Rheinanficht der neuen Dombrücke vom Jahre 1911 an, von Deut) gefeben Aufgaben gegenübergeftellt. Wohl verfuchte er anfangs die Formen der fteinernen Brücken in Eifen nacbzuabmen, wie bei der Kronprinzen» brücke in Berlin oder der fllexanderbrücke in Paris, oder auch die Eifenkonftruktion mit allerlei Zierwerk zu verbrämen, aber bei der zunehmenden Entwicklung der Ingenieurkunft fah man gar bald ein, daß man hiermit auf dem falfchen Wege war und daß das Eifenwerk allein Ausdruckskraft genug befit)t, um folcber Ziermittel entraten zu können. Als einziger Reft diefes Beftrebens, bei modernen Eifenbrücken die früheren Ausdrucksmittel zu verwenden, ift die Gepflogenheit ge= blieben, die Eingänge durch maffive Torbauten zu betonen. Hierbei begeht man noch immer den fundamentalen Fehler, auch für die Einzeldurchbildung diefer Bauwerke die Vorbilder bei den mittelalter-- licben Brückentürmen zu fuchen. Die Wahl der Stilricbtung wird dann zumeift beftimmt durch diejenigen Bauwerke früherer Jahrhunderte, die der betreffenden Stadt ihr architektonifcbes Gepräge verliehen haben. So fehen wir an den Brückenbauten zu Magdeburg die Anlehnung an niederfächfifcbe romanifche Kirchenbauten, in Mainz erkennen wir die Form der alten Stadtbefeftigungstürme wieder, und fo bat man auch geglaubt, bei den für Köln geplanten Brückenbauten romanifche Bauformen wählen zu müffen, weil eine große Zahl feiner berübmteften Kircbenbauten der Blütezeit romanifcher Kunft entflammen. Ift fchon an fleh nun endlich der deutfcbe Architekt zu der Einficbt gelangt, daß es doch in gewiffem Sinne ein Armutszeugnis bedeutet, die Vollen« düng feiner Kunft in möglichft getreuer Nachahmung der Kunftformen vergangener Stilepocben zu fuchen, daß es vielmehr fchon die Selbft« acbtung gebietet, gleich den Meiftern früherer Jahrhunderte die Sprache feiner Zeit zu fprecben, fo tritt bei der Verbindung von derartigen Architekturwerken mit den Werken der Ingenieurkunft noch ein anderes Moment hinzu, das felbft jeden künftlerifcb empfindenden Laien das Unrichtige folchen Beginnens ohne weiteres erkennen laffen müßte. Es ift dies die unvermittelte Verbindung der Ausdrucksformen zweier weit auseinanderliegenden Zeiten. Es follte doch nur eigentlich eines kurzen Hinweifes auf den inneren Widerfpruch bedürfen, der darin liegt, mit einem Werke, das fo febr der Ausdruck unterer Zeit ift, wie eine moderne Eifenbrücke, Nachahmungen mittelalterlicher Ritterburgen oder Stadttore zu verbinden, um jeden zu der Erkenntnis zu bringen, daß wir hier andere Wege einfchlagen müffen, wenn wir ein wirklich harmonifches Werk fchaffen wollen. □ Unter allen Umftänden müßte der Architekt bemüht fein, für eine folcbe Bauaufgabe eine neuzeitliche Ausdrucksform zu finden, und dies um fo mehr, als ihr Zweck ein durchaus moderner ift. Daß es deutfcbe Architekten gibt, die einer folchen Arbeit gewachfen find, und daß es fchon gelungen ift, für folcbe moderne Ausdrucksformen zu finden, be= weift uns neben anderen zahlreichen Bauwerken unferer Tage die neue Rbeinbrücke zu Duisburg, bei deren gewaltigen Brückenkopf« bauten der Architekt gänzlich darauf verzichtet hat, fleh der Stilformen vergangener Jahrhunderte zu bedienen. Es würde ein folcbes modernes Bauwerk fich zweifellos auch in ein Stadtbild mittelalterlichen Ge präges gut einfügen. Ift es doch eine durch die Kunftfchöpfungen früherer Zeiten unumftößlicb bewiefene Tatfache, daß wahrhaft feböne Werke weit auseinanderliegender Kunftepochen ftets in Harmonie zu einander flehen, während ebenfoviele Beifpiele aus unferer jüngft ver gangenen Ardntekturperiode eindrücklich lehren, daß alle Nachahmungen, mögen fie im Augenblick ihres Entftebens als noch fo »ftilrein« ge- priefen worden fein, den Vergleich mit ihren Vorbildern faft niemals ausbalten, ja zumeift zu ihnen in Mißklang flehen. □ Wenn nun in den obengenannten Berichten es als ein Vorzug der Brückenentwürfe bezeichnet wird, daß die Brückenportale zu folchen gewaltigen Bauwerken ausgebildet werden follen, daß fie ein ftolzes Gegenftück zu den Domtürmen bilden werden, fo möchten wir auch eine folcbe Anfchauung nicht unwiderfproeben laffen. Wenn auch unferer Zeit das Recht nicht beftritten werden darf, mit ihren Baufcböpfungen be- ftimmend in die Erfcheinung der Stadtbilder zu treten, fo hatten wir doch im vorliegenden Falle einer gewiffen Zurückhaltung den Vorzug gegeben. Ift doch das Verhältnis der Türme von Groß St. Martin, vom Dom, der Jefuitenkirche und St. Kunibert ein fo überaus feines, daß jede größere in unmittelbarer Nähe diefer Bauwerke fich auftürmende Baumaffe diefen unbedingt gefährlich werden muß. Sollte man über die Richtung diefer Anfchauung noch im Zweifel fein, fo müßten wir es angefichts der Bedeutung diefer Bauaufgabe für eine Ehrenpflicht der für ihre Verwirklichung maßgebenden Stelle erachten, vor Inan griffnahme der Ausführung durch ein an Ort und Stelle aufgeftelltes Modell der Tortürme den richtigen Maßftab für fie feftzuftellen. Ange fichts der riefigen Koften, die, wie wir hören, für die Brückenportale aufgewendet werden follen, dürften die Koften eines folchen Modells gar nicht ins Gewicht fallen. □ Wenn auch die Entwürfe bereits vor längerer Zeit die Genehmigung der maßgebenden Stelle erhalten haben, die Fundierungsarbeiten der Strompfeiler fchon weit vorgefebritten, die gewaltigen Eifenkonftruk- tionen fchon in Auftrag gegeben find, fo ift es doch vielleicht noch mög lich die Umrißlinien und Maffen der Portalbauten fo zu beftimmen, daß dem Stadtbild kein Eintrag getan wird. Gelingt dies aber nicht, und follte der Tag kommen, an welchem alle Freunde des berühmten Kölner Stadtbildes es beklagen, an Stelle der jet)t verfebwindenden alten Brücke, die fich trot) der an fich wenig fchönen Gitterträger befebeiden den oben erwähnten Bauwerken unterordnet, fo müßte es bedauert werden, daß fich an der Löfung diefer fo bedeutungsvollen Bauaufgabe nicht die gefamte deutfcbe Architektenwelt beteiligen durfte. In den Befprecbungen des Architektenvereins wurde es außerordentlich bedauert, daß die biefi- gen Fachkreife bei einer für ihre Vaterftadt fo wichtigen Frage erft fo fpät, und zwar erft durch Veröffentlichung in der Tagespreffe Kenntnis von den Entwürfen erlangt haben, man würde fonft ficherlich mit allen zu Gebote flehenden Mitteln dahin gewirkt haben, daß die Entwürfe zum Gegenftand eines öffentlichen Wettbewerbes gemacht worden wären. 62