künftlerifcbe Kräfte bilden, die fcbon wegen der Seltenheit der hohen Begabung zur andauernden Minorität verurteilt find. Es ift eine gewöhnliche Erfahrung, daß die ftärkften politifchen und organifatorifchen Stürmer und Dränger häufig nicht die beften künftlerifchen Begabungen find. Die Mittelmäßigen, die fich mit ungeftümen Forderungen andrängen, find die Majorität, und die Majorität wird, wie überall im Staat, die Entfcheidungen führen. Beftenfalls war es der einzelne im Staat, der Zufall einer wahrhaft künftlerifchen Perfönlichkeit, die fich zeitweilig der Staatsmittel bedienen konnte, um die Kunft zu fördern, das beißt das Revolutionäre zu unterftütjen, was der Staat am wenigften liebt. Wenn dies jemals gefchab, war es zufällig und vorübergebend, keinesfalls die Regel. Der Staat bat es nie für feine Hufgabe gehalten, die eigentliche Kunft zu fördern, das beißt ein revolutionäres Prinzip zu unterftütjen. Denn jeder neue Gedanke, jede künftlerifcbe und wiffenfcbaftliche Tat, die Ausbreitung der Bildung, die Gründung von Bibliotheken und die Verallgemeinerung von Wiffenfchaften ift revolutionär in dem Sinne, als es eine geiftige Umwälzung bewirkt. Es wäre ja eigentlich die böcbfte Staatsraifon, wie es zugleich auch die fruchtbarfte Verwertung des Kapitals und der materiellen Reich- tümer wäre, diefes Revolutionäre zu fördern, gerade dort, wo es das Hußerfte wagt, und wo der Fortfehritt am entfcheidend= ften fichtbar ift. Hber dürfen wir diefe Tat von einer Herde von Bureaukraten erwarten, von Miniftern, die politifch mannig fach gebunden find und den Erwartungen der Majorität zu entfpreeben haben, erhoffen? Dürfen wir es von Fachmännern erwarten, die mit minifteriellen Ämtern und Würden bekleidet, aus natürlichen wablverwandtfcbaftlidben Gründen zu dem Ver jährten greifen, das heißt zu jenem, das längft aufgebört bat Kunft zu fein, und die obendrein jeden Mißgriff kraft ihres Amtes mit autoritativer Gewalt ausftatten, gegen die es keinen Widerfprucb gibt? Das Gefchmadcsurteil von nicht fachmännifchen Autoritäten kann unter Umftänden eine der wirkfamften Kunft- förderungen bedeuten; es kann, wenn es Irrtümern verfällt, angegriffen und unfcbädlicb gemacht werden; aber die Torheit anerkannter Sachverftändiger ift unanfechtbar, unverantwortlich und gleicbfam auf ewige Dauer befeftigt. Der Fachmann alfo kann unter gewiffen Umftänden eine große Gefahr für die Kunft bedeuten; fein Urteil ift verdächtig, es ift oftmals falfcb und febief und klebt an unwefentlichen teebnifeben Äußerlichkeiten. Der Fachmann, der nicht Künftler ift, weil er nicht künftlerifch empfindet, kann die Größe einer neuen fehöpferifeben Idee nicht ermeffen; darum ift er unbrauchbar; und wenn er Künftler ift, dann find feine Urteile über Kollegenarbeiten nicht feiten ver werflich und anfechtbar, weil fie nur zu leicht ungerecht find; es ift nicht des Künftlers Sache, feine Art zu empfinden, aufzu geben und fich in eine von ihm völlig verfchiedene Eigenart bineinzudenken. Er tut es auch in der Regel nicht und fiebt bei den anderen nur die Fehler, und fiebt darum gar nichts. Die Schlüffe, die fich folcherart auf die reinen Künftlerjurys er geben, können leicht gezogen werden. Und, den feltenen Fall angenommen, daß wirklich ein fchöpferifcher Baukünftler zur Leitung berufen würde, würde man dadurch feiner eigentlichen Beftimmung nicht Abbruch tun? Der Künftler will Ideen bervor- bringen und verwirklichen, er will nicht bloß die Ideen anderer verwalten. Er bat gar kein Intereffe daran. Er denkt natur gemäß an fich und an die Möglichkeit, große Arbeiten, die der Staat zu vergeben bat, fich felbft vorzubehalten, für die Zeit nach feiner Amtsepoche, und er bat daher gar nicht den Wunfch, daß während feiner Amtszeit etwas vorwärts gebt. So würde fdbließlicb jeder denken und es würde nichts gefcheben. Ich fage, daß ich das vom Standpunkt des Künftlers febr gut begreifen kann. Wenn auf dem Architektenkongreß in Wien die Gründung eines öfterreichifchen Kunftminifteriums als Vorbild im Intereffe der architektonifchen Entwicklung anderen Länder empfohlen wird, fo gefebieht es, weil Öfterreich mit einem Beifpiel voran eilt, für die anderen febr lehrreich zu wirken. Wieviel wäre hier gutzumachen! Wir brauchen uns nur die Kunftpflege der leijten Jahre ein wenig anzufeben. Der Ausfchluß der beften öfterreichifchen Künftler von der Ausftellung in St. Louis, die Zurückweifung der Univerfitätsbilder KLIMT 8 , die Hinter treibung der Wagnerfchen Karlsplatjregulierung und feines Mufeumsbaues, die wiederholte Ablehnung der Berufung Klimts an die Akademie und die Bevorzugung von Malern unter geordneten Ranges, die teilweife Unterdrückung der ausge zeichneten MOSERfcben Kirchenmofaike, die Mißbilligung der künftlerifch qualifizierten Straßendekorationen eines JOSEPH HOFFMANN zugunften einer minderwertigen Mache, die fchmäb» liehe Ausfcbließung des Otto Wagnerfchen Projektes in der Kon kurrenz des Kriegsminifteriums zugunften künftlerifch geringerer Projekte, das find ungefähr die Hauptpunkte der Grenzlinie, an der die Kunftpflege aufbört. Sie hört nämlich dort auf, wo die Kunft anfängt, nämlich bei der Hervorbringung neuer frucht barer Ideen. Daß diefer neue, fortfchrittlicb denkende und für die Zukunft fchaffende Künftler wie Jofepb Hoffmann und feine WIENER WERKSTATTE und fein Kreis in Öfterreich eigentlich nichts zu arbeiten haben und auf die Aufträge des Auslandes angewiefen find, daß Otto Wagner ringsum um feine beften Ideen und Anregungen gebracht wird und felbft ohne Aufträge daftebt, daß ein großer Teil des jungen, ungewöhnlich begabten und disziplinierten Nachwuchfes im Ausland fein Heil verfuchen muß, alle diefe Erfcbeinungen zufammen beftimmen den Charakter einer Tendenz, die darauf ausgeht, jeden fehöpferifeben Ge danken, der gegen die Gewohnheit und gegen die Schablone gebt, an die Wand zu drücken. Wird es nun fpäter durch ein Kunftminifterium und durch die Erhöhung der Kunftkredite beffer werden? Werden diefelben Leute wie früher über die Kunft entfeheiden? Dann werden fpäter nur noch mehr Mittelmäßig keiten gefüttert werden, die Unkunft wird fich an der Staats krippe nur noch mächtiger blähen können, und die Kunft wird von fernher zufeben, wie die Herren der Welt die Güter unter einander aufteilen. □ Was kann alfo der Staat für die Kunft tun, fragen fich die Skeptiker. Er kann in einzelnen Fällen Unterftütjungen geben, Subventionen erteilen und bei diefer Lotterie den Zufall er möglichen, daß diefe Unterftütjungen einmal wirklich in die rechten Hände gelangen, nachdem fie neunundneunzigmal in die Unrechten Hände gekommen find. Wirklich kunftfördernd kann nur die pri vate Initiative fein. Die private Initiative mit ihren privaten Geld mitteln kann infofern fegensreich wirken, als fie der ringenden fehöpferifeben Kunft Aufträge und Gelegenheit zur Betätigung gibt. Das ift ja die eigentliche Pflicht der großen Vermögen, der Geldanbäufungen, der Millionäre und der Milliardäre, daß fie das Revolutionäre, das in der lebendigen Kunft und in der Wiffenfchaft liegt, unterftütjen und fördern. Diefes Revolutionäre liegt im Sinne der Entwicklung und die großen aufgefpeicherten Vermögen haben die Aufgabe, in diefem Geift verwendet zu werden. Sie find gewiffermaßen Nationaleigentum, mit dem die Herrfchaften beizeiten berausrücken follen. Wer es nicht tut, ift ein fcblechter Verwalter des nationalen Vermögens und verdient gehenkt zu werden. Zwei bis drei Prozent der ganzen Bauangelegenheiten der Kulturwelt überhaupt werden von Architekten beforgt. Ein winziger Bruchteil von diefen zwei bis drei Prozent fällt auf den Künftlerarcbitekten, auf den Bau künftler, und kommt erft darin der künftlerifchen Entwicklung 210