DIE WEISSE KOHLE BAYERNS ZUM WflLCHENSEEPROJEKT (FORTSETZUNG HUS DEM VORIGEN HEFT) PROF. HRCH.HLBERT SCHMIDT ÜBER DHS SCHICKSHL UND DIE ZUKUNFT DES WALCHENSEES UND DERISHR acb dem ftaatlicben Projekt foll der See in einer Tiefe von 20 Meter zum Auslauf angezapft, fein Spiegel um 16 Meter gefenkt werden. Vom November anfangend würden die Zuleitungen aus der Ifar und der Riß aufbören und der Spiegel ficb folange fenken, bis er im März das tieffte Niveau, 16 Meter unter dem normalen, erreicht bat, von da würde er ficb, durch Ifar und Riß gefpeift, wieder beben, Ende Juni das normale Niveau wieder erreichen und während der Monate Juli, fluguft, September und Oktober beibebalten und von da ab wieder finken. Von zwölf Monaten würden fomit drei bis vier Monate den normalen Seefpiegel beibebalten, acht bis neun Monate aber würde die Senkung zuletzt bis zu 16 Meter andauern. □ 16 Meter ift ungefähr die Höbe eines vier» bis fünfftöckigen Kaufes und man fragt ficb verblüfft, ob hier keine Irrung vorliege. a Was würden nun die Folgen diefet horrenden Senkung, über die ficb die Denkfcbrift in Schweigen hüllt, fein? □ fln Stelle des fmaragdgrünen Wafferftreifens, welcher gegenwärtig den Übergang vom See zu Wald, Wiefen und Felfen vermittelt, würde eine 16 Meter hohe, mehr oder minder anfteigende, erdfarbige Fläche treten, welche, wegen der Unmöglichkeit fie zu bepflanzen, während des größten Teiles des Jahres das herrliche Bild des Sees zerftörte. Der poetifcb=wertvollfte Teil des Sees, die fcböne Bucht am Klöfterl, würde am fcbwerften von der Kataftropbe getroffen, denn zwifcben 16 Meter hoben, fteilen Böfcbungen würde nur eine Wafferrinne von 110 Meter Breite übrig bleiben. Die malerifcbe, durch ihre Pfahlbauten intereffante Bucht bei den Zwergerböfen würde total verfchwinden. Die bauptfäcblicbfte Kalamität aber würde für die angefeffene Bevöl» kerung in erfter Linie, für die Ausflügler in zweiter, dadurch ein» treten, daß durch die 16 Meter hohen Uferwände der Verkehr mit Booten außerordentlich erfchwert, wenn nicht unmöglich werden würde. Diefe Kalamität würde während des Winters andauern, ficb bis zum März fteigern, immer aber noch den Mai und Juni, der fehr wertvollen Monate für den Fremdenverkehr, in Anfpruch nehmen. Die Wir» kung in bygienifcber Beziehung würde namentlich im Mai und Juni, in welchen die Uferflächen noch nicht mit Waffer überdeckt, aber fcbon der Hitje preisgegeben find, eine äußerft ungünftige, aus einem nach jeder Richtung heilkräftigen Wohnort ein ungefunder werden. Die ungünftigen Folgen auf die Fifcberei endlich find leicht zu bemeffen. Es kann fomit gar keine Frage fein, daß die Zukunft diefes unver» gleicblicb großartigen Sees, fein hoher Rang unter den oberbayerifcben Seen und feine Verwendbarkeit als Wohnort und Heilftätte für Lei» dende in hohem Grade gefährdet, wenn nicht vernichtet ift. Das gleiche traurige Schickfal würde aber auch die Ifar ereilen. □ Indes, auch der Staat felbft hat alle Urfache, den vorgefcblagenen Eingriffen am Walcbenfee und der Ifar nicht mit verfcbränkten Armen zuzufehen. In den waldreichen Gebieten diefes Landesteiles find un= geheure Werte des königlichen Forftärars inveftiert, welche beute auf dem Waffer geflößt werden. Nach Verwirklichung des ftaatlicben Projektes würden, das liegt auf flacher Hand, die 16 Meter hoben, fteilen Ufer» wände des Sees, fowie die Inanfpruchnahme der Ifar den Transport auf dem Waffer unmöglich machen und damit eine greifbare Drückung der Holzpreife für immer auf den Lagerplätzen im Gebirge die Folge fein. Hierzu kommt noch, daß die jetzigen, vom Forftärar unterhaltenen Straßen am öftlichen Ufer des Walcbenfees und an der Ifar zwifcben Lenggries und Walgau nicht fo gebaut find, daß fie größere Holztrans» porte tragen könnten, daher neu gebaut werden müßten. q Mangels technifcher Kenntniffe auf diefem Gebiete fehlt mir die Hand» habe zur Beurteilung der Richtigkeit der fachmännifchen Annahmen, die ich bei der anerkannt hohen Stufe, auf welcher unfere oberfte Be» börde im Staate ftebt, als zutreffend vorausfetje. Ich habe indes während 20 Jahren meines biefigen Sommeraufenthaltes an dem mir zur zweiten teuren Heimat gewordenen See die einfcblägigen Ver» hältniffe immerhin mit offenem Auge beobachtet und halte mich daher ohne Überbebung wenigftens zur Frageftellung berechtigt. So will es mir zunäcbft