DIESEM HEFT IST N R -1 - 2 DER MITTEILUNGEN DER DEUT SCHEN GHRTENSTHDTGESELLSCHHFT BEIGESCHLOSSEN GUTFICHTEN VON KÜNSTLERN UND GEWERBLERN „(SCHLUSS DER STREITFRAGEN IM DEUTSCHEN KUNSTGEWERBE) OTTO BIRKNER J R ', MÖBELFABRIK, MEISSEN, SCHREIBT: Rn das Direktorium der III. Deutfcben Kunftgewerbeausftellung, Dresden 1906 Dresden n böfl. Beantwortung Ihres Werten vom 31. VIII. bzw. 6. VIII. erlaube mir böfl. zu erwidern, ich hoffe, daß es mir geftattet ift, offen und ehrlich meine Hnficbt zu bekennen, daß die Ver- faffer der mehr erwähnten Eingabe etwas febr fcbwarz leben mögen. Ohne Zweifel ift der Huffchwung des kunftgewerblicben Lebens der Künftlerfcbaft zu danken, zu bedenken ift jedoch da bei, daß wohl die meiften Unternehmer, Induftrielle wie Hand werker, von dem erhofften goldenen Lorbeer bis beute noch nichts bemerkt haben, ich felbft habe feit zirka acht Jahren, wie noch beute für die neue Bewegung im Kunftgewerbe mit ge arbeitet, oft mit Erfolg, aber meiftens nicht mit dem, den vielen Aufwendungen entfprecbenden Nutjen, den leiteten zogen die Künftlerbonorare. □ Daß Künftler und Ausführende in engfter Fühlung bleiben müffen, ift unbedingte Notwendigkeit, will man nicht unter vor« wärtsftrebendes kunftgewerbliches Leben unterbinden, jedoch müßte die Künftlerfcbaft auch daran denken, daß die Fabrikanten und Handwerker, die fleh gern zur Verfügung ftellen, zur Ausfüh rung der nach den neuartigen Gefichtspunkten berzuftellenden Ar beiten auch auf ihre Rechnung kommen; wie das zu machen, ift allerdings eine fchwierige Frage, an deren Löfung aber beide Teile zufammen arbeiten müffen, daß die Dresdener Künftlerfcbaft, wenigftens zum Teil, daran nicht gedacht bat, bei der III. Deut- fchen Kunftgewerbeausftellung, fondern nur an eigenen Nut}en und Ehre, dürfte wohl eine Umfrage bei allen Ausftellern zur Genüge beweifen, wenn auch manche Ausfteller nicht fo offen und ehrlich ihre Meinung bekennen follten, wie es die Sache verdient. Erft beute habe ich bei mehreren Großinduftriellen Umfrage gehalten, betr. der erwähnten Eingabe, und höre da von febr vielen Seiten, wie ja auch von Beteiligten in Dresden felbft, über eine gewiffe Vernachläffigung der Induftrie fleh aus« fpreeben. Vielleicht ließe fleh im Kunftgewerbeverein eine Aus- fpracbe berbeifübren, es führt zu weit hier. Betreffs der Lehr- werkftätten an Kunftgewerbefcbulen muß ich mich als Gegner bekennen, da man einmal eine tüchtige praktifche Ausbildung dort niemals erreichen wird, man kann oft beobachten, wie ein Teil der Schüler fleh fchon als Künftler fühlen, man foll das dem Handwerk überlaffen, das je^t auf diefem Gebiete mit großen Opfern erfolgreich tätig ift, und gut praktifcb vorgebildete Be« fucher der Kunftgewerbefcbuten bisher für Induftrie und Hand werk, foweit praktifche Vorbildung erforderlich ift, immer die brauchbarften Leute gegeben hat. Anders und entfehieden vor teilhafter ift es ohne Zweifel in folchen Betrieben, wie die Dres dener Werkftätten, eine derartige Lehrlingsausbildung, die Schule und Praxis fo eng verbindet und fo zielficher geleitet wird, muß ohne Zweifel von böcbftem Nutjen für das Kunftgewerbe fein. Die Kunftgewerbefcbulen werden eine folcbe durch und durch vertiefte, gleichmäßige Ausbildung auf allen in Frage kommen den Gebieten niemals erreichen können, auch wenn die beften Lehrwerkftätten eingerichtet werden, fo fehlt doch die Verbindung und der tägliche Verkehr mit dem praktifchen Leben. Auch hier ließe auf mündliche Ausfpracbe noch manches fleh erledigen, ich habe in der gleichen Sache bereits einige Berichte an Gewerbe kammern ufw. in ähnlichem Sinne abgefaßt, doch bin ich recht gerne bereit, an einer für alle Teile befriedigenden Löfung diefer Frage mitzuarbeiten. Ich hoffe und bitte ferner, daß mir für meine offene und ehrliche Bekennung meiner Anfichten auch die Achtung etwaiger Gegner erhalten bleiben möge; zum Heile des fächfifchen und deutfehen Kunftgewerbes, mögen auch meine Ausführungen mit dienen. □ Mit vorzüglicher Hochachtung Meißen, 6. September 1906 ergebenft (gez.) Tifcblerobermeifter OTTO BIRKNER, Vorfituender des Innungsausfchuffes, Meißen HERR WILHELM STÖFFLER, PFORZHEIM, SCHREIBT: Die III. Deutfche Kunftgewerbeausftellung ift keine »Kunftgewerbe-Ausftellung«, fondern eine »Künftler-Ausftellung«; diefen Eindruck empfing ich beim Befucbe derfelben, und mit mir gewiß Taufende und Abertaufende, welche wie ich mit gefpannten Erwartungen nach Dresden gekommen find. □ Viele Äußerungen in der Preffe haben diefen Eindruck wieder gegeben, ihn nach verfchiedenen Richtungen vertieft und ver- febärft; ja fogar für die künftige Entwiddung unterer nationalen Kulturarbeit Konfequenzen daraus gezogen, die nicht erfreulicher Natur find. □ Man bat dabei gewiß zu Unrecht die Dresdener Ausftellungs« leitung verantwortlich gemacht für die Vorfchläge eines einzelnen, über deren Geltung meines Wiffens bis heute weder ein Deutfcber Kunftgewerbetag, noch auch der Vorftand des Verbandes der Deutfehen Kunftgewerbevereine Gelegenheit gehabt bat, fleh ein Urteil zu bilden und abzugeben. D Die Dresdener Ausftellung als »Künftler-Ausftellung«, das muß zugeftanden werden, legt die Befürchtung nabe, als ob man dar auf ausginge, künftig kunftgewerbliche Aufträge von Staat und Gemeinde den Kunftband wer kern, alfo den Männern vom Fach, zu entziehen und den Künftlern ohne fachliche Ausbildung zu übertragen. □ Ob an maßgebender Stelle in der Tat folcbe Abfichten befteben, mag dabingeftellt bleiben; jedenfalls ift man im Eifer auf bei den Seiten zu weit gegangen. Aus der daraus entftandenen