlicb Beftand verleibt. Die moderne Kunft ift dagegen von der Überzeugung einer inneren Notwendigkeit getragen, und es ift ebenfo abfurd, fie als Mode zu bezeichnen, wie wenn man die moderne Eifen- technik oder die Verkebrstechnik als Modetechnik verunglimpfen wollte. Allerdings wird auch die moderne Eifentecbnik und die moderne Verkebrstechnik Umwandlungen erfahren, genau fo, wie die moderne Kunft als eine lebendige Angelegenheit des Menfchengeiftes Umwandlungen erfahren muß. Aber deshalb darf es niemandem einfallen, das Wefen einer folchen bildfamen, fchöpferifcben und fruchtbaren Arbeit in Verruf zu bringen, weil diefe Arbeit ihrem lebendigen Wefen gemäß fich fortentwickelt und nicht bei einer beftimmten Form verknöchert und ftehen bleibt. Die Gewerbekammer täte wahrhaft gut, wenn fie fich den wahren Urfacben des Niederganges gewiffer Berufe nicht verfchließen, fondern den bedrängten Gewerben und Handwerken gegenüber eine offene Sprache führen würde. Die Gewerbe kammer follte wiffen, daß namentlich bei den Drecbflern und bei den Tapezierern, fowie bei den Holzbildhauern und den Stukkateuren ganz andere Urfachen des Niederganges vorliegen, als diefe Leute anzunebmen geneigt find. Eine künftlerifcb empor- gefchraubte Konjunktur, wie fie das Drecbflergewerbe und das Tapezierergewerbe in den lebten 70 Jahren erfahren bat, berech tigt nicht zu der Annahme, daß diefe Konjunktur feftgehalten und der geiftige und künftlerifcbe Fortfehritt deshalb zurück gedämmt werden foll. Es gibt kein Handwerk und kein Gewerbe, 253