KUNST UND KULTUR UNTER DEN SflCHSI» SCHEN KURFÜRSTEN ZUR DRESDNER HUSSTELLUNG 1908 VON WILLY DOENGES-DRESDEN W ill man von einer »Kunft und Kultur unter den fäcbfi= fchen Kurfürften« fprecben, fo muß man an die Blüte des Barockftils denken, an die Zeit Friedrich Rugufts I. (Hugufts des Starken) und Friedrich Hugufts II., in der Bau- kunft an die Schöpfungen George Bährs (Dresdner Frauenkirche), Pöppelmanns (Dresdner Zwinger), Cbiaveris (Katbolifcbe Hof kirche zu Dresden) und Longuelunes (Japanifches Palais zu Dres den), in der Großplaftik an die Werke Mattiellis und Permofers, in der Kleinplaftik und dem Kunftgewerbe an die arbeiten Kaendlers und Dinglingers. □ Man bat in diefem Jahre in Dresden als Teilerfcheinung einer Kunftausftellung ein Hrrangement von Räumen zur Schau ge keilt, das einen Überblick über die Entwicklung des Kunft- gewerbes von der Zeit der Renaiffance an bis hinauf zu der des Zopfftils geben foll. Die Husftellung führt den Titel, den diefer Huffa^ trägt. Nicht ganz zu Recht. Man kann von einer Kultur unter den Medici, unter Ludwig XIV. und XV. reden, aber man wird immer nur, wenn man die künftlerifche Kultur der Kurfürftenzeit Sachfens betrachtet, von einer Kultur unter Friedrich Huguft I. und II. reden können, nicht von einer Kultur unter den fächfifchen Kurfürften überhaupt. Präzifer würde daher die Rusftellung bezeichnet worden fein, wenn man getagt hätte: »Kunft und Kultur der fächfifchen Kurfürftenzeit.« □ Veranftalter der Husftellung, die noch bis Mitte Oktober ge öffnet bleibt, find der Oberft z. D. von Kretfcbmar in Radebeul, der als Sammler bekannte Oberregierungsrat Dr. Demiani, der Direktorialaffiftent des Königl. Hiftorifcben Mufeums zu Dresden Prof. Dr. Haenel und der Direktor der Kupferftich- ufw. Samm lung weiland des Königs Friedrich Huguft II. Prof. Dr. v. Schubert» Soldern. D * * * Das, was man in der Husfteltung liebt, ift fo etwas wie eine verfucbsweife Überfettung der Vorfchläge ins Praktifche, die von namhaften Kunftgelehrten, u. a. auch von dem vertragenden Rate in der Generaldirektion der Königl. Sächfifchen Sammlungen zu Dresden, Dr. v. Seidlit)*, binfichtlich der Neuordnung öffentlicher Sammlungen, vor allem folcber, die Werke des Kunftgewerbes umfaffen, gemacht werden. Diefe Frage befebäftigt die Öffent lichkeit allerorten febon feit längerer Zeit; immer dringlicher wird bei Kunftgelebrten und Künftlern der Wunfch, daß folche Sammlungen den Zwecken dienftbar, genauer ausgedrückt: leichter dienftbar gemacht werden müffen, die in der Gegen wart den angewandten Künften zugewiefen werden. Die Er kenntnis hat ganz allgemein Geltung gewonnen, daß den in unteren Mufeen bewahrten künftlerifcben Befitjftänden eine bildende Kraft innewobnt, die weit über die gefchichtliche Be deutung der Kunftwerke binausweift. Sie find mehr als nur Zeugniffe und Vermächtniffe der Vergangenheit; fie find oder follen zugleich fein Nachweife für den Gang der Entwicklung künftlerifcher Kultur, follen lehren, als folcbe die Wege zur Weiterentwicklung zu zeigen. Rus diefer Erkenntnis ergibt fich ohne weiteres die Pflicht, diefe Befitjftände der Rllgemeinbeit zugänglich zu machen, fie den Zeitforderungen entfpreebend zu geftalten und zur Schau zu ftellen. a * W. von SEIDLITZ, KUNSTMUSEEN (Vorfcblag zur Begründung eines Fürftenmufeums in Dresden). Leipzig 1907, Verlag von E. fl. Seemann. Woldemar v. Seidlitj hat folgende Forderungen allgemeiner Hrt für die Neuordnung öffentlicher Sammlungen aufgeftellt: 1. Die befonders beachtenswerten Gegenftände von den nur wiffenfcbaftlichen Zwecken dienenden zu trennen, damit fie beffer genoffen werden können; daraus folgt 2., daß das minderwertige Gut, das die Wirkung des übrigen nur ftört, aus der für das Publikum beftimmten Sammlung überhaupt ausgefchieden werde; 3. gilt es, die Hauptftücke, damit fie zu voller künftlerifcher Wirkung gelangen, in einer ihrem Werte entfpreebenden Form zur Ruffteilung zu bringen. Mit anderen Worten: aus der großen Menge der Mufeumsgegenftände find diejenigen auszuwäblen, die befonders bezeichnend für die Kultur ihrer Zeit erfcheinen; fie find dann aber nicht in der bisherigen Weife nach techno- logifchen Gefichtspunkten anzuordnen, fondern nach der Zeit ihrer Entftehung zu vereinigen, fo daß das aus einem und dem- felben Gefchmack Geborene zufammenfteht und die Rufeinander folge der Zeiten die Wandlungen des Gefchmacks ergibt. □ * * * Kaum irgendwo anders in der Welt können diefe Forderungen fo erfüllt werden wie in Dresden. Die Schäle des Grünen Ge wölbes mit denen der Porzellanfammlung, des Königl. Hiftorifchen Mufeums, des mathematifch-phyfikalifd^en Salons und wie alle die gegenwärtig noch als Spezialmufeen beftehenden Teile der Königlich Sächfifchen Sammlungen beißen, zu einem Ganzen, einer Einheit vereinigt, ergeben ein Bild künftlerifcher Kultur von der Zeit der Gotik an bis hinauf in die Tage des Empire und der Biedermeierlinie, das an Klarheit und Schärfe der Zeichnung, an Glanz und Tiefe des Kolorits faft beifpiellos dafteben würde. Die Dresdner Rusftellung ftellt, wie febon betont wurde, nur den Verfuch eines folchen Einbeitsmufeums dar. Da das, was in ihr dargeboten wird, die künftlerifche Kultur der ganzen Kurfürftenzeit des albertinifcben Sachfens, alfo die Zeit von Kur- fürft Moritj (regierte von 1541 — 1553, feit dem Jahre 1547 als Kurfürft, bis dahin als Herzog) an bis hinauf zu der Friedrich Rugufts III., des Gerechten, als König Friedrich Ruguft I. (re gierte von 1763-1827) umfcbließt, fo müßten nach den Seidli^» fