entfcbeidet, fondcrn die vorhandene künftlerifche Kraft, die ihr Beftes verfucht. Was daran ift, wird die Nachwelt beurteilen; fie wird die perfönlich intereffante Löfung anfprechender finden und in ihr mehr Reiz entdecken, als in einer Durchfchnittsleiftung, die der heutigen Hllgemeinheit gefällt. □ Wagner kann nur unrecht haben gegen ein Projekt, das beffer ift als feines. Ein folcbes ift nicht vorhanden. □ Vom Standpunkt der Kunft und unter Künftlern ift es ge= recht, gegen Unkunft aufzutreten; es ift aber ein ungewöbm lieber Fall, einem hervorragenden Könner in den Rücken zu fallen, einem, der unwiderlegbar eine künftlerifche Arbeit ge» tan bat. L. DIE AUTORITÄT DES KÜNSTLERS STEHT ÜBER DER MENGE. DIE MENGE BESITZT KEINE AUTORITÄT, SIE BESITZT HÖCHSTENS BLINDE GEWALTTÄTIGKEIT HIER, WIE IN ALLEN FÄLLEN, GILT DER GRUNDSATZ, DASS WIR NUR DIE KUNST VERSTEHEN KÖNNEN, DIE WIR MIT LIEBE BETRACHTEN DIE ALLGEMEINHEIT HAT KEIN URTEIL, KEINE VER NUNFT, KEINEN KÜNSTLERISCH BEHERRSCHTEN WILLEN. SIE HAT NUR STÜRMISCHE, UNGERECHTE LIEBKOSUNGEN UND EBENSOLCHE GEHÄSSIGKEITEN BERLIN VON WOLFGHNG VON ÖTTINGEN (BHND I: STATTEN DER KULTUR) E ine mit leichter Hand bingeworfene Schilderung des Werde ganges Berlins bietet der I. Band der bei Klinkbardt & Biermann in Leipzig erfcheinenden »Stätten der Kultur«. Es ift eine reizvolle Hufgabe, die Cbarakteriftik diefes unge heuren Stadtorganismus in knappen Skizzen binzuftellen; in einer Reibe von klar und ficher gezeichneten Kulturbildcben das Bedeutfame jeder künftlerifcb beftimmten Epoche berauszubeben, infoweit es für das heutige Leben intereffieren kann; mit ein dringendem Verweilen in dem 18. Jahrhundert, das künftlerifcb fo viel zu geben hatte, und in der Zeit SCHINKEL 3 , die für uns immer intereffanter wird und der man geiftig wieder näher kommt. Die alten Kupferftecber (fiehe die Hlt-Berliner Hnfiditen und den alten Stadtplan mit den Befeftigungen, zur Feftftellung, was Berlin ftädtebaulicb verfäumt bat) kommen dem äftbetifeben Verlangen entgegen, den künftlerifcben genius loci der Stadt zu ergreifen. Aber die literarifebe Schilderung ftebt nicht ganz auf der gleichen Höbe. Das hat bisher nur Einer verftanden, LICHTWARK, der die Ökonomie des Wortes mit der Fülle der Kenntnis verband und von Berlin (in den Königsftädten) eine ebenfo intereffante als angenehm faßliche Darftellung bot. Das Thema ift nicht zu erfchöpfen. Öttingen bringt mehr und vieles, was recht lefenswert ift; ich kann aber nicht fagen, daß der Stoff ganz gemeiftert ift. Die Effenz zu bieten, das ift das Problem. STÄDTEBHUFRH6EN GROSS=BERLIN erlin will wieder eine künftlerifche Marke empfangen. Nicht nur was den Einzelbau betrifft, der hervorragende Leiftungen der neuzeitlichen Baukunft aufweift. Auch als Stadtganzes foll Berlin eine künftlerifche Einheit darftellen. □ Die amorphe Maffe von Groß-Berlin in ein künftlerifcb be- ftimmtes Stadtgebilde zu kriftallifieren, ift ein Plan aufgetaucht, (»Groß-Berlin«, Verlag von ERNST WASMUTH, A.-G., Berlin), der die Verbefferung der bereits bebauten Teile anftrebt und auch die Anfiedlung auf den noch unbebauten Teilen einer künftlerifcben Regelung unterwerfen will. □ Die Anregungen zur Erlangung eines Grundplanes für die ftädtebauliche Entwicklung »Groß-Berlins« find gegeben von der Vereinigung Berliner Architekten und dem Architektenverein zu Berlin. □ Der, wenn auch im Kleinen großzügigen, vom fürftlichen Willen beftimmten Stadtanlage im 18. Jahrhundert, wie von Paris, Wien, Dresden, Berlin u. a., batte das parvenübafte 19. Jahr hundert nichts entgegenzufetjen. Der Rubmesfinn, der den Abfolutismus vergeiftigte, war erlofchen, verkebrstechnifcbe und ökonomifche Rückfichten gewannen die Alleinberrfchaft und febufen die Zuftände, die beute lebhaften Widerwillen erregen. Das allumfaffende künftlerifche Gefetj muß ficb wieder an jenen enormen Häuferkonglomeraten der Großftadt erfüllen, wenn das Leben in folchen Anhäufungen leicht und erträglich fein foll. Viel leicht vermag der auf das Große gerichtete Gemeinfinn von beute wieder, was einft der Rubmesfinn vermochte. »Ptéparer l’avenir«, die Zukunft vorbereiten, diefes Wort macht das Städteftudium überall zu einer neuen Kunftangelegenheit. Was unternehmen die englifchen und amerikanifchen Städte zu diefem Zweck, was gefebiebt in Paris und in Wien? Washington, Philadelphia, New York find im Begriffe, für die Verbefferung und Ver- febönerung, die nicht mehr als eine Frage des lokalen Stolzes, fondern als eine Pflicht der Nation und der Menfchheit aufgefaßt wird, Enormes zu tun. Und die Kühnheit der amerikanifchen Pläne überfteigt alles Dagewefene. In England bereiteten die Reformer ganz neue Anfichten vor, wie ja die reichlich bekannte Aktion EBENEZER HOWARD 3 beweift. In bezug auf London werden die alten Planentwürfe von Cbriftopber WREN ftudiert- um zu erkennen, was London verfäumt, und was fich gleich für die Zukunft tun läßt. Von 1855 — 1889 hat die Verbefferung der Straßen allein 300 Millionen Mark gekoftet und das, weil zur gegebenen Zeit der großgedachte Plan von WREN keine Be achtung fand. Überall bat man feitber die Erfahrung gemacht, daß die ungenügende, unzweckmäßige, d. b. unkünftlerifche Be bauung die koftfpieligfte ift. Denn fie zwingt immer wieder von vorn anzufangen. Radikal geht Paris vor; nach dem Entwurf von HENARD foll eine »Avenue du Palais Royal« die langgeftreckte Baugruppe diefes Palaftes des 17. Jahrhunderts in der Mitte durebfebneiden. Ein Weftoft- und ein Südnord-Durchbruch foll gefchaffen werden, um die inneren und belebteften Teile der rechts der Seine gelegenen Hälfte von Paris zu entlaften, den Teil, der von den inneren Boulevards, dem Boulevard de la Madeleine, dem Boulevard des Italiens, dem Boulevard des Capucines, dem Boulevard Montmartre, öftlicb vom Boulevard Sébaftopol, füdlich von der Rue de la Rivoli begrenzt wird. In Wien endlich bildet die Schaffung des Wald- und Wiefengürtels mit der Höbenftraße das vielbeachtete Projekt der Zukunft, das 5