MEDAILLE UND MÜNZ AMT. VON B. KRISER.* ie im österreichischen Kunstrate in jüngster Zeit erörterten Fragen führten auch zu der die Kunst' kreise lebhaft interessierenden Resolution, die Graveur' und Medailleurschule von der Akademie der bildenden Künste loszulösen und dieselbe dem k. k. Münzamte anzugliedern. Diese Resolution ist von weittragender Bedeutung, weil durch dieselbe die Erkenntnis leuchtet, daß mit der Medailleur' kunst viele wichtige technisch'mechanische Arbeiten einher' gehen, welche allezeit an die Prägestelle gebunden sind. Es mag hiebei den Mitgliedern des Kunstrats jedenfalls das Beispiel der französischen Münze vorgeschwebt haben. Um nun auch dem fernstehenden Publikum den Zusammen' hang zwischen Münze und Medaille klar zu machen, sei auf denselben im folgenden in historisch'chronologischer Weise näher eingegangen und hiebei der Verhältnisse gedacht, die bei der französischen Münze vorliegen. Die französische Medaille, welche zu früheren Zeiten unter Ludwig XIV., ja selbst noch unter Napoleon I. in Blüte gestanden, im Volke gekannt, begehrt und geschätzt war, weil sie jedes größere Ereignis im Staate und in der Familie zum ehernen Gedanken festhielt, ging dann nach dieser Zeit allmählich dem Verfall entgegen; das heißt, sie wurde nach und nach eine mechanische Schablone ohne künstlerischen Charakter. Erst im Jahre 1830 bereitete sich die Scheidung zwischen Graveur und Medailleur wieder vor, denn David d’Angers gestattete sich schon eine freiere Behandlung des Reliefs und des Bildnismedaillons. Ihm folgte, wie uns Roger Max in seinem Buche „Les Medailleurs framjais“ erläutert, Paul Dubois und Chapu, Oudiné, Depaulis, Gattaux und endlich Fanachon. Durchwegs Künstler, welche den neuen Weg bahnten, auf dem die heutige Schule Frankreichs fußt. Aus der Schule des Fanachon gingen Ponscarme, Chaplain und Tasset hervor. Ponscarme schuf im Jahre 1868 eine Medaille „Naüdet“, welche von dem französischen Münz' amte, jener Kunststätte, wo damals und heute die Medaillen geprägt werden, abgewiesen wurde. Diese Medaille ist von großer kunsthistorischer Wichtigkeit. Ponscarme hatte mit ihr die alten Traditionen völlig verlassen. Statt des Spiegel' glanzes, von dem bisher nie abgegangen worden war, gab er über die ganze Medaille einen matten Ton. Das Porträt' relief hielt er flach und er ließ es weich, fast verschwommen, vom Hintergründe abheben; der Schrift gab er eine stilisierte künstlerische Form — mit einem Worte, er schuf Neue' rungen, welche den lebhaftesten Widerstand der in dem französischen Münzamte arbeitenden „Graveure“ hervorrief. Zum Glücke war Dumas, der damalige Präsident des Münz' amtes, ein Mann, der den künstlerischen Fortschritt er' kannte. Er stellte sich geradezu auf die Seite des Ponscarme und verhalf dessen Grundsätzen, die Dumas bereits in einem vorzüglichen Vortrage vor der Gesellschaft der französischen Medailleure besprochen hatte, zum Durchbruche. Von dieser Zeit an wuchs die Medaille mit raschen Schritten zu ihrer heutigen Bedeutung heran. Chaplain griff kräftig in die Bewegung ein. Mit seinem mächtigen Talente schuf er Medaille auf Medaille. Der Reihe nach porträtiert er die Mitglieder der Akademie der schönen Künste und die französische Regierung überträgt ihm die Entwürfe für die neuen Goldmünzen. * Wir geben den Ausführungen des geschätzten Autors gerne Raum, ohne uns mit seinen Anschauungen in allen Punkten einverstanden erklären zu können. ANM. DES HERAUSG. Dem ernsteren Chaplain folgt der leider früh verstorbene Degeorge — „Ein treuer Beobachter der Natur, erfinderisch in der Stilisierung und vorzüglich in der Zeichnung“ — schreibt Roty über ihn. Ihm folgt der fruchtbare Daniel Dupius und endlich der große Poet Oskar Roty. Mit der Bedeutung der künstlerischen Schöpfungen nimmt natürlich das allgemeine Interesse für die Medaille zu und in Österreich sind es Tautenhayn sen., der ehemalige Professor an unserer Akademie der bildenden Künste, und der verstorbene Meister Scharff, welche die in Frankreich neu entstandene Kunst hieher verpflanzt haben. Anton Scharff gehörte als beratender Künstler unserem Münzamte an, er war Direktor der noch den antiquierten Namen tragenden „Graveur-Akademie“. Er war ihr Kopf und gleichzeitig ihr Inhalt, denn neben ihm standen nur noch die „BEAMTEN“. Den klingenden von Kaiserin Maria Theresias Zeiten herrührenden Namen ver' dient dieses Bureau wohl nicht. Und wie schade! Warum macht man aus der Akademie keine Akademie — mit Meistern und Schülern? Wir haben doch ein treffliches Bild an dem französischen Münzamt. Es nimmt neben der ihm innewohnenden Bedeutung als Prägeanstalt auch den Rang eines ersten Kunstinstitutes ein. Auf der Pariser Weitaus' Stellung im Jahre 1900 sah man die „Ausstellung des Münz' und Medaillenamtes“, welche im Palais der Schriften, Wissen' schäften und Künste untergebracht war. Man sah da eine Auslese künstlerisch hervorragender Medaillen, welche alle in diesem Jahrhundert entstanden sind. Das französische Münz' amt trennt heute die Überwachung der Medaillenfabrikation VOLLSTÄNDIG von der Bearbeitung der Geldmünze. Für die Herstellung der Medaillen sind die neuesten Re' duktions' und Prägemaschinen aufgestellt worden. Die Ver' waltung hat ein großes Atelier errichtet. Sie hatte bis zum Jahre 1893 ein Monopol für die Herstellung der Medaillen und arbeitet seitdem im regen Konkurrenzkämpfe mit der Privatindustrie. Als wir bei der Medaillenausstellung vor einigen Jahren im österreichischen Museum für Kunst und Industrie die Arbeiten des Vernon, A. Charpentier, Vernier, Roty etc. bewunderten, fiel uns neben der Größe der französischen Kunst auch die technische Ausgestaltung der Medaillen auf, ihre Färbung, ihr Ton, ihre Zartheit und Weichheit, die das Verdienst der Prägeanstalt, — das ist des französischen Münzamtes, sind. — Aber nicht nur, daß das letztere dieser Art dem herr' liehen und schwierigen Kunstgebiete der Kleinplastik unter die Arme griff, kommt die französische Münze auch dem großen Publikum entgegen, verkauft ihm die Medaillen in Bronze oder Silber zu billigen Preisen und streut die kleinen Werke in Tausende Hände. Die französische Münze prägt auf Bestellung jedermanns diejenigen Medaillen, die sie selbst erworben hat. Sie prägt aber auch über Bevollmächtigung der Direktion der Akademie der schönen Künste oder anderer öffentlicher Anstalten und Privaten die Medaillen, deren Stanzen den Genannten gehören. Die Münze prägt Medaillen in Gold, Silber und Kupfer Bronze, Aluminium etc. Am Rande eines jeden Stückes be' findet sich eine Punze, ein Füllhorn darstellend, mit dem Namen des Metalles in ganzen Buchstaben. Die Marke be' zeichnet, daß die Medaille in der Münze geprägt wurde. Schon aus den von der französischen Münze zum Verkaufe vorliegenden Medaillen ist zu ersehen, daß die hervor' ragendsten Meister für dieses Amt arbeiten. Am nächsten stehen ihr derzeit Roty, Chaplain und Patey. Die beiden letzteren haben ihre — von Bureaus vollständig abgetrennten - ATELIERS IM GEBÄUDE DER MÜNZE SELBST. 334