DIESEM HEFT IST N R - 5 DER MITTEILUNGEN DER DEUTSCHEN GflRTENSTHDTGESELLSCHHFT BEIGESCHLOSSEN INHHLT DES HEFTES 17 JOSEPH M. OLBRICH f. Nachruf von JOSEPH flUG. LUX .. .. 257 JOSEPH M. OLBRICH. Von Oberbaurat OTTO WAGNER, Wien .. 257 KUNST UND KULTUR UNTER DEN SÄCHSISCHEN KURFÜRSTEN. Zur Dresdner Ausheilung. Von WILLY DOENGES, Dresden 259 DAS PROBLEM DER MODERNEN PLASTIK. Ein Vortrag von HERMANN OBRIST in München. (Schluß) 262 DIE LEBENSBEDINGUNGEN DER KUNSTWERKE. Von WILHELM OSTWALD, Groß-Bothen 263 DALMATIEN, DAS LAND DER VERGANGENHEIT UND DER ZU KUNFT (Schluß). IV. Die Städte. Von JOSEPH AUG. LUX .. 265 DIE ALTEN WEGE. Von HANS OSTWALD, Berlin 266 DAS NEUE KUNSTGEWERBE IN DEUTSCHLAND. Eine Gefchichte der modernen Bewegung in Charakteriftiken. Von JOSEPH AUG. LUX. Selbftanzeige 267 CHARAKTERISTIK, CHRONIK, KRITIK: Bremen. Von WILLY DOENGES, Dresden. Mit 10 Abbildungen 268 Als Beilage: GARTENSTADT. Mitteilung der Deutfchen Garten- ftadtgefellfchaft. Nr. 5 3; JOSEPH M. OLBRICH t T ieferfcftüttert beklagen wir das Hinfcbeiden Olbrichs. Der Tod diefes genialften, frucbtbarften, vielfeitigften und fcbaffensfreudigften Erneuerers bedeutet für die Kunft einen unerfetjlicben Verluft, deffen Größe heute gar nicht abzu- fcbätjen ift. Er bat der Welt noch ungeahnte Wunder künftlicher Schönheit zu offenbaren. Noch vor einem halben Jahre faß ich mit ihm beifammen, freute mich mit ihm an feinen Erfolgen, an der fchier mühelos bewältigten ungeheuren Arbeit, die er geleiftet, an den Plänen und Entwürfen, die ihn befchäftigten, an den Hoffnungen, die den vierzigjährigen Mann mit ftrabtendem Feuer von der Zukunft reden ließ, die Schäle von ihm zu er warten batte, wie groß auch fchon das bisher Geleiftete war. Freute mich an feiner Gefundbeit, an dem Lebens- und Schaffens glück des Künftlers und Menfchens. Das Düffeldorfer Mufeum barg die Ausftellung feiner Entwürfe und Skizzen, viele Säle voll, und doch nur ein kleiner Bruchteil deffen, was noch in Kiften lag, was gebaut war oder in ungezählten kunftgewerblichen Dingen die Befitjfreude der Kunftfreude nährte. Sie müffen riefig ge arbeitet haben, fagte einer bewundernd. Arbeit?! rief Olbrich: keine Spur; lauter Vergnügen! Alles, was Sie fehen, lauter Ver gnügen! Das war ein echter Olbrich. Das Leben, die Mühe, die barte, nur im aufzebrenden Fleiße verwirklichte Riefenarbeit des Genies waren ihm ein Feft, ein Vergnügen, Seligkeit! Und diefer Mann, noch ein Jüngling an Kraft und Feuergeift, fällt ein halbes Jahr fpäter dem Zufall diefer Krankheit zum Opfer! Der Sinn diefes Scbickfals ift mir noch nicht verftändlich. Wenn Darmftadt als leuchtender Hügel, leuchtend, feit die Kunft auf ihm thronte, (ich über den Weltborizont erhob, fo war es nicht allein die Kunftfreude des Großherzogs, fondern vor allem das Genie Olbrichs, das diefes Wunder bewirkte. Diefes Licht ift verlöfcht. Wir verlieren nicht nur einen herrlichen Menfcben, fondern vor allem einen herrlichen Künftler, wir, die ihn gekannt haben und lieben mußten, weil wir ihn gekannt haben. Und das trifft uns doppelt fcbwer in einer Zeit, wo jeder Künftler, der fich treu bleibt, zu den feltenen beglückenden Erfcbeinungen gehört. Er mußte ftreng und rückfichtslos gegen fich und gegen andere fein, wie jeder, der fein Selbft behaupten will, und das haben ihm viele nicht verzeihen können, viele, die die künftlerifche Über legenheit als Kränkung empfinden. Denn Überlegenheit liebt man nicht, und es gibt allzuviele kleinliche, ehrgeizige Streber, denen feine Größe und Selbftberrlicbkeit im Wege ftand. Aber er ging wie ein Sieger über fie hinweg, über diefe kleinen Neider und Streber, die fich zufammenrotten und gerade in der Gegen wart die Kunft durch lächerliche Dogmen von »Ethik«, »Ehrlichkeit« und Heimatkunft zu knebeln fuchen; kurz, es darf zu feinem Ruhme getagt werden, daß er Feinde batte, und daß er felbft über die gemeinften Läfterer und Ränkefchmiede, die er in Diftanz von fich hielt, nie anders als vornehm, rückficbtsvoll, edeldenkend fpracb. Er batte der Welt nicht Studien, Wiederholungen, moder» nifierte Kopien alter Gedanken zu geben, er gab ihr, was fie am meiften haßt und am dringenften braucht: Ideen. □ Darmftadt war ein Dokument; alles was damals entftand, die Einheit der Werke, war neu, dokumentarifcb; er fcbuf die Idee des Gartens neu, das Wort »Farbengarten« fagt alles; er um- fpannte alle vielverzweigten Gebiete des architektonifchen und kunftgewerblichen Schaffens, und was er immer ergriff, begabte er mit neuen anregenden Zügen und Gedanken. Jeder Entwurf, fei es Monumentalarchitektur, Schirmgriff oder Spitjenfächer, war fchon als Zeichnung ein Kunftwerk. Immer höher ftieg feine Vollendung, immer koftbarer wurden feine Ideen, immer frucht barer wurde fein unerfchöpflicber, univerfeller Geift. Und da ereignete fich das tragifcbe Schickfal . . . LUX JOSEPH M. OLBRICH VON OBERBAURAT OTTO WAGNER N ach den Aufzeichnungen der k. k. Akademie der bildenden Künfte ift JOSEPH OLBRICH am 22. November 1867 in Troppau geboren, abfolvierte das Untergymnafium und die Staatsgewerbefchule in Wien und war Schüler der Akademie vom Oktober 1890 bis Juli 1893. Als folcher erhielt er alle Preife, über die die Spezialfchule verfügte. Zu den alljährlichen Befuchen, die ich den Schulausftellungen der Akademie ab- ftattete und ihren Grund in Neugierde und Feftftellung des Niveaus der Leiftungen batten, gefeilte fich im Jahre 1903 noch der Umftand, daß ich anläßlich der Durchführung des bau» künftlerifchen Teiles der Stadtbahn Hilfskräfte fuchte. Olbrich batte unter Hafenauer gerade einTbeaterprojekt für die Schulaus» ftellung ausgearbeitet (noch völlig Tradition und echt Hafenauer), aber das Projekt überragte fcbon damals durch feine zeichne- rifcbe Fertigkeit alles andere. Ich erkundigte mich um diefen Schüler und erfuhr, daß er im Haufe fei. Im Veftibül traf ich ihn, und er ging auf meinen Engagementantrag fofort mit Freuden ein. D 17. Heft • IV. lahrg. 257