SCHÖNE GRRTENKUNST* D ER TRIUMPH DER SCHÖNEN GHRTENKUNST. Die Gartenkunft ift die augenfälligfte und glücklicbfte Negation der willkürlichen Natur. Der naturaliftifche Garten, der die willkürliche Natur im kleinen Rahmen nachahmen will, bleibt ftets eine klägliche Karrikatur. Die Kunft will auch im Garten einen Gegenfa^ zur Natur fchaffen. Sie verwendet die Pflanzen nach dem architektonifchen Prinzip, das den Husdruck der menfdv liehen Illufion feftigt. Sie gibt Bäumen und Büfcben die Geftalt von Kugeln, Kegeln und Würfeln als Hrchitekturbeftandteilen, bildet aus Pflanzenwuchs gründämmerige Wände und Niefchen, die fie mit dem Lächeln der Faune, der Kühnheit der Heroen und der Melodie der Brunnen erfüllt. Hus Blumen bringt fie Farbenftröme hervor, in bunten Gleichniffen das Blau der Ferne, das Gelb und Rot des Morgen* und flbendbimmels in weiten Beeten abzufpiegeln. Sie fet^t das geheimnisvolle Schweigen der Sphinxe als Hüterinnen an die oberften Stufen. In fteinumfaßten Wafferfpiegeln zieht fie die hufchenden, fonnendurchglänzten Wolkenbilder in den Gartengrund und zwingt das flüffige Element in kunftvollen Strahlen gleichfam aus fcherzender Laune empor* zufchießen. Im Gegenfa^ zu diefer fpielenden Heiterkeit, gekrönt von der Gefelligkeit des Wohnhaufes, legt fie weiterhin an das untere Ende des Gartens als dunklen Saum den Ernft der Blut* buchen, wo das Raunen und Stöhnen des Waldes wohnt und fern am Horizont aus der abfchließenden Gartenmauer die Ein* famkeit eines Turmes die Wipfel überragt. 1=1 Bis hierher reicht der herrliche Triumph der fchönen Garten* kunft, fchön in der Selbftherrlichkeit machtvollen, menfchlichen Ermeffens. ,, DBS GEHEIMNIS FILTER GÄRTEN. In den Händen des Gartenkünftlers ift die Natur der Rohftoff, aus dem er feine dichterifchen Ideen formt. Der Garten ift für ihn der Husdruck eines inneren Erlebniffes. Die frommen Myftiker am Husgang des Mittelalters haben ihn als Schrein behandelt, um das Ge heimnis ihrer Gläubigkeit darin einzufcbließen. Der Rofenhag um Francias Madonna ift ein liebliches Gehäufe. Die Madonna mit den Erdbeeren bat der rbeinifebe Meifter mit einem blühen* den Gehege wie mit einem Flltargitter umgeben; und Mantegna baut aus Blumen und Früchten eine herrliche Kuppel, die eben* fogut eine Wunderlaube, als ein Hochaltar ift, über die Änbetung. Später löft ficb der fromme Gedanke von den Gärten ab und ein neues Ideal zieht in das verlaffene Heiligtum ein, das nun feine Grenzen in ungeahntem Maße erweitert. Die Demut des Mittelalters weicht dem Herrfcberftolz der Renaiffance, das fromme Gärtlein verwandelt fich in einen prunkhaften Götterham. Neptun mit dem Dreizack zaubert Waffer aus dem Geftein, fangt es in kunftvoll geleiteten Kaskaden und marmornen Baffms auf, die ein ganzes Gefcblecbt von Tritonen, Wafferroffen, Delphinen und Nymphen bevölkert. Jupiter berrfcht im Hain. Die ferne Gefell* febaft fpiegelt fich in der Ällegorie des Olymps. Die Barock* künftler als virtuofe Dekorateure bevölkerten ^ Gartenbezirk mit den Standbildern mytbologifcber Helden und Mufen. Hb der Donnerer trägt die Hllongeperücke und entpuppt fich fcbließlich als Molière Hmpbitrion, der Gar fr n , als Q '? ot< f^ Ti< , entfaltet ficb immer deutlicher als unvergleichliche Schaubühne, auf der die hohen Herrfcbaften nach den kunftvollen Regel der höflichen Etikette als handelnde Perfonen auftreten und m Haltung, Geberden und Koftümen die künftlerifche EinheU zu vollenden fueben. Die Gartenetikette, zuerft von Italien und * Lefeprobe aus LUX’ »Schöne Gartenkunft«, Paul Neffs Verlag, Max Schreiber, Eßlingen. fpäter von Frankreich ausgehend, ift für ganz Europa Vorbild» lieb geworden. Die englifche Romantik, die