kleinlichen und auf allerhand Nebendinge gerichteten An^ schauung, die den ganzen Bericht charakterisiert, daß auch hier das Verschulden an Unrechter Stelle gesucht wird. Von engherzigem Krämergeist sind die betreffenden Ausführungen diktiert: „Durch den schlechten Geschäfts^ „gang und durch Stellenlosigkeit dazu gedrängt, werden zahb „reiche Gehilfen, manchmal mit Aufwand ihrer letzten „Mittel, Meister; sie sind dann, um sich nur Kunden zu „sammeln oder ihre Waren gegen bar schnell an den Mann zu „bringen, gezwungen, zu solchen Fassonpreisen zu arbeiten, „daß kaum von der Deckung des Lebensunterhaltes, „geschweige denn von einem Gewinne die Rede sein kann. „Wenn nun auch solche Gewerbetreibende, nach längerem „oder kürzerem Ringen, meistens in den Gehilfenstand „wieder zurückzukehren gezwungen sind, so haben sie „doch die Fassonarbeit derart verdorben, daß diese keines^ „falls mehr gehoben werden kann und auch auf die „Gehilfenschaft wieder schädigend zurückwirkt." Immer der nämliche Refrain klingt von Seite zu Seite durch den ganzen über 500 Seiten starken Band: Gewinnhoffnung und Gewinnenttäuschung. Das Bestreben, Preise zu erzielen, ist wohl stark ersichtlich. Aber nirgends liegt eine Andeutung über ein Bestreben vor, neue Werte zu schaffen, welche die einzig mögliche Grundlage eines wirtschaftlichen Aufschwunges abgeben können. Das Sinken der Fassonpreise in der Schmuck^ branche ist ganz anderen Ursachen zuzuschreiben als dem Bestreben einiger Gehilfen, mit dem Aufwand ihrer letzten Mittel Meister zu werden; es ist vielmehr dem Umstand zuzuschreiben, daß die Fasson aufgehört hat, einen seß> ständigen Wert zu bilden. Es ist sonach ganz natürlich, daß der heutige Schmuck fast nur mehr einen Materialwert repräsentiert. Es darf sogar behauptet werden, daß dabei das Publikum trotzdem betrogen ist. Ein Käufer, der einen Brillantschmuck für 20.000 K erwirbt, ahnt zunächst nicht, daß er einen Gegenstand erworben hat, der einen Kunstwert von kaum mehr als 10 K darstellt. Der Erzeuger hatte zunächst gar nicht das Interesse, dem Schmuck den einzigen und besten Wert, den er besitzen soll, nämlich den Kunst' wert, zu geben. Er fertigt in der Regel den Schmuck nach einer erwerbmäßig hergestellten Vorlage an, für die er nicht mehr als 10 K auslegt. Der Schwerpunkt ist allgemach von der künstlerischen Seite auf die bloß materielle ge' rückt worden, und der Schmuck ist auf diese Weise zu einem bloßen Materialwert herabgesunken. Die Folge davon war der tiefe Verfall der einst hochstehenden Handwerks' kunst, die noch vor 80 oder 100 Jahren entzückende Gold' Schmiedearbeiten hervorbrachte, die infolge ihrer künst' krischen Behandlung einen immer steigenden Wert bilden. Die Goldarbeiter von heutzutage haben die Goldschmiedekunst verlernt. Sie können nur Brillanten fassen. Ist es also nicht natürlich, daß die Fassonpreise sinken mußten? In Paris hat ein Goldarbeiter vor einigen Jahren damit angefangen, den Wert des Schmuckes nicht in die Kostbarkeit des Materiales, sondern in die neuartige, schöpferische, d. h. künstlerische Form zu legen. Er schnitt Steine, die lang verachtet waren, Halbedelsteine, und adelte sie durch Kunst. Er erzielte um geheuere Preise, reine Fassonpreise. Sein Name ist berühmt geworden: er heißt René Lalique. Ich will damit natürlich nicht sagen, daß die anderen dasselbe tun müssen, was René Lalique tut, denn die Arbeiten eines Lalique nachahmen, wäre das Allerverkehrteste und Verderblichste, wie denn überhaupt auf jede Art von Nachahmung in der Regel der wohlverdiente Untergang folgt. Ich will an dem erwähnten Beispiele vielmehr zeigen, wo der Ausgangspunkt des Strebens liegt. Ich wiederhole es, er liegt nicht in der Frage: habe ich an dem Publikum viel gewonnen, sondern in der Frage, wieviel hat das Publikum an mir gewonnen. Ist die Antwort auf die letzte Frage befriedigend, so ist die Hauptsache getan. Alles andere versteht sich von selbst. Es wird so viel Schund heute erzeugt, wie niemals in einem früheren Zeitalter. Und niemals in einem früheren Zeitalter war ein größerer Mangel an Dingen, die den höchsten Einsatz menschlichen Könnens bedeuten, also an Kunstdingen, als heutzutage. An dem Horizont des vorliegenden Berichtes ist kaum noch die leise Dämmerung aufgetaucht, daß eine Umwertung der volkswirtschaftlichen Werte um sich greift und daß sich dafür vom einseitigen Standpunkte der Handelsstatistik kein Ver' ständnis finden läßt. Trotzdem fehlt es auch hier nicht an Wetterzeichen, die aus den Spalten des geschäftsmäßigen Handelsberichtes hervorbrechen und die Wirksamkeit um verstandener Lebensmächte andeuten. Im Zusammenhang mit obigen Erörterungen ist die Stelle des Berichtes auf Seite 69 ganz gut zu verstehen, wo es heißt: „Diejenigen Artikel, „die ausschließlich Handarbeit ausweisen, verzeichnen eine „Zunahme in der Erzeugung, solche Gegenstände jedoch, zu „deren Erzeugung Pressen, Fallwerke, Stanzen und Stempel „nötig sind, werden selten verlangt.“ Das ist wieder ein ganz erfreuliches Zeichen und ein Wink des Publikums, daß man der maschinellen Surrogat'Werte überdrüssig ist, ein Am Zeichen, das von dem Zifferngeist des Berichtes unfehlbar mißverstanden und bedauert wird. Denn im unmittelbaren Anschluß an die zitierte Stelle heißt es wieder wörtlich: „Trotz der teilweisen Mehrerzeugung in einzelnen Betrieben „ist jedoch der Gewinn im Rückgang begriffen, weil infolge „des Uberwiegens der Handarbeit bessere Arbeitskräfte gehalten „werden müssen, die einen bedeutend höheren Lohn beam „Sprüchen, als Arbeiter die auf Pressungen arbeiten.“ Im Gegensatz zur Anschauung des Berichtes bedeutet für die gesunde Volkswirtschaft eine Verminderung des Unternehmer' gewinns wenig oder nichts, wofern ein Uberwiegen kunst' fertiger Arbeitskräfte mit hohen Lohnbezügen zu verzeich' nen ist. Wir brauchen nur ein Zitat des Berichtes, das sich einige Seiten später vorfindet, mit dem eben am geführten Zusammenhalten, um zu beweisen, wie nachteilig für die Industrie selbst die wirtschaftliche Entmündigung des Arbeiters ist. Es ist ebenso das Verhängnis einer falschen Logik wie einer schlechten Wirtschaftspolitik, daß sie sich mit den eigenen Waffen schlägt. Auf Seite 76 heißt es, in bezug auf den wirtschaftlichen Rückgang in der Fabrikation von Gold' und Silbergespinsten, wörtlich: „Auch hieran „trägt die allgemein gedrückte volkswirtschaftliche Lage schuld, „da viele Eltern es nicht erschwingen können, ihre Kinder „noch über die Schulzeit hinaus zu erhalten, sie daher nach „zurückgelegtem 14. Lebensjahre nicht als Lehrlinge, sondern „als jugendliche Hilfsarbeiter oder als Handlanger unter' „zubringen suchen, um mit dem hiedurch erzielten, wenn „auch kleinen Verdienste eine Beihilfe zu den ErhaltungS' „kosten der Familie zu schaffen. Darin ist auch die überlegen' „heit des deutschen Arbeiters gegen den österreichischen „begründet, da der erstgenannte alle einschlägigen Arbeiten, „wie Spinnen, Plätten, Weifen, Spulen, Handstuhlarbeit und „Mühlstuhlarbeit von Grund auf lernt, wogegen letzterer in den „meisten Fällen eben Hilfsarbeiter bleibt und gerade nur die „Maschine zu betreuen versteht, für welche er abgerichtet „wurde.“ Der Bericht über die Industrie und den Handel enthält ungefähr so viel volkswirtschaftlichen Verstand, als sich zur Not bei einem Handelsschüler vorfindet, der von einem Unternehmergewinn gehört hat. Der Profit steht obenan. Der Schaden ist unberechenbar, den die zahlreiche, auf 74