Eine Gruppe von Künftlern verfucht nach Jahrzehnte langem Ringen künftlerifche Hnfchauungen zu vertreten, welche ihrer Fünficht nach mehr dem Geifte unterer Zeit entfpreeben. Dies hat zu einer Hrt Kunftkampf geführt, der bei dem fteten Werden in der Kunft zwar zu allen Zeiten bettand, fich aber durch das diesmalige eruptive Hervortreten diefes Umftandes nach langer Ruhe ftärker fühlbar macht, als in vergangenen Epochen. □ Es mag zugegeben werden, daß nicht die Forderungen unterer Zeit überall die Ausgangspunkte des Schaffens diefer Künftler waren und daß viel ungezügeltes Selbftbewußttein mit in Betracht kommt, aber es wäre ein großes Unrecht, zu behaupten, daß hierdurch die Kunft nicht gefördert wäre. Ohne Seitenfprünge hätte es den gewaltigen Vorftoß des lebten Jahrzehnts in der Kunft nicht gegeben. D Alles künftlerifch Neue, das Bette mehr als alles andere, hat immer etwas Eroberndes und mit der Eroberung ift immer eine gewiffe Gewalt verbunden. Die Abwehr diefer Gewalt und das Unbehagen, welches tich einftellt, toll fich die Menge in eine Neu= erfcheinung vertiefen, trägt gewöhnlich zur anfänglichen Ab= lehnung, auch der betten künftleräfchen Beftrebungen bei. □ Es ift überflüffig, diesbezüglich auf BÖCKLIN, RICHARD WAGNER ufw. hinzuweifen. D Diefe Ablehnung muß von den Künftlern um fo fchmerzlicher empfunden werden, weil der Künftler feiner Überzeugung nach immer nur das Befte fchafft und das hervorbringt, was, wie febon Goethe tagt, der Welt gefallen toll, nidit was ihr gefallen will. Es würde ficher zu weit führen, noch all der Dinge zu ge= denken, welche die Kunftförderung beeinfluffen; man erficht fchon aus dem Angeführten, mit welch wichtigen Dingen fich unter und die künftigen Kongreffe zu befaffen haben werden. □ Der Präfident des britifchen Patronage-Komitees, BELCHER, bat in feiner Rede bei der feierlichen Eröffnung des VII. inter nationalen Architekten-Kongreffes betont, daß eines der wichtig- ften Ziele, welches wir anzuftreben haben, die Kunfterziebung des Volkes fein muß. Dies ift aber nur dadurch zu erreichen, daß die Staatsverwaltungen dafür forgen, daß Gutes und nur Gutes gefebaffen werde, denn das Gute allein ift fiegreicb. □ Wir rufen deshalb diefe hoben Faktoren an, damit fie die Streiter ordnen, die Führer beftimmen und vereint mit den Künftlern alle Kunftfragen löfen. Die Künftler werden fich hierzu um fo lieber bereit finden, weil jede Kunftförderung mit der Förde rung ihrer Standesintereffen vollkommen gleichen Schritt hält. Auf eines kann die Welt aber mit Sicherheit rechnen: daß alle Künftler, mögen fie welcher Anfchauung immer huldigen, mit ftets gleicher Begeifterung dem gleichen idealen, hehren Ziele zuftreben - der Vollkommenheit in der Kunft. □ Ich fdbließe mit einem warmen Appell an die Staatsverwaltungen, die Befchlüffe des Kongreffes zu würdigen, fowie untere kunft- fördernden Bemühungen zu unterftüßen und derart dem Woble der Völker zu dienen durch die Kunft! OTTO WHGNER Ein Kongreßbericht und ein Referat über die Baukunft-flusfteltung folgt in den näcbften Heften. DIE RED ' DHS NEUE KRIEGSMINISTERIUM IN WIEN EINE UNKÜNSTLERISCHE JURY D as Ergebnis der Preisausfchreibung für das neue Kriegs- minifterium in Wien ift kürzlich veröffentlich und die Entwürfe, die preisgekrönten und die ungekrönten, find ausgeftellt worden. Wir konnten uns auf diefe Weife leicht ein Bild verfebaffen, inwieweit die beteiligte Architektenfcbaft in der Lage war, eine monumentale Aufgabe, in der fich die Staatsidee ver körpert, zu löfen und ein neues Problem in neuen künftlerifcben Ideen zu münzen. n Die ausgeftellten Entwürfe boten jedoch mit Ausnahme eines einzigen ein Bild der Armut an fcböpferifcher Kraft. Unintereffant, langweilig, konventionell, das ift die Marke diefer Arbeiten, eine Häufung von mehr oder weniger verbrämten biftorifeben Stil motiven, und in diefem leeren Pathos das fcblecbtverbeblte Un vermögen, eine zweihundert Meter lange Gebäudefront monu mental zu beberrfchen und den febr erheblichen Schwächen des generellen Entwurfes neue künftlerifche Anregungen und Vor- fcbläge entgegenzufetjen. D Das eine Projekt jedoch, das folcbe Ideen bringt, ja, von wert vollen Anregungen förmlich ftroßt, ift nicht nur in der Preis verteilung leer ausgegangen, fondern es wurde fogar angeblich wegen Programmüberfcbreitung von vornherein außer Betracht geftellt. Es ift das Projekt des Wiener Oberbaurates OTTO WAGNER. Ein unvoreingenommener Vergleich zwifchen Wagners Entwurf und den minderwertigen preisgekrönten Arbeiten läßt fofort erkennen, daß diefem Baukünftler ein unerhörtes Unrecht gefebeben ift. Erfchwerend tritt hinzu, daß eine künftlerifche Jury eingefetjt war, die das Schlimmfte, was man einer folchen Jury nachfagen kann, den Vorwurf der unkünftlerifcben Denkungs art auf fich geladen hat. Hinfiditlicb des perfönlichen Gefchmackes fteht es jedem frei, fich an Wagners Arbeit zu erwärmen oder nicht; vom Standpunkt des künftlerifcben Rechtes aber ift die perfönlicbe Animofität verwerflich, doppelt verwerflich, wenn es fich um ein Projekt von hohem Ideengehalt bandelt, in einem Gegenüber von Konkurrenzarbeiten, die nicht über das niedrige Niveau des gewöhnlichen Durchfchnittes binausragen. □ Diefer ganz unerhörte Fall, der in Deutfcbland niemals paffieren könnte und eine gewiffe Spezialität der Wiener Architekten- Konkurrenzen zu bilden febeint, fordert zur grundfä^licben Er örterung von Sinn und Zweck künftlerifcber Konkurrenzen heraus. Zu welchem Zwecke werden künftlerifche Preisaus- febreiben veranftaltet? n Zweifellos zu keinem anderen Zwecke als künftlerifche Ideen einzubolen. Die preisausfebreibende Behörde legt zwar den Wettbewerbsbeftimmungen einen generellen Entwurf bei, der eine bloß informative Aufgabe bat. Er foll die zur Konkurrenz aufgeforderten Künftler im allgemeinen über die Wünfche des Preisausfchreibers unterrichten. Es ift felbftverftändlicb, daß diefe preisausfebreibende Behörde in ihrem generellen Entwurf nicht die befte künftlerifche Löfung bieten kann. Denn wenn diefer generelle Entwurf als die befte künftlerifche Löfung betrachtet werden müßte, dann hätte es ja keinen Zweck, fich an die Künftler zu wenden und von ihnen Ideenentwürfe zu verlangen. Dann könnte die ausfehreibende Behörde einfach ihren Entwurf irgend einem Baumeifter zur Ausführung übergeben. □ Ein weiterer Zweck eines folchen Preisausfcbreibens beftebt darin, der Kunft die Möglichkeit einer Entwicklung über das beftebende Niveau hinaus zu ermöglichen. Gerade in diefen Tagen des Arcbitektenkongreffes wurde das Recht der Kunft auf die Aufgaben des Staates mit aller Entfcbiedenbeit betont und von den offiziellen Vertretern des ftaatlicben Gedankens gebührend 178