nicht einleuchten, wie die Steilwand des öftlichen Herzogenftandes, der Fabrenberg, welche beute fcbon durch Froft und fonftige Witterungsverbältniffe von Jahr zu Jahr mehr in Bewegung kommt und Abrutfcbungen zu Tal fchickt, was den technifchen Behörden nur zu gut bekannt ift, fowie die am Jocbberg und am Einfiedler, nach unten um 16 Meter ohne erhebliche Gefahr verlängert werden könnte, nachdem fie des Gegendruckes durch das Waffer verluftig gebt. Denn es liegt nabe, daß die gegenwärtig vom Waffer befpülte ftabile Fußlinie während der Wintermonate durch Senkung der zerftörenden Einwirkungen des Froftes ausgefetjt fein und ihre Stabilität einbüßen wird. Es würde aber die durch die forgfältige Pflege unferer Forft» bebörden, im Gegenfat) zu Tirol, erreichte gute Verfaffung, in welcher fleh unfere Berge an der Süd» und Oftfeite gegenwärtig erfreulicher» weife befinden, vorausfiebttieb ganz wefentlich erfebüttert werden. Ferner will es mir nicht einleucbten, wie die Ifar, die ich alljährlich auf den Brücken bei Krünn und Mittenwald in den Spätfommer» monaten gefeben habe, imftande fein foll, ein Darlehen an den Walcben fee zu machen. □ Der Walcbenfee, ein König unter den oberbayerifcben Seen, foll alfo zu einer Talfperre degradiert werden, deren Ebbe und Flut ficb nicht täglich, fondern nur alljährlich im Turnus wiederholen und daher nicht ermöglichen würde, die 16 Meter hoben, während drei Vierteljahren ficb zeigenden traurigen Blößen durch Bepflanzung zu decken. Das wäre nicht mehr ein Eingriff, fondern ein unverantwortliches Vor greifen an dem einzigen Denkmal der Schöpfung. □ Wir erleben hierbei das feltfame Satirfpiel, daß diefelbe Staatsbe behörde, die vor kurzem die ftaatlicbe, über ganz Bayern und die Pfalz verbreitete Kommiffion zur Erhaltung der Naturdenkmale mit vielem Fleiß und Hingabe ins Leben gerufen bat, im Begriffe ift, das berrlicbfte Naturdenkmal zu zerftören und die Initiative hierzu er greifen läßt. a Wir erleben ferner hierbei den tiefen Widerfprucb, daß unter der Firma der Hebung der finanziellen Quellen des Landes und des Ver» kebrs, Projekte vorgefcblagen werden, welche die Schönheit und Er» babenbeit unferes bayerifchen Hochlandes vernichten und den Befucb desfelben dauernd verleiden werden. Auch der Fremdenverkehrsverein, vom Staate fubventioniert, könnte dann fein Bündel febnüren. Kopf» fcbüttelnd fragt man fich aber, wie unfere Staatsbehörde, welche den Donatfchen Utopien mit den Waffen gediegener technifcher Rüftung entgegentrat und bei der man die Zukunft unferes febönen Landes ficher geborgen annebmen mußte, plötzlich die verblüffende Über» rafchung bereitet und felbft mit einem, den febönften See vernichtenden Projekt in die Arena tritt. Ich glaube auf richtigem Wege zu fein, wenn ich hierfür folgende Beweggründe annehme. □ Die Donatfchen Vorfcbläge haben den einen fcblimmen Niederfcblag binterlaffen, daß, ohne Rückficbt auf alle anderen Intereffen des Landes, die böcbfte Ziffer der Kraftausnügung erreicht werden müßte. Bei diefer, der oberften technifchen Behörde zugewiefenen Aufgabe, an die fie wabrfcbeinlicb felbft angefiebts der febweren Verfündigung an der Pbyfiognomie unferes febönen Alpenlandes und des damit ver bundenen Gefühls der Verantwortung mit febwerem Herzen heran» getreten fein mag, entftand von felbft ein heißes Wettrennen zur Er reichung der böcbftmöglicben Ziffer, und bei diefem Wettrennen febeint von dem Furor Donaticus eine gute Portion in unfere oberfte Bau» behörde hineingefahren zu fein. Sonft könnte eine Senkung von 16 Meter unmöglich vorgefcblagen werden können! Der Staatsbehörde felbft mußte ferner eine Alarmierung der Gemüter als willkommene Hilfe erfcheinen, welche imftande war, den beforgten Blick auf die in ternen Fragen der Rente der Bahnen, der Frage der Betriebsmittel» gemeinfehaft ufw. auf andere Fernen, welche einen Goldregen vor zaubern, zu leiten. □ Endlich mag aus dem Verarbeiter, der, abgefeben von der Einfeitig» keit des finanziellen Standpunktes und des Verneinens aller etbifeben Intereffen, vortrefflichen Denkfcbrift während des Studiums und Sammelns des einfcblägigen Materials aus einem Paulus ein durch greifender Saulus geworden fein. Von nun an wurde die naturge mäße Aufgabe, welche größte Kraftziffer wird bei Schonung der Landes» intereffen erreicht, umgeftülpt: Eine hohe, impofante Ziffer, in diefem 79