es im Sommer vor Hitze und im Winter vor Kälte nicht auszuhalten, die Reparaturkosten mehren sich von Jahr zu Jahr, und da die Leute auch angefangen haben, den Sommer' frischlern zuliebe die Dachvorsprünge und Lauben abzu' schneiden, „damit mehr Luft und Licht in die Stuben komme“, ist auch der schlimmste Feind, die Feuchtigkeit, in die Wände eingedrungen, um sein langsames und sicheres Zerstörungswerk an den Menschen und Mauern vorzunehmen. An der Schaffung dieser Zustände hat der Verschönerungs' verein nach Kräften mitgewirkt. Er ist zwar nicht der alleinige Urheber, weil bei diesen Veränderungen noch andere Einflüsse maßgebend sind, aber er hat sie gefördert, be^ schleunigt und in ihrem Sinn gearbeitet: es war seine Rieh' tung. Nun läßt sich deutlicher erkennen, wohin sie in Zukunft führen wird. Er plaidiert bereits für eine neue Kirche, das schlichte Dorfkirchlein mit dem Kirchhof ringsum will den Leuten nicht mehr genügen; eine gotische Kirche soll es sein; der Friedhof soll außerhalb des Ortes verlegt werden, die Stadtleute können das memento mori mitten im Alltag nicht vertragen. Gründe für eine Villenkolonie sollen auf' gekauft, ein „Ferienheim“ soll errichtet werden ; man denkt schon an einen Kursalon, an eine Wasserheilanstalt und so fort. Schon in wenigen Jahren war der liebliche Ort nicht mehr zu erkennen, er hat ein ganz anderes Aussehen bekommen. Der Scherz, den in den Fünfziger)ahren ein Witzblatt brachte : „Warum bauen wir die Städte nicht auf dem Lande, die Luft ist doch so rein“, ist heute, dank dieser Verschönerungs' tätigkeit, Ernst geworden. Das kleinste Nest will Stadt sein oder doch städtischen Anstrich haben. Vor lauter Ver' schönerung werden die Orte alsbald so häßlich sein, daß sie für wirklich erholungsbedürftige Seelen kein erquicklicher Aufenthalt mehr sind. Die meisten Kurorte und Sommer' frischen stellen in der Tat nur eine Fortsetzung oder Uber' tragung städtischer Bauformen und Lebensweise dar, in vielen Fällen mit vermehrtem Anspruch auf Luxus und Komfort. Das Beispiel wirkt im kleinen weiter und ent' schuldigt gewissermaßen die Tätigkeit der Verschönerungs' vereine, die sich darauf berufen, daß alle diese Vorkehrungen den Stadtleuten zuliebe geschehen, die es angeblich so haben wollen. Dem ist aber gar nicht so. Der Städter, der aufs Land geht, will der Stadt entfliehen, will gar nicht an sie erinnert werden. Es ist wahr, daß er gewisse Kulturansprüche mit' bringt, die er auf die Dauer von wenigen Wochen nicht abschütteln kann; die Klagen und Beschwerden richten sich aber gerade gegen jene neumodischen „Restaurationen“ und gegen die Hundelöcher, die in solchen zeitgemäßen Orten als „Wohnungen für den Sommeraufenthalt“ vermietet werden, ferner gegen jene „verschönernde“ Tätigkeit, die den ursprünglichen Charakter des Landes und die heimatliche Schönheit verwüstet. Ein ordentliches Bauernhaus ist reich' lieh imstande, jenes Maß von Kulturansprüchen, die wir auch auf dem Lande haben müssen, zu befriedigen und vielleicht noch etwas mehr. Es entspricht den Kulturansprüchen durchaus nicht, in den sogenannten Restaurationen mit schmutzigen Servietten zu speisen, dagegen wird es jedem an den reinlichen weiß' gescheuerten Tischen der bäuerlichen Wirtsstube vortrefflich munden, wenn das Essen gut ist und der Trunk frisch. Die Gutmeinung und Arbeitswilligkeit der Verschönerungs' vereine soll nicht in Zweifel gezogen werden, daß sie berufen sind, sehr wichtige Kulturaufgaben zu lösen. Dann aber müßten sie freilich das schnurgerade Gegenteil von dem an' streben, was sie gegenwärtig tun. Das Ziel ihrer Tätigkeit soll die Erhaltung des Bestehenden sein, die Pflege der heimatlichen und bodenständigen Art, in der allein die Bedingungen des Gedeihens liegen. An Stelle der rücksichtS' losen und blinden Neuerungssucht müßten sie den Respekt vor der örtlichen Kultur und ihren Überlieferungen setzen; anstatt die Eigenart zu zerstören und die Schablone einzu' führen, müßten sie das Fremdartige grundsätzlich ausschheßen und sich als verständige Hüter des übernommenen Schatzes an Natur und Lebensformen zeigen, soweit diese letzteren in Tracht, Sitte, Hausbau, Hauskunst, Denkmäler, Straßen, Plätzen, Kirchen, Friedhöfen, Menschenwerk und Natur' gebilden zum Ausdruck kommen. Die Weisheit und die Liebe früherer Geschlechter hängt an diesen Formen, die mitten im Alltag eine stille Schönheit verbreiten und dem Orte oder der Gegend, wo sie eingewurzelt sind, eine bestimmte Physiognomie verleihen, die gleichzeitig orga' nischer Ausdruck der landschaftlichen Natur und. ihrer Menschen ist. Der Verschönerungsverein müßte im Orte eine Art Kulturinstanz und Geschmackspolizei bilden, die an Hand des genannten Inventars, das sie von allen über' lieferten Werten besitzt, darüber eifersüchtig wacht, daß sich keine frevlerische Hand an dem kostbaren Erbe vergreife. Eine Art heimatlicher Kunstpflege, für die es keinen anderen Kodex als das stille und eindringliche Beispiel der ortS' tümlichen Überlieferung gibt, wäre so recht Angelegenheit der Verschönerungsvereine. Sie würden vollauf zu tun haben, ihr Funktionsbedürfnis zu befriedigen, und sie würden es in einer Weise tun können, daß ihnen die Zukunft zu Dank verpflichtet wäre. Auf den ersten Blick vermag man vieler' ortens zu erkennen, daß es im Hausbau, in der Gartenkunst, im Wirtschaftsleben in der ortsüblichen gewerblichen und künstlerischen Produktion alte, erprobte Grundsätze, die der Vergessenheit oder Verwilderung anheimfallen, neu zu beleben gibt. Die Anlage von Ortsmuseen, daran dies gegenwärtige Geschlecht den Fleiß und die Geschicklichkeit der V°r' fahren zu eigener Nutzanwendung studieren mag, gehörte ebenfalls in die Obliegenheiten der Verschönerungsvereine, nicht minder als die Neubelebung einstiger bodenständiger Kunstübungen, davon die alte Zeit mancherortens aus' gezeichnete Beispiele, Holzschnitzereien, Malereien, Stickereien u. a. hinterlassen hat, die vielfach auch volkswirtschaftlich in Betracht kommen und die Quelle oft nicht unbeträcht' liehen Wohlstandes bildeten. „ Die meisten dieser Quellen sind heute verschüttet; Pietät' losigkeit, Fremdsucht, Unkultur haben auf dem versandeten Boden jene Erscheinungen gezeitigt, durch die das erholungS' bedürftige Stadtpublikum angelockt werden sollte. Der Rück' schlag ist häufig schon fühlbar; die Gäste bleiben aus und suchen Orte auf, die weniger „beleckt“ sind. Es hat eben keinen Reiz, statt einer Sommerfrische nur ein städtisches Surrogat zu finden. Die Verschönerungsvereine werden das bedenken und zu den Kulturarbeiten zurückkehren, die erst getan werden müssen. W^enn die klare Erkenntnis über den Wert und die Tragweite der vorliegenden Aufgabe gewonnen ist, wird die erste und wichtigste Arbeit in der Beseitigung aller jener sogenannten „Verschönerungen“, die das mv sprüngliche Kulturbild so vieler Gegenden verunstalten, bestehen müssen. Es wird in der Zukunft vielleicht kein w Verschönerungsverein“ sein, wohl aber ein schöner Verein. Des Heimatschutzes bedarf man nicht allein auf dem Lande, sondern auch in der Stadt, und vor allem in der nächsten Umgebung unserer Großstädte. Neben dem Verschönerungsplane, der städtische Anlagen der etwa noch im Umkreise der Großstädte bestehenden Ländlichkeit aufdrängt, ist es namentlich der Regulierungsplan, der unter Berufung eines oft imaginären Verkehrsbedürfnisses keine Schonung kennt und dem die einst blühenden länd' liehen Vororte Wiens bis auf wenige Reste, deren Bestand stündlich bedroht ist, zum Opfer gefallen sind. Wir beschränken uns darauf, aus diesen Vororten vorläufig zwei dürftige Beispiele zu liefern, die der Typus eines täglichen Vorkommnisses sind und daher einer gewissen Bedeutsamkeit nicht entbehren. Es ist einerseits eine kleine Vorortekirche, die wir im mv sprünglichen Zustande vor der Restaurierung zeigen, mit dem Kirchhof rundum, der zum Teil alte, schöne Grabdenkmäler enthielt: ein anmutiges Bild, das verschwunden ist und von dem keine Andeutung zurückgelassen wurde. Nicht einmal ▼