den Kontinent mit dem falfch verftandenen Vorbild des Landfchaftsgartens befebenkte, hatte kein neues Kunftgefet} für den Garten entwickelt. Der land- fchaftlicbe Garten bat vielmehr die künftlerifche Entwicklung aufgehalten. Er hat fich als der mißlungene Verfucb erwiefen, durch Nachahmungen der landfchaftlichen Willkürlicbkeiten die Weihe der Naturftimmungen in kleinen und kleinften Gärten künftlich zu erzeugen. Die Stimme Rouffeaus lebte nun in den götterverlaffenen Hainen. Er predigte Natürlichkeit, und was in den meiften Fällen erreicht ward, war Künftlichkeit. Jeder kleine Villengarten, die winzigften ftädtifeben Parkanlagen wollen ein bydeparkäbnlicbes Gebilde vortäufeben, mit febeinbar natür« lieben Teichen, bre^elförmig gewundenen Wegen, kleinen Gras» flecken als Wiefe, flockigen Büfchen als Wald, künftlichen Ruinen, felfigen Grotten, bafarmäßigen Gartenplaftiken, als Pilzen, Zwer* gen, Hirfchen aus gebranntem Ton; nicht der Gartenkünftler ift am Werk, fondern der ,Kunft‘*Gärtner; der Geift ift entwichen und die ideenarme Banalität herrfcht. Noch flehen in alter Pracht und Heiterkeit die barocken Gärten, eine leere Bühne, das Requifit einer vergangenen bochgeftimmten Zeit, eine Hrt Frei» mufeum, ein Stück verwitterter Feftlicbkeit mitten im nüchternen Alltag. Hber feit Böcklin gebt die Hbnung neuer myftifcher Schönheit durch die Welt, die eine kommende Entwicklung für die Gartenkunft erfcbließt. Was der Naturromantik vertagt blieb, wird bei Böcklin Ereignis. Die myftifcbe Naturfeier ge* Aaltet er als künftlerifcbes Erlebnis. Er kennt die Elegie ver* funkener Gärten; er verehrt feböne alte Bäume wie ein Heilig* tum; fie erfebeinen anbetungswürdig, wenn auch das Standbild des Herakles fehlen würde; Quellen, Brunnen, Teiche find in feinen Bildern forgfältig gemauert und baukünftlerifch behandelt; zur Weibeftimmung verdichtet fich das Naturelement im heiligen Hain; feftlicb führt der Gang zum Bacchustempel über kunft* volle Mofaiken, die Gartenlaube zeigt die einfaebften ftiliftifeben Elemente, aus denen die Wunder künftiger Gärten bervorgeben werden. Sie werden ein neues Geheimnis einfcbließen. Sie werden das Seelenleben des modernen Menfchen mit Mitteln verhieben, deren Wirkungen noch unverfucht find. Sie werden nicht nur als Weibebezirke erlefener plaftifcber Kunftwerke gelten, fondern auch die letjte künftlerifcbe Entdeckung des 19. Jahrhunderts, den Impreffionismus ihren Zwecken untertan mähen und das ungeahnte Paradies der farbigen Wirkung erobern. DIE HRCHITEKTUR DES GHRTENS. Shöne Gärten find niht nur fhön durh die Vegetation, Blumen, Gräfer, Bäume, fie find künftlerifh fhön durh die Hnlage. Sie find von den fetten Linien der Hrhitektur niht abzulöfen, wenn fie niht die Bedeutung des Gartens verlieren follen. Der Baum ift zwar fhön als Baum, die Wiefe ift fhön als Wiefe, aber Baume und Wiefen in der Zufälligkeit des Dafeins find noh lange niht Gärten. Was die Natur mit forglofer Freigebigkeit bervorbrmgt, gewinnt erft Bedeutung durh die künftlerifhe Geftaltung, die anderen Hbfihten folgt und das menfhlihe Geheimnis der Shönbeit offenbaren will. Die Gärten find eine Huldigung an die Natur, wenn fie auh anderen Geftaltungsgrundfätjen folgen als diefe. Die Huldigung wird Hrhitektur. Die Gärten der Hntike, die mittelalterlichen Waffer» und Mauergärten, im engen Bereih der Befeftigungen erblüht, die ftrengen Kloftergarten in weißen Hrkadenböfen find ebenfowenig von der arhitekto* nifhen Grundlage, die ihnen die Form gibt, zu trennen, wie die Gärten der Renaiffance und des Barocks, die diefes formale Prinzip mit ftärkftem Bewußtfein entwickeln. Der Geift des Gartens bat kein anderes Mittel fihtbar zu werden, als das 155