ein anstrebenswertes Ziel. „Das natürliche Vorbild aus der Pflanzen-- und Tierwelt in leichter Umformung in die ehv fache Gefühlslinie zu stilisieren, hat ganz anmutige Neu^ heiten hervorgebracht, die mit Phantasie arrangiert und durch figürliche und landschaftliche Motive bereichert, tatsächlich als Ausdruck unseres vielseitigen Zeitgeschmackes angesehen werden können.“ Ein Zimmer^ oder Schildermaler, der über die modern-dekorative Kunst zu urteilen hätte, würde un gefähr dasselbe sagen, was Fachinspektor Langl als den er wünschten Beweis betrachten kann, daß sich jenes „Volksver ständnis“, das sich gegen die künstlerische Produktion ver schließt, mit den von Langl vertretenen Anschauungen einig fühlt. Wer sein Streben auf das Niveau des dümmsten Kerls einstellt, genießt freilich das billige Glück, von der Mehrheit verstanden zu sein und das „Volksverständnis“ für sich gewonnen zu haben. Zugleich ist aber den Mittel schulzeichnern der vielleicht weniger erwünschte Beweis ge lungen, daß für den Kunstunterricht, der auf Grund der neuen Erkenntnisse allerwärts erfreuliche Fortschritte macht, von den Mittelschulzeichnern nichts zu erwarten ist. Der Fach inspektor Langl, der durch seine „Umrißzeichnungen nach der Antike“ zum Zweck sklavischen Nachzeichnens an den Mittelschulen zur Genüge dargetan hat, wie der Zeichen unterricht nicht beschaffen sein soll, hätte sich das Armuts zeugnis, das in den von ihm geleiteten Beratungen nieder gelegt ist, füglich ersparen können. Hätte er geschwiegen, er wäre Philosoph geblieben. Nun versteigt er sich sogar zur gewagten Behauptung, Gerome, Lenbach, Kaulbach, Menzel, die Antike und die Meisterwerke des Cinquecento hätten Vorbilder für die Zeichenschule zu liefern. Sosehr er sich bemüht, die Antike zu kopieren und sie für Vorlagenwerke, deren Schädlichkeit längst erkannt, auszuschroten, so wenig ist er des Geistes antiker Kunst und Erziehung teilhaftig geworden. Viel mehr von dem wahren Geiste der Kunst steckt in jener modernen Kunstpädagogik, die Langl als die Kunst von Max und Moritz verschreien möchte. Daß Max und Moritz unzweifelhaft größere Künstler sind als jene, welche „Umrißlinien nach der Antike“ verfertigen und sie in ihren Schulen nachzeichnen lassen, wird kein vernünftiger Mensch, der die „Beratungen“ gelesen, in Abrede stellen können. Dieselben Mittelschulzeichner, die gerne mit hochklingenden Namen, wie Gerome, Kaulbach, Menzel, Antike, Cinquecento, schellen, verraten nicht die leiseste Ahnung von den eigent lichen Fortschritten und Vorgängen auf kunstpädagogischem Gebiete. Liberty Tado scheinen sie nicht zu kennen, ebenso wenig die hochentwickelten Methoden in den amerikanischen Schulen, die darauf fußenden erfolgreichen Bestrebungen der Hamburger Lehrerschaft, der Wiener Künstler, die an Schulen wirken, wie Roller, Moser etc., und nicht zuletzt des von ihnen mit tödlichem Hasse angefallenen Lehrers Öièek. Hirt, Lange, Muthesius, Lichtwark etc. nennen sie unbe rufene Machtelemente. Einer unter ihnen stellt die dreiste Behauptung auf, Professor Roller habe Cizeks Methode mit den Worten verurteilt: „So mache ich es; jeder andere aber, der es so machen wollte wie ich, würde es schlecht machen.“ Diese Behauptung ist vollends aus der Luft ge griffen, sie ist um so bedauerlicher, als sie von einem Mann getan wurde, der sonst gewohnt ist, bei der schlichten Wahr heit zu bleiben, und dessen korrekte Gesinnung sonst nicht im Zweifel steht. Dieser falschen und mißbräuchlichen Aus legung einer Äußerung Professor Rollers gegenüber muß ausdrücklich konstatiert werden, daß Roller gelegentlich aus freien Stücken erklärte, Ciieks Methode sei unübertrefflich, er könnte es selbst nicht besser machen, abgesehen davon. daß Öizek einen anderen Weg einschlägt als Professor Roller. Schreiber dieser Zeilen hat diese Worte, die Öièeks Zeichen unterricht betreffen, aus Rollers Munde selbst gehört und es würde Professor Roller seine Meinung jedem wiederholen, der ein Interesse haben könnte, sie zu hören. Allerdings ist es auch richtig, daß Professor Roller vielfach zu sagen pflegt: „So mache ich es; jeder andere aber, der es so machen wollte wie ich, würde es schlecht machen.“ Diese Äußerung betrifft nun, wie hinreichend erwiesen, keineswegs Professor Cièek; sie betrifft vielmehr seine un berufenen Nachahmer und sie würde sicherlich auch die Mittelschulzeichner betreffen, die es nun einmal nicht lassen konnten, an den Tag zu legen, wiesehr sie den heutigen Kunstunterricht und seine Aufgaben nicht verstehen. Die fälschliche Auslegung der Worte Rollers zu dem wenig ehrbringenden Zweck, einen verdienstlichen Mann zu kränken, verdient um so schärfere Verurteilung, als sie von einem Manne kommt, der auf dem Berner Zeichenkongreß Zeuge war, wie die Darlegungen eines österreichischen Delegierten aus dem Range der obstruierenden Mittelschulzeichner sich die herbste und gerechteste Ablehnung des Hamburger Lehrers Götze, der die aufgeklärte und hochgebildete Ham burger Lehrerschaft vertrat, gefallen lassen mußte. Es ist nicht leicht ein stärkerer Gegensatz zu finden als die Ham burger Lehrerschaft und ihr Gegenbeispiel, die österreichi schen Mittelschulzeichner. Dort eine für alle Fragen der modernen künstlerischen Bildung überaus empfängliche, alle künstlerischen und pädagogischen Anregungen mit Erfolg verarbeitende und im Geiste des Dresdener Kunsterziehungs tages schaffende Schar begeisterter Männer und hier ver knöcherte Schulzöpfe, die über ihr „Fach“ nicht hinaussehen, bureaukratenhaft den gewohnten Amts- und Schulschimmel reiten und giftig zetern, weil einem subalternen Hilfs lehrer kraft seines frischen Talentes der Aufstieg gelingt. Der sachlich unbegründete Haß wird allerdings menschlich begreiflicher, wenn man bedenkt, daß in der letzten Kunst gewerbemuseums-Ausstellung, welche die erfolgreiche Tätig keit Cizeks unter anderem veranschaulichte, als abschrecken des Gegenbeispiel die alten Schulmethoden unserer Mittel schullehrer hinter einem Vorhang versteckt, der dem Wißbegierigen, der das Gruseln lernen wollte, gelüftet wurde, um in ihm mit dem Einblick die Schauer auszulösen, die man sonst nur beim Eintritt in eine mittelalterliche Folterkammer empfindet. Wer den modernen Kunstunter richt kennt und plötzlich vor diese alten von unseren Mittel schullehrern krampfhaft gepflegten Methoden gestellt wird, kann sich dieser Schauer allerdings nicht erwehren. ES GIBT EINEN BÖSEN GEIST, DESSEN REICH DIE BLINDHEIT UND DIE FEIGHEIT IST, WIE DAS REICH DES GUTEN UND WEISEN GEISTES DIE KLARHEIT UND DER MUT IST. JOHN RUSKIN. 294