eherner Notwendigkeit auch gerade fo durchgeführt zu werden brauchen, wie fie zu Papier gebracht werden. Nie und nirgends ift das möglich gewefen oder auch nur verfucht worden. Im Gegenteil, man muß dem unberechenbaren Weöhfel der Ver= hältniffe, dem Huftreten neuer Geficbtspunkte, gleichwertiger oder befferer Gegenvorfchläge dadurch entgegenkommen, daß man die Hbänderung der generellen Bebauungspläne in jeder Hrt erleichtert und von bureaukratifcher Schwerfälligkeit unab= hängig macht. Und dies ift ja gerade in Bremen fo befonders leicht zu erreichen, weil hier der Inftanzenweg entfprechend dem kleineren Staatsgebilde ein fo viel einfacherer ift, als anderswo. Der fertige ausgebaute Stadtplan wird und muß fchon deshalb ganz anders ausfehen als der Entwurf, weil er während der Husführung ausreifen konnte. Wenn ich ein Haus baue, fo mache ich zunäcbft einen Entwurf davon. Während ich nun bei der Husführung bin, kommen mir bei nachdrücklicher Befchäf- tigung mit den Plänen allerlei gute Gedanken, ich fchiebe da eine Wand, verlege dort eine Tür, füge irgendwo ein fchmückendes Detail ein, und zum Schluß wird das fertige Haus wohl meinem urfprünglichen Entwurf ähnlich fein in Hauptabmeffungen, Charakter und Hnlage, aber fich doch zu feinem Vorteil durch größere Feinheit und Reife von jenem unterfcheiden. Genau fo geht es auch mit der Husführung des generellen Stadtplans. Wer nun aber nach bisheriger Bremer Übung bald hier eine Straße anlegt, bald dort eine, der gleicht, um bei obigem Bilde zu bleiben, einem Baumeifter, der keinen Entwurf zu feinem Haufe gemacht hat, fonden auf gut Glück an allen vier Ecken feines Bauplanes losarbeiten läßt, hier mal eine Mauer, da ein paar Säulen, dort eine Treppe anlegt und hofft, fchließlich werde fchon noch ein Haus daraus werden. □ Zum zweiten: Bremen muß fich fein Einfamilienhaus erhalten. Dazu braucht es die linterftütjung von verfchiedenen Seiten. Zunächft muß der Stadtplan darauf zugefchnitten fein. Die Regeln und Gefetje, die für die Straßenplanung in Berlin gut find, können auf Bremens Gartenvorftädte nicht ohne weiteres an= gewandt werden und find einer felbftändigen Prüfung zu unter ziehen. Schärfer als anderswo muß hier unterfchieden werden zwifchen der enggebauten Hltftadt unterer City und den Wohn vierteln. Dem Etagenmietshaus, das für den nicht feßhaften Teil der Bevölkerung eine Notwendigkeit ift, und das vom Erdboden vertilgen zu wollen ein Widerfinn wäre, müffen be= ftimmte Quartiere angewiefen werden, und jede Möglichkeit, diefe Grenzen zu durchbrechen, muß ihm durch das Gefe^ ge nommen werden. Der Kontraft zwifchen breiten Verkehrs- ftraßen und fcbmalen Wohnftraßen muß fchärfer betont werden als anderwärts. Die Baublocktiefe muß den Bedürfniffen der jenigen Volksfcbicbten angepaßt fein, die man in beftimmter Gegend anfiedeln möchte, denn es leuchtet ein, daß ich mit einer Baublocktiefe von 40 Metern, wobei alfo für den Garten hinter dem Haufe kaum ein paar Meter übrig bleiben, ein ganz anderes Publikum anlocke, als dort, wo ich etwa bei 70 Meter Baublocktiefe entfprechend tiefe und teure Baupläne auf den Markt bringe. Eine gewiffe erlaubte geringfte Baublocktiefe müßte Vorfchrift fein, damit weder Sparfamkeit noch Profitfudbt es verhindern können, daß angemeffene Gärten hinter den Käufern die gefunde Lunge des Baublocks bilden. In jeder Hrt müßte das Baugefetj das Einfamilienhaus fördern, indem es in feinen Beftimmungen fcbarf unterfchieden zwifchen diefem und dem Gefchäfts- oder Etagenhaus, und nicht fcbematifch die für legeres vielleicht notwendigen ftrengen Vorfchriften gedankenlos und fchematifch auch auf erfteres ausdehnte. Und endlich müßte es die Hufgabe von Preffe, Schule und Vereinstätigkeit fein, das Verftändnis für das Einfamilienhaus großzuziehen. □ LEHRLINGSWESEN IM KUNSTGEWERBE as foll der Junge werden, wenn er aus der Schule kommt? »Er foll ein Handwerk lernen«, fagt der Herr Onkel, der ein Gefchichtsprofeffor ift. »Wenn fchon, dann darf es nicht mein Handwerk fein«, fagt der Vater nach denklich, denn er kennt die Lehrlingsmifere feines Berufes und neigt begreiflicherweife zu der Hnficbt, daß es in anderen Hand werksberufen beffer beftellt ift. »Ein Handwerk lernen!«, ruft die Mutter mit beleidigtem Stolz. »Nein, dafür ift mein Junge zu gut. Er muß was befferes werden!« Was befferes? Kann es denn was befferes geben, als ein edles Handwerk, ein Kunft- handwerk, das in alten Zeiten der Stolz der Kultur war und ftets die Grundlage einer wahrhaft volkstümlichen Bildung ge wefen ift? Ohne Handwerk gibt’s keine Kunft. Es ift der alte Nährboden der Kunft und der Kultur, und das Sprichwort will fogar wiffen, daß es auch ein goldener Boden fei. Hber daran glauben beute nur noch febr wenig Leute. Die Mutter behält in der Regel recht, der Sohn wird was »befferes«. □ In der Schule ftellt fich die Sache fo dar, daß'nur die ganz unbrauchbaren Elemente, die gar nicht weiter können, dem Handwerk zugeführt werden. Die es halbwegs vermögen, drängen nach der Mittelfchule, die übergroße Mehrzahl hält fich ein paar Klaffen lang mit Heb und Krach und wendet fich, mit einem dürftigen Halbwiffen ausgeftattet, einem der mittleren Berufe zu. Wenn fie auch nichts befonderes werden, fo find fie nach ihrer Meinung zu etwas aufgeftiegen, das ihnen höher als der Handwerkerftand fcheint. Sie find Herren. Du lieber Himmel! Das fogenannte geiftige Proletariat hat in den Städten einen Umfang angenommen, von dem man fich noch keine rechte Vorftellung macht. Die Väter und Mütter würden von der klaren Erkenntnis der Sachlage viel für ihre Kinder profitieren können, aber troßdem — vorläufig fteht es feft, der Sohn wird kein Handwerker. □ Werfen wir nun auch einen Blick in das Handwerk felbft, und zwar ins Kunfthandwerk, von dem ich erfabrungsmäßiges mit- teilen will. Vielleicht ift hier eine Erklärung der fonderbaren Hbneigung gegen die Lehrlingspraxis zu finden; fie ift in der Tat fo bedenklich, daß man fie einmal in der Öffentlichkeit be handeln muß. Die Meifter aller Handwerke klagen einftimmig über den Lehrlingsmangel. Es ift feftgeftellt worden, daß zum Beifpiel im Tifchlergewerbe einer größeren Stadt auf 400Scbreiner- meifter etwa 84 Lehrlinge, alfo auf jeden fünften Meifter nur ein Lehrling kommt. In anderen Zweigen des Kunfthandwerks fieht es wohl noch fchlimmer aus. Den Meiftern wird bimmel- angft und die Frage entfteht: Was foll denn mit dem Handwerk werden, wenn der Nachwuchs gänzlich verfiegt? □ Wenn man die Meifter hört, gewinnt man häufig den Ein druck, daß fie fich dem Lehrling gegenüber zwar febr vieler Rechte, aber keineswegs ebenfovieler Pflichten bewußt find. Es fcheint tatfäcblich, was durch viele Erfahrungen beftätigt wird, daß der Lehrling in den bäufigften Fällen für den Lehr* berrn nur wegen der materiellen Vorteile in Betracht komme. Die Lebrlingsausnutjung ift tatfäcblich die eigentliche Urfacbe der Handwerksuntüchtigkeit. Diefe Ausnutzung ift fo felbftverftändlich geworden, daß leider febr oft fogar den Befuch der Facbfchulen, der in die Arbeitszeit fällt, als läftig und die Intereffen des Lebrberrn febädigend bezeiebneten. Erhebungen, die fich jederzeit nachprüfen laffen, haben feftgeftellt, daß bei einer drei- oder vierjährigen Lehrzeit der Durchfchnitt der Lehrlinge in den erften zwei Jahren überhaupt keine wefentlicben Anleitungen zu einer foliden Arbeit erhält. Natürlich gibt es Ausnahmen. Bei der großen Mehr zahl von Lehrlingen ftellt fich die Entwicklung fo dar, daß fie 75