Blumen jeden Beschauer und vornehmlich proklamiert dieser Gemeinsinn der Bürger eine zukünftige Herrschaft der Farbe. Die Gedanken führen von den Lebenden weiter nach den Orten des langen Friedens und bilden auch hier geistige Bilder, die mehr befriedigen als die nüchternen Eindrücke eines nach keinerlei Prinzip geordneten Musterlagers von polierten Granittafeln und Blumenhügeln. Obwohl die Haupt' schuld daran den verfehlten Friedhofsanlagen beizumessen ist, so ist auch hier der Gartenkunst der Mangel vorzuhalten, keine höhere Einheit erstrebt zu haben. Niemals könnte der Sinn tiefen Friedens, ewiger Ruhe besser gedeutet werden als durch Blumen, niemals könnte der Lebende des Toten inniger gedenken als in der stummen Sprache der Blüten. In vielen Kreisen greift eine starke Bewegung um sich, auch hier den trostlosen Schematismus herauszudrängen, und mächtig setzt dieselbe ein, die Periode der polierten Granit- platten mit den unsagbar langweiligen vergoldeten Schriften zu stürzen und an Stelle dieses äußersten Tiefstandes den Beginn wirklich künstlerischer Arbeit zu setzen. Da glaube ich auch, es sei an der Zeit, das künstlerische Wollen des Gärtners mit in diese Bestrebung zu werfen, damit vollendete Einheit daraus emporreife. „Im Tode sei alles gleich!“ so meint ein schönes Sprichwort! Nur folge man dem tiefen Sinn der Worte und streue gleiche Ruhe in Blumen aus, wohin die Ruhe und friedliches Gleich sein gehört. In tiefen Purpur hülle man die Felder der Gräber, dunkles Violett umschließe ganze Gruppen, daraus die grauen Steinmale erwachsen. Längs der Wege stehen dann Zypressen, Blutbuchen an den Grenzen der Gräberfelder. Weiße Blüten entsprießen dann Kindergräbern, die im Schatten weißgerindeter Birkenhaine vereint zusammenliegen, Eichenpappeln umschließen das große, weite, stille Quartier der Toten. Der Gartenkunst bleibt auch hier die Lösung Vorbehalten. Hundertfältig wären die Beispiele, die ich Ihnen in Worten schildern könnte, unbegrenzt die Reihe der Gedanken, welche neuen, stets andersgearteten Aufgaben ihre Entstehung ver danken. Die künstlerische Schaffenskraft, das künstlerische Empfinden wird immer von neuem sich mit Wärme den Arbeiten zu wenden, in welchen die Blume, der Strauch, der Baum als aufbauende Elemente auftreten. Nicht allein der Reiz solcher Einzelelemente begeistert zu neuem Schaffen, zu neuem Er finden, auch die gewaltigen Nachbarelemente der Natur, die Luft, das Himmelsgewölbe, die Sonne, die Sterne, Wasser und Stein, die nächste und weitere Umgebung. Eine Fülle von Gedanken löst jedes Wort aus, niemals gleichartig, je mehr das eine oder das andere Element in der Harmonie des zu Schaffenden das Übergewicht und die Bedeutung erhält. Und immer ist neben dem Stofflichen die Farbe das treibende Moment, das Licht allein, das hundertfältig sich in Blüten und Blättern bricht, eine Basis neuen künstlerischen Gebärens. Das leuchtende Wunder, das aus den Blumen strahlt, es drängt nach neuen Wegen; zu neuen Wegen findet sich neuer Rhythmus. Neue Werte erscheinen dann in dem großen Gebiete der Gartenkunst und mit ihnen umwälzende starke Kräfte. Eine mächtige Bewegung im Volke geht nach gesunder V erinnerlichung. Nach Jahrzehnten grober Äußerlichkeiten und oberflächlichen Leichtsinnes — die breite Basis des gedankenlosen Schemas — besinnt sich der Mensch endlich auf sich selbst. Rück kehr zur Natur hieß es zuerst, daraus sich dann ein Recht entwickelte, selbst denken und selbst empfinden zu dürfen — den ungesunden symbolistischen Eigenheiten einer nerven schwächenden Decadence in Kunst und Literatur folgte ein wachsendes Bedürfnis nach Ruhe und Einfachheit. Nicht unbegründet gliedert sich die zeitgemäße Architektur in große ruhige Flächen, nicht umsonst vollzieht sich eine Wanderung hinaus aus der Städte Unkultur nach dem ge sunden frischen Land. 188