NOCHMALS DHS MAGDEBURGER ORTSSTATUT GEGEN VERUNSTALTUNG DER STRASSEN UND PLÄTZE EINWHNDE UND HBHNDERUNGSVORSCHLHGE VON ARCHITEKT PAUL DOBERT=MAGDEBURG * •DIE EINSICHT, DHSS DHS EINE MHSKERHDE IST, UND DHSS MHN SICH EBENSOGUT LÄCHERLICH MACHEN WÜRDE, MIT ALTEN ARCHITEKTONISCHEN ELEMENTEN WEITER ZU BAUEN, ALS IM KOSTÜM LOUIS XV. ODER IM EMPIREKOSTÜM HUF > UNSEREN VON ELEKTRISCHEN BAHNEN, FAHRRÄDERN UND AUTOMOBILEN BE. LEBTEN STRASSEN ZU ERSCHEINEN, DIE EINSICHT IST DURCHGEDRUNGEN.. □ VAN DE VELDE. inleitend möchte ich zu dem Motto, das ich meinen Ausführungen voranfchidte, bemerken, daß ich VAN DE VELDES Anficht von der »durchgedrungenen Einficht« nur für ein Zeichen von Optimismus halte. Ich hielt es aber für wichtig, mit diefem Zitat eine Zeit zu charakteri» fieren, die im felben Jahre folche optimiftifchen Anfichten und folche Anfichten zeugen konnte, wie fie aus einigen Paragraphen des Orts» ftatutentwurfs fprechen. □ Zu § 1 Satj 1 gebe ich zu bedenken, daß man nirgends und zu keiner Zeit (abgefehen natürlich von den verrotteten Kunftzuftänden nach 1830) einige mehr oder weniger willkürlich herausgegriffene Straßen und Plätje für ausfchließliche Refervate des guten Gefchmacks erklärt hat, um fo die anderen ihrem eventuellen Schickfal, künft» lerifche Schuttabladeplätje zu werden, zu überlaffen. Gewiß bat es » damals keine Baupolizei und deshalb keine »diesbezüglichen« Be« ftimmungen gegeben. Diefe Zeiten hatten eben ohne Polizei Kultur genug, um auch verftecktere Straßen künftlerifcb genau fo gut zu »be« bandeln«, wie die anderen. Ich fehe davon ab, bekannte, mit dem entfprecbend reichen Beweismaterial noch verfehene Städte als Zeugen hier ausdrücklich anzuführen. Ich befcbränke mich vielmehr auf die Bitte, mit offenen Augen durch eine fo untergeordnete Straße wi? • Die Ausführungen DOBERTS find treffend und verdienen überall, wo Ortsftatute vor. bereitet werden, beherzigt zu werden. Wir geben diefen berechtigten Einwänden und Vorfcblägen gern im vollen Umfang Raum. D]E RED. unfere Weinfaßftraße zu geben. Die Befchrän» kung des guten Gefchmacks auf die »Pracht- ftraßen« (ich gebe gern zu, daß man den guten Gefcbmack für die anderen Straßen nicht ver boten bat — aber er ift da doch jedenfalls nicht conditio sine qua non) — alfo diefe Be- fchränkung des guten Gefchmacks auf die in »die Augen fallenden« Pracbtftraßen findet ihre Parallele nur in dem fo oft von Männern wie Lichtwark, Muthefius u. a. gegeißelten Parvenü- tum, vor billige Mietswobnungen Palaftfaffaden zu kleben. Es ift kein Grund, die angeführten Straßen ufw. beffer als die anderen zu ftellen. Daß etwa auf dem Breitenweg keine Fabrik- fcbornfteine wachfen, dafür forgen ja die ver- fcbiedenen Farben des Bebauungsplanes. Womit will man es alfo rechtfertigen, z. B. die Goethe- ftraße vor der Kaifer-Friedrichftraße zu bevor zugen und den Hauptwacbeplaf) vor dem Johanniskirchhof? Dies Ausfpielen einiger Straßen ufw. gegen andere muß aus dem Statut entfernt werden. □ Dann ift aber auch der Ausdruck: »Wenn dadurch die Eigenart des Orts- oder Straßen bildes beeinträchtigt wird«, zum minderten unglücklich. Die Eigenart zum Beifpiel des Kaifer=Wilbelmplat)es und der Goetbeftraße beftebt doch augenblicklich hauptfächlich darin, daß die daran ftebenden Gebäude gefcbmack- lieb und arebitektonifeb auf dem gleich tiefen Niveau ftehen. Dies Niveau aber für abfebbare Zeiten gefetjlicb feftzulegen, war doch ficberlich nicht die Abficbt des Ortsftatuts. Seinem Wort laut nach wäre es aber formell ausgefchloffen, daß die Goetbeftraße etwa jedes — leider wenig wabrfcheinlichen — Glückes teilhaftig werden könnte, eine etwa dort von Meffel projektierte Villa auch in »natura« zu erhalten. Denn unzweifelhaft würde ein Bau von folcb hervorragenden Qualitäten die ganze Gefcbmacklofigkeit feiner dortigen Umgebung durch feine Kontraftwirkung zu einer «Monumen talität« fteigem, die die »Eigenart des Straßenbildes beeinträchtigen«würde. Die nachfolgenden Sätje des § 1 zeugen von einer Verkennung der Arbeiten moderner Baukünftler, von Unkenntnis biftorifeber Bauwerke und von einer längs antiquierten Kunftauffaffung, die unter »Stil« nur die bei Hiftorikern gebräuchlichen Unterfcheidungsmerkmale zwifchen den Kunftprodukten verfchiedener Zeitepochen verftebt. □ Um meine erfte Behauptung zu beweifen, greife ich als fehr be kanntes Beifpiel Meffels Warenhaus Wertheim heraus. Der Leipziger Platj wird von zwar nicht gerade hervorragenden, aber immerhin mit den »ftiliftifeben« Merkmalen älterer Zeiten verfehenen Bauten um- fäumt. Die Aufgabe, die ganz modernen Bedürfniffen entfprungenen Formen des Wertbeimbaues barmonifcb dem vorhandenen Bild des Leipziger Platjes einzufügen, konnte nicht glänzender und reftlofer gelöft werden, als fie Meffel in feinem Kolonnadenbau gelöft bat. Das ift von allen Kunftfachverftändigen, ausführenden Künftlem und Theo retikern einftimmig anerkannt. Solche Aufgabe zu löfen, ift die mo derne Baukunft imftande — weshalb alfo foll fie gerade hier in Magde burg ausgefebattet werden? □ Wozu überhaupt eine Löfung ausfcbließen, die die naturgemäßefte ift — und von jeher gewefen ift. Zu jeder Zeit — ich komme hier zu den hiftorifchen Baudenkmälern — ift ohne irgend ein Bedenken und ohne die geringfte Beeinträchtigung der künftlerifcben Wirkung febon vorhandener Bauwerke modern gebaut. Unfer Dom war doch 1208 nicht gotifch, fondern modern (beute würde man vermutlich fagen »hypermodern«), unfere Barockhäufer am Domplatj waren im 18. Jahr hundert nicht barock, fondern modern. Kein Menfch, gefebweige denn ein Baukünftler, wäre im 18. Jahrhundert auf die Idee gekommen, den Domplat) des Domes wegen nur mit Gebäuden zu bebauen, deren Bauform ficb an die vielleicht bis zum Jahre 1695 in Deutfcbland zur Verbreitung gelangten Bauformen anfcbließt. Die Alten haben ja fogar 63