lilSiiiaMKälUia KUNSTPOLITIK. TM VERGANGENEN JAHRHUNDERT KAMEN NEBEN 1 DEM KÜNSTLER ALS PRODUZENTEN UND DEM FÜRSTEN UND SEINEM HOFE ALS MÄZEN GROSSEN STILS KEINE ANDEREN MÄCHTE IN BETRACHT, AUSSER DER KIRCHE UND, BIS ZU EINEM GEWISSEN GRADE, DER STADTVERWALTUNG. NACH DER RE^ VOLUTION TRAT DIE KIRCHE ALS LEBENDIGE KRAFT ZURÜCK, UND WIE DER PALAST DES FÜR STEN, DER EINEN MIKROKOSMOS ALLES KÜNST LERISCHEN UND KULTURELLEN LEBENS GE BILDET HATTE, IN SEINE BESTANDTEILE: THEATER, OPER, KONZERTHAUS, GEMÄLDEGALERIE, SKULP TURENSAMMLUNG, GEWERBEMUSEUM, KULTUR MUSEUM, WAFFENSAMMLUNG, NATURHISTORI SCHES MUSEUM, VÖLKERMUSEUM U. S. W. AUF GELÖST WURDE (WOMIT DER ANSTOSS ZUR BILDUNG EINER GROSSEN ANZAHL NEUER, DEM VERGANGENEN JAHRHUNDERT UNBEKANNTER BAUORGANISMEN GEGEBEN WAR), SO TEILTE SICH AUCH DIE ÄSTHETISCHE, KRITISCHE UND VOLKSWIRTSCHAFTLICHE FUNKTION DES HOFES UND WURDE VIELEN VERSCHIEDENEN SCHULTERN AUFGELADEN, DEM STAAT, SEINEN BEAMTEN, DEN KUNSTVEREINEN, DEN SAMMLERN, DER PRESSE, SOGAR DEM KUNSTHANDEL. LANGSAM HABEN SICH DIESE NEUEN MACHTE ENTWICKELT. DIE MEISTEN SIND AUCH HEUTE NOCH NICHT SO WEIT, DASS SIE SICH NACH DER » QUALITÄT IHRER LEISTUNGEN EBENBÜRTIG NE- 11 BEN DEN FÜRSTEN UND SEINEN HOF STELLEN e DÜRFTEN. SO HAT Z. B. DER MODERNE STAAT ;- MIT SEINEN BAUTEN, MONUMENTEN UND AN- n LAGEN NOCH BEI WEITEM NICHT SOVIEL GLÜCK n GEHABT, WIE DER FÜRST DER ABSOLUTISTISCHEN n EPOCHE, UND DIE URSACHE IST NICHT WEIT ZU it SUCHEN: ER IST NOCH KEIN BAUHERR, DER SEINE SACHE VERSTEHT. I DENN WAS FÜR EINE UNTERGEORDNETE GAT TUNG MENSCH IST HEUTE DER DURCHSCHNITTS- = BEAMTE, DER IN UNVERANTWORTLICHEN KOM- MISSIONEN ÜBER KÜNSTLERISCHE ANGELEGEN- Zt HEITEN ENDGÜLTIG ZU ENTSCHEIDEN HAT, VERGLICHEN MIT DEM HOCHKULTIVIERTEN FÜRSTEN DER ZEIT DES ABSOLUTISMUS? ALFRED LICHTWARK. DIE VOLKSKUNST UND DIE ÖSTERREI CHISCHE UNTERRICHTSVERWALTUNG. E s ist nicht zu ermessen, wie reich Österreich-Ungarn an echter Volkskunst ist. Eine bunte Musterkarte, ebenso mannigfaltig wie die zahllosen Schattierungen der Stammesarten, ist diese Volkskunst, den natürlichen Bedingungen der Heimat und der Volksart entsprossen, voll lebendiger Individualität, ungekünstelt und doch kunstvoll, primitiv und doch erstaunlich treffsicher, aus uralten über lieferten Techniken entwickelt, ganz Materialsprache, ganz Dialekt, ganz Heimat. Einmal begonnen, den unübersehbaren Reichtum zu inventieren, ist des Staunens kein Ende über das ungeheure künstlerische Erbe des Volkes, sei es, daß man das Öechoslawische ethnographische Museum in Prag, das eine Überfülle herrlichster Volkskunst aus einem geo graphisch sehr eng begrenzten Sammelgebiete birgt, sei es, daß man das mit anerkennenswertem Verständnisse und Eifer von Dr. M. Haberlandt in Wien geleitete Museum für österreichische Volkskunde, oder die vielen Ortsmuseen besucht, sei es, daß man über Land geht, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, und die ungeahnte Fülle organischer Kunstformen studiert, vom einfachen Feldzaun bis zum Hausbau, die dem natürlichen Formsinn des Volkes ent sprungen sind. Dieser künstlerische Reichtum, in dem sich die Eigenart des Volkes oder die des Stammes in so natürlicher Weise offenbart, ist natürlich in volkswirtschaftlicher Hinsicht von enormer Bedeutung, unter Umständen die Quelle des EIGENTLICHEN VOLKSWOHLSTANDES, der sich keineswegs HANDELSÖKONOMISCH in den Ziffern der Handelsbilanz ausdrückt, sondern NATIONALÖKONO MISCH in dem gleichmäßigen Anteil des Volkes an dem Ertrag seiner persönlichen Arbeit, der in den Hausindustrien auf volksmäßig künstlerischer Grundlage garantiert war. Die Hausindustrien erzielten wegen ihrer individuellen und daher künstlerischen Eigenart einen großen Export, der sich nur auf die Qualität gründete. Die alten wunderschönen böhmischen Glaswaren mit den feinen Glasschliffen und bunten Farben, die altberühmte Znaimer Tonindustrie, die Erzgebirger Spitzen, die hochentwickelte Zinnkultur zwischen Eger und Karlsbad, die hochoriginellen Spielwaren- und Holzindustrien in allen Teilen Österreichs, die ausgezeichneten bäuerlichen Stickereien im Norden und Süden der Monarchie waren alle, nationalökonomisch betrachtet, Quellen des Volks- wohlstandes. Außer diesen bietet heute nur noch Japan das Beispiel eines außerordentlichen Exportes, der sich auf volks tümliche, originelle und künstlerische Eigenart gründet. Japan verdankt seine Weltstellung ganz allein der künstlerischen Begabung seines Volkes. Und Österreich?! Was hätte ein rechter Volkswirt mit der künstlerischen Kraft der Völker Österreichs getan? Der Weltmarkt wäre mit der alten Hauskunst noch immer zu erobern, wenn man nur die Kräfte richtig gebrauchen wollte. Was ist anstatt dessen geschehen? Die Erzeugnisse der Volkskunst sind meistens nur mehr Museumsgut. Der größte Teil der künstlerischen Hausindustrie ist heute kaum 89