TECHNIK UND KUNST IM GEWERBE L.: KfttlFERREGELN FÜR ANGEWANDTE KUNST (SIEHE HUCH: GEWEBE UND STICKEREIEN, VORHÄNGE UND TEPPICHE, HEFT 18, SEITE 293) BELEUCHTUNGSKÖRPER ie modernen Lichtquellen, Gas und Elektrizität, haben zu Beleuchtungskörpern geführt, deren Form keinem Vor bild aus der Vergangenheit entlehnt werden konnte. Die Form mußte aus der Natur der Sache gefchöpft werden. Um fchön zu fein, bedarf es keines Ornamentes. Man kann die lehrreiche Wahrnehmung machen, daß folchen rein fachlichen Löfungen ein großer dekorativer Reiz innewohnt. Für Gas beleuchtung find moderne Beleuchtungskörper gefchaffen worden, die formal allen Anforderungen eines gebildeten Gefcbmackes entfprecben. Bei der elektrifchen Beleuchtung ift ein großer Reichtum von fachlichen und finnvollen Löfungen vorhanden, eine Mannigfaltigkeit von organifchen Geftaltungen, wie fie der vergangenen Generation mit ihrer Dekorierwut nicht bekannt waren. Sogar eine fachlich gelöfte Petroleumlampe, die ledig lich durch zweckmäßige Form edel wirkt, gehört heute nicht mehr zu den Unmöglichkeiten, wenngleich fie noch immer höchft feiten vorkommt. □ Gute und folide Formen werden in den Beleuchtungskörpern ausnahmslos herrfchen, wenn das Publikum es haben will, aber es beftebt in der Allgemeinheit gerade hinfichtlich der Beleuch tungskörper eine noch ungeklärte Auffaffung über das Sachliche und Künftlerifche der Form, weshalb einige aufklärende Winke zur formalen Unterfcbeidung von Gut und Schlecht von Nutzen fein können. An fämtlichen heutigen Beleuchtungsarten hat fich eine gewiffe Überkunft breit gemacht, vor der zu warnen ift. Es muß dabingeftellt bleiben, ob es ein glücklicher Gedanke ift, mit dem Zweckbegriff eine figurale Darftellung zu verbinden, die mit der Sache eigentlich nichts zu tun bat. Man fiebt oft diefe Durchfchnittsware von Tifcbglocken, Taftern, Lichtträgern und Leuchtern, die ganz unfachlich geftaltet find. Wir finden häufig Leuchter in Geftalt von Lichtträgerinnen, weiblichen Fi guren, die Kerzen tragen, bald fcbwer belaftet, bald mit ge- fcbloffenen Augen hinfehreitend, als Symbol der Nacht, dann emporfebwebend, wie die züngelnde Flamme, oder bingekauert» den Kerzenfchaft wie eine Säule umklammernd. Wir finden gelegentlich Kerzenlüfter oder imitierte Renaiffanceformen von Kerzenweibchen, denen elektrifcbe Glühlampen auf imitierten Kerzenfchäften aus Milchglas aufgelegt find, um folcberart den Anfcbein einer wirklichen Kerzenbeleuchtung zu erwecken. Ja, das Unglaubliche ift nicht feiten, daß an diefen milcbgläfernen elektrifchen Scheinkerzen imitierte Wachstropfen hängen! Es können immer Fälle Vorkommen, wie etwa bei einem Fefteffen, wo man ficb lieber der edelften Beleuchtungsart, der Wachskerze felber bedient, die, wie kein anderes Beleuchtungsmittel ge eignet ift, Feftweibe und feierlichen Glanz zu verbreiten. Dann aber follen es wirkliche Kerzen fein. Es gibt doch heute febon künftlerifch einwandfreie Beleuchtungskörper auch für Kerzen, die ganz fachlich, ganz edel find. Aufrichtigkeit und ehrliches Bekennen, Materialbekennen, bilden die Grundlage jedes gefun den Gefcbmackes und jeder gediegenen Arbeit. Worauf das Publikum bei der Sache feben foll, um wirklich Gutes zu er halten, find nicht die figuralen und fonftigen Zierftücke, nicht die fymbolifeben, aus dem Lichtmotiv abgeleiteten Formerfin dungen, fondern Gebilde, die ihre Beftimmung ohne Umfehweife ausdrücken und die Vorzüge eines guten Materials mit einer peinlich tauberen Arbeit befityen. Es ift ja nicht ausgefcbloffen, daß die erwähnten plaftifcben Ideen, die allzubäufig mit dem Wefen der Beleuchtungskörper verquickt werden, zuweilen eine wirkliche Schönheit offenbaren, wenn fie von febr feinen Künftler- bänden abftammen. Das ift aber doch febr feiten der Fall. In der Regel ift folchen Dingen gegenüber der Standpunkt feftzu- halten, daß ein febr gebildeter und disziplinierter Gefchmack die ftreng fachlichen Formen an allen Gebraucbsdingen vorziebt, damit die eigentlichen Kunftwerke, die fich im Raume befinden, zu jener unbeftrittenen Geltung kommen können, die ihnen gebührt. □ KLEINGERÄT Das find Dinge, die nicht dem Luxus dienen, fondern der Not wendigkeit. Sie find ein untrügliches Maß für den Gefchmack und die innere Gediegenheit des Befitjers. Ihre Befcbaffenbeit foll darum einer näheren Prüfung ftandhalten. Ein gefunder Öko- nomifcher Sinn wird an dem Kleingerät nicht fparen, das dauernd ftarker Benutzung unterworfen ift und deshalb hohe Qualitäten befitjen muß. Im allgemeinen ift man leicht bereit, für fogenannte »Schmücke Dein Heim-Artikel« oder Luxusartikel verhältnismäßig teuere Preife zu bewilligen und fich für den notwendigen All tagsgebrauch mit billigem und minderwertigem Kleingerät zu begnügen. Das ift ein falfcher Grundfatj. Das japanifche Sprich wort hat recht: Wer Überflüffiges kauft, wird bald nicht das Not wendige kaufen können. Die fogenannten Luxusartikel, die das Heim auf eine falfche Note ftimmen, find überflüffig und wie alles Überflüffige, geradezu fchädlicb. Wer fich des entbehrlichen Luxus enthält, dem wird die Qualität der unentbehrlichen Ge brauchsdinge nicht leicht zu teuer erfcheinen. Allzuhäufig dienen die fogenannten Luxusgegenftände, die keine praktifdbe Beftim mung erfüllen und nur zur »Zier« daftehen, lediglich dem Zweck, die Blößen und Mängel des Heims zu verbergen. All der un nütze Kleinkram, die fälfcblicben Kunftgegenftände und Gefchenk- artikel, die wir aus den Schaufenftern der Ramfchbafare kennen, die niedlichen Schweinchen und Figürchen, die Tellerchen aus Glas und Porzellan, der ganze ftimmungmacbende Krims-Krams an den Gefimfen, die Krüge, die keinem Gebrauch dienen und weder Wein noch Waffer faffen, die Vafen, die keine Blumen aufnebmen, die Gefäße, die zu keiner Mahlzeit verwendet wer den können und eine bloße Dekoration bilden, und alle ähnlichen Dinge, die bloß zur Dekoration da find, bilden eine erlogene Eleganz und ertöten den Sinn für die Einfachheit, Wahrhaftig keit und Echtheit. All die Effektbafcherei, die keineswegs billig ift, all der anfeheinende Komfort, der nur Plage macht, ohne für etwas gut und nützlich zu fein, der nichtige Prunk einer uner träglichen Talmieleganz verfcbleiert die Tatfache, daß der Adel und die Behaglichkeit des Heims ausfchließlich auf die Güte und Vortrefflicbkeit der Gebrauchsdinge gegründet ift. Hinfichtlich diefer notwendigen Gebrauchsdinge ift darauf zu fehen, das fie ihre Beftimmung klar und fachlich ausdrücken und nicht durch extravagante Formen den üblen Beigefcbmack von den berüch tigten Luxusartikeln und bafarmäßigen Kunftgegenftänden emp fangen. Es hat eine Zeit gegeben, da man keinen Becher zur 310