in der Werkftätte und werden an Hufgaben beteiligt, die die befte Husbildung verbürgen. Der tbeoretifcbe Unterricht baut heb auf der gewerblichen Grundlage auf, umfaßt Materialkunde, Holzchemie, Patent» und Mufterfcbutj, juriftifche Grundbegriffe, Kontorpraxis, Praxis im Zeicbenbureau, Zeichnen und Modellieren nach der Natur und aus der Erinnerung, Volkswirtfcbaft, Lektüre und Befprechung von Meifterwerken aus der Literatur und ähnliches. Stillehre wird grundfätjlicb nicht gelehrt, dagegen die organifchen Funktionen des Mobiliars und der Wobnräume, die zwecklich formalen Grundlagen feftgeftellt und auf Grund der gewonnenen Erkenntnis und Hnfcbauungen die Formen freihändig fkizziert. Die Skizzen dienen als Grundlage für die Hnfertigung genauer Facbzeicbnungen in ein Zehntel Naturgröße und von Werkzeicbnungen. Die Schule ift als Reformanftalt aus der Unzufriedenheit mit der fchematifchen Fortbildungsfcbule entftanden und will an die Stelle des Schemas die perfönlicbe Initiative fetjen. Zeugniffe, Klaffifikationen, Strafen, wie über» baupt jede Kathederform, find abgefchafft. Die Unterweifungen erfolgen im Wege der Diskuffion und des freundlichen Um» ganges, das Du»Wort in Schule und Werkftatt, die Inanfpruch» nähme von Laufburfchendienften, jedes unfreundliche und kränkende Wort den Lehrlingen gegenüber ift ftreng verpönt, dagegen ift von vornherein in der Behandlung wie im Unter richt auf Grundlage der praktifeben Husbildung das ganze Ge wicht auf die Hebung der menfcblicben Qualität gelegt, weil nicht einzufeben ift, wie fonft gewerbliche Bildung entfteben könnte. Für Söhne aus wohlhabenden Häufern ift ein hohes Lehrgeld beftimmt, was den Zweck bat, in Verbindung mit dem hoben materiellen Pflicbtanteil, den der Betrieb binzugibt, einer möglicbft großen Zahl unbemittelter junger Leute alles mögliche koftenlos zu beforgen. Die Zahl unterer Lehrlinge und Schüler muß natürlich eng begrenzt werden, wir können nicht durch die Maffe wirken, fondern durch das Beifpiel. Es wird dazu beitragen, die gewerblichen und kunftbandwerk» lieben Betriebe im Intereffe der allgemeinen Sache an Pflichten zu erinnern, die nicht hoch genug gefaßt werden können. Wir find natürlich keine Scbulmeifter und find deshalb der Über zeugung, daß, wenn eine Sache etwas wert ift, fie es nur durch die Kraft der Gefinnung wird. □ Warum find uns englifche Fachfchulen und das neue englifebe Kunftbandwerk fo überlegen? Ihr Programm beruht nicht auf dem ftarren fchematifchen Syftem, fondern auf perfönlicher, hoch» gefinnter Initiative, ihre Lehrer find nicht Scbulmeifter, fondern Weltleute im beften Sinne. Nichts fleht im Wege, daß ficb überall die vom neuen Geift geleiteten Betriebe mit geeigneten Perfönlichkeiten zur Veredlung des Nacbwucbfes und Hebung des bandwerklich-künftlerifcben Geiftes verbinden und durch die Kraft eines erfolgreichen Beifpiels die Widerftrebenden zu einer gleichen Hrbeit zwingen. Die febematifebe, ftaatlicbe Fort« bildungsfcbule, die allabendlich Hunderte von Lehrlingen zu unterrichten bat, kann nichts wefentliches für die menfcblicbe und geiftige Höberbildung leiften; wer es mit feiner Hufgabe genau nimmt, kommt alsbald zur Überzeugung, daß der febwer« fällige meebanifebe Hpparat ftaatlicber öffentlicher Fachfchulen nicht im entfernteften fo viel geben kann wie die privaten Zu» fammenfehlüffe hoher, gewerblicher, künftlerifcber und geiftiger Intelligenzen, die durch Selbfthilfe die foziale, etbifche und prak- tifche Bildung des deutfehen Kunftbandwerkes und feines Lehr« lingswefens vornimmt. Was fehlt, ift die hohe Gefinnung und das ftrenge Pflichtgefühl. Aber es find gottlob zahlreiche, fruebt« bare Keime da, die nur der Stärkung und der Entwicklung be dürfen. Kräftige Beifpiele tun not, um den Umfchwung zu fördern. Die Beifpiele werden ficb mehren. □ CHHRHKTERISTIK, CHRONIK, KRITIK NOCHMALS DAS MAGDEBURGER ORTSSTATUT GEGEN VERUNSTALTUNG DER STRASSEN UND PLÄTZE EINWHNDE UND HBHNDERUNGSVORSCHLHGE VON ARCHITEKT PAUL D0BERT-MAGDEBUR6 (FORTSETZUNG HUS DEM VORIGEN HEFT) ls Beweisftücke für diefe meine Behauptung reklamiere ich übrigens die in der Begründung des Ortsftatuts - zum Entfet>en aller kultivierten Menfcben, die noch imftande find, mit den Augen zu ge nießen und zu verabfeheuen - als vorbildlich erwähnten Neubauten Breiteweg (180 und 212 a!) Könnten wir aber »biftorifcb« bauen, fo fotlten wir es nicht tun! Denn es ift konftruktiv und praktifch un finnig, und es ift moralifch nicht zu verantworten. □ Was foll es z. B. für Sinn haben, untere Käufer mit den feinerzeit gerechtfertigten, fo charakteriftifchen, gewaltigen Giebelbauten zu ver leben, die wir an alten Renaiffance- und Barockbauten bewundern? Wir können laut Baupolizeivorfchrift ja doch nur eine ganz willkür liche Quadratmeterzabl - einen relativ winzigen Raum - praktifch (d. b. zu Wohnzwecken) verwenden. Und welchen Sinn foll es eigent- lieh haben, ganz moderne Baumaterialien (etwa Eifen, Beton und ihre Verbindungen) und die aus ihnen refultierenden ganz neuen Kon» ftruktionsmetboden hinter barocken Gipsornamenten zu verbergen oder durch barocke Stuckkonfolen zu maskieren, die nichts tragen, nur Geld koften, und die man ohne weiteres mit dem Hammer abklopfen kann? Glauben wirklich die Leute, die immer die »alte« Kunft gegen die »mo derne« ausfpielen, die Alten wären fo töricht gewefen, folcbe tecb* nifebe Errungenfcbaften, wie wir fie haben, fcbamvoll hinter Gips zu verftedeen? Was für eine Idee, zu glauben, ein Warenbausbau wäre einwandfrei projektiert (worunter doch wohl künftlerifcb einwandfrei gemeint fein foll), wenn es gelungen fei, die modernen Verkehrsan- fprüche folcber Bauten mit einer Bauform aus dem 18. Jahrhundert zu vereinigen! Als ob es bei der künftlerifcben Löfung einer Aufgabe bloß auf die Befriedigung der Verkehrsanfprüche ankäme! Als ob es bei unferer Technik Schwierigkeiten mache, hie und da fogenannte Barockornamente »anzutragen« oder auf eine vollftändige Glaseifen- faffade beliebig viele und beliebig große Barockgiebel zu fetjen. Ein Bauwerk wird erft dann zum Kunftwerk, wenn es nicht bloß zweck mäßig ift, fondern wenn es Zweck, Konftruktion, Material künftlerifcb behandelt und zum Ausdruck bringt, die Maffen rbytbmifiert, die Flächen barmonifch gliedert. Früher wurden diefe Anfprüche inftinktiv richtig befriedigt, früher waren eben Selbftverftändlicbkeiten felbftver- ftändlicb! Wie es heute fleht, zeigen die oben erwähnten Anficbten aus der Begründung des Ortsftatuts. □ Ich fagte, ein — kurz gefagt — »biftorifebes Bauen« fei letflen Endes unmoralifeb. »Hiftorifcbes Bauen« ift doch nichts anderes als das — ent- fcbuldigend will ich zugeben: unbewußte - Begeben von Plagiaten. In der Mufik, in der Literatur, in der Wiffenfcbaft wird ein fotebes Arbeiten als febimpflieb und verächtlich angefeben. In der Architektur verfucht man, eine fo gekennzeichnete Tätigkeit polizeilich vorzu- febreiben! In diefem Zufammenbang gibt der ausdrückliche Ausfcbluß des »Scbinkelfcben Klaffizismus« zu denken. Weshalb mag er wohl aus» gefcbaltet fein? Ich bin fo optimiftifcb, zu glauben, es fei gefebeben, weil man ihn für ein Plagiat an der Antike hält und doch noch immer ein vages Gefühl für das Peinliche eines Plagiates bat. Schade nur, daß man da wieder das Wefentliche hinter das Unwefentliche zurück- gefegt bat. Gerade Schinkel befaß nämlich das, was die heutigen »biftorifeften« Architekten nicht befitjen, was aber den Architekt erft zum Künftler macht, das Gefühl für das »Ganze«, das Gefühl für Propor tion und für Rhythmus, für die modernen Bedürfniffe feiner Zeit. Um gekehrt zu den heutigen Umftänden wären ihm die Details Neben- facbe, Mittel zum Zweck. Sie waren rein zufällig der Antike ent nommen, und er verfügte über fie mit fouveräner Unumfcbränktbeit, 77