DIE TECHNIK DES TAPEZIERERS. VON FRED HOOD. ie Kunst, ein Zimmer zu tapezieren, werden gewiß die wenigsten als eine wahre Kunst anerkennen wollen. Wenn das Tapezieren lediglich darin be^ stände, einen Papierstreifen mit Kleister zu bestreik chen und an die Wand zu kleben, so hätten diejenigen jedenfalls recht, welche meinen, daß zur Ausführung der Arbeit wenig Geschick und Kunstfertigkeit gehöre. Natürlich gibt es auch auf diesem Gebiete zahlreiche Stümper, welche in der Tat nicht viel mehr als diese simple Klebearbeit ver^ stehen, und der Mann, der in meinem Wohnzimmer die gestreifte Tapete dermaßen ungeschickt an die Wand geheftet hat, daß an Stelle der etwa 15 cm breiten vertikalen Streifen über der Tür zwei Bänder von nur 5 cm Breite sichtbar werden (neben anderen normaler Dimension) ist sicher solch ein großer Stümper gewesen. Aber dieser grobe Fehler regt mich hier gerade dazu an, über die Technik des Tapezierens zu schreiben. Um sogleich den erwähnten groben Fehler zu behandeln, möchte ich betonen, daß naturgemäß kein vernünftiger Ta^ pezierer derart mit seiner Arbeit beginnen wird, daß er das letzte Stück gerade auf den über der Tür verbleibenden Raum klebt — denn das ist ein Raum, welcher in der Regel nicht durch Bilder oder sonstige Arrangements verdeckt wird. Allerdings sollen über Türen und Fenstern wie in den Brüstungen aus Sparsamkeitsrücksichten möglichst kürzere, zurückbleibende Stücke verwendet werden; doch darf die Sparsamkeit nicht so weit gehen, daß man zunächst alle vollen Wandflächen in ganzer Höhe tapeziert und dann die Reste um jeden Preis verwendet. In vielen Fällen ist das Muster überhaupt derart, daß auf eine geschickte Verwem düng der Reststücke nicht zu rechnen ist. Da muß man dann eben eine oder zwei Rollen mehr zerschneiden, in Rücksicht auf eine möglichst vollkommene Durchführung der Arbeit. Oder glaubt Ihr etwa, daß der Bildhauer oder sonst ein Künstler, um an Material zu sparen, seiner Figur eine kürzere oder nur vier Finger an einer Hand geben wird? InWohm zimmern mit großen Kachelöfen können ja übrigens besom dere Schwierigkeiten nicht entstehen, da die Nische hinter dem Ofen frei bleibt, und der Platz hinter dem Aufsatz und Gesims des Ofens immer nur stückweise sichtbar wird. Man wird aber logischerweise am Ofen beginnen und auch hier wieder aufhören — also nicht in Rücksicht auf die Abfälle zunächst nur die langen Bahnen kleben und dann die klei^ neren Flächen. Ich spreche hier absichtlich von den alltäglich vorkommenden einfachen Arbeiten, welche auch künstlerisch und gewissen^ haft ausgeführt werden können. Denn die Ausführung großer Arbeiten, wie z. B. die Befestigung echter Ledern und Seidem tapeten, wird man schon einem tüchtigen Meister übertragen, der die Sache durchaus versteht. Es ist unglaublich, mit welchem Leichtsinn gefällige Tapeten bisweilen auf den rauhen Kalkputz geklebt werden, ohne jede Rücksicht darauf, welchen Einfluß dieser auf das Papier und die Farben der Tapete auszuüben vermag. Der Kalk' putz wirkt nämlich ätzend auf die Farben; allerdings nicht immer, doch sehr häufig, und darum muß man auf alle Fälle Vorsichtsmaßregeln treffen. In das Seifern oder Leim' wasser, mit welchem neu geputzte Wände vor dem Tape' zieren gestrichen werden (und das den Zweck erfüllen soll, die Kalkfarbe der Wand haltbar zu machen, um eine Be' einflussung der Tapetenfarben zu verhindern), kommt am besten ein Zusatz von Alaun oder Borsäure, welche die ätzende Wirkung des Kalkputzes aufheben. Der aus Roggem mehl und Leimwasser bereitete Kleister ist vollkommen geeignet, eine solide Befestigung der Papiertapete auf der Wand zu bewirken; nur an den Grenzen der Wandflächen, also z. B. an den Tür' und Paneelkanten, unter der Stuck' voute, platzen die Tapeten leicht ab. Klebt man aber zuvor an diese Stellen Leinwandstreifen an die Wand und be' festigt man dieselben zur Erreichung einer größeren Sicher' heit auch noch mit kleinen Drahtstiften, dann haftet die Tapete auch an diesen Stellen absolut sicher. Dünne Tapeten werden sehr häufig dadurch entstellt, daß sich die Sandkörner des rauhen Putzes in das Papier eim drücken und diesem eine unerwünschte Kerbung geben. In Nebenräumen, wie z. B. dunklen Korridoren und Kammern, macht dies nichts aus, zumal hier in der Regel ohnehin geringwertige Tapeten gewählt werden, auf deren Flächen' Wirkung wenig Gewicht gelegt wird. Doch in den Zimmern, für welche man mit Bedacht ein schönes Tapetenmuster wählt, sollte man auch diesen Punkt berücksichtigen. Darum empfiehlt es sich, hier von vornherein einen feineren, ab' gefilzten Putz herzustellen und bessere Tapeten nur auf eine Unterlage von Makulatur zu kleben. Dagegen ist es nicht praktisch, einen ganz glatten Gipsputz zu erzeugen, da die Tapete auf so glatten Flächen wieder nicht fest genug haftet. Der größte Unfug wird beim Renovieren von Räumen gC' trieben. Da werden Räume, die bis dahin mit Leim' oder Ölfarbe gestrichen waren, frisch aufgerieben und dann tape' ziert. Wenn der Maurer mit seinem Reibebrett und unter steter Benutzung seines Wasserpinsels einen anscheinend neuen Putz hergestellt hat, dann ist er ja vollkommen zu' frieden; der Tapezierer aber bekommt hinterher die Nacken' Schläge. Der Wandputz dieser Räume besteht aus einer dicken alten Putzschicht und einer dünnen aufgeriebenen Schale, welch letztere aus einem Gemisch von frischem Mörtel und Partikeln des alten abgebundenen Kalkputzes mit Zusatz von Farbenteilchen besteht. Diese Schicht steht mit dem alten Putze nicht in fester Verbindung, namentlich wenn die Farbe nicht zuvor gründlich abgestoßen wurde. Kommt dann die frische Tapete (die ein größeres Gewicht und beim Trocknen auch eine größere Spannungskraft be' sitzt, als man zu vermuten scheint) auf die Wand, so wird die Deckschicht durch die Tapete von dem alten Grunde los' gerissen, so daß nun kein Zusammenhang zwischen Tapete und Wand mehr besteht. Ich habe selbst in meiner Praxis, als ich noch ein junger Bauführer war, den Fall erlebt, daß die Tapeten in drei oder vier derart aufgeriebenen Räumen wenige Tage nach dem Tapezieren absprangen, so daß die Zimmer vollkommen neu tapeziert werden mußten. Das zweitemal war das Tapezieren von Erfolg, denn nun hing ja glücklicherweise die dünne Kalkschicht an den beseitigten Tapeten. Viele Bautechniker und Tapezierer werden dieselbe Erfahrung gemacht und eine Lehre daraus gezogen haben. Das Abreiben der Wände in bereits früher tapezierten, be' ziehungsweise gestrichenen Räumen hat nur dann einen Zweck, wenn der Putz mittels Stoßeisen vollkommen gründ' lieh aufgerauht und nun eine genügend starke Putzschicht auf' gebracht wird, welche hinlänglich Zeit zum Abbinden hat. Auf dem rauhen Grundputz wird der neue Putz fester haften, und eine hinreichend dicke, abgebundene Schicht vermag die Tapete auch nicht von ihrem Grunde loszureißen. Häufig wird der Tapezierer ohne Grund für derartige Schäden verantwortlich gemacht; haften aber an der abspringenden Tapete Teile der obersten Kalkschicht, so ist das der beste Beweis, daß das Aufreiben des Putzes nicht kunstgerecht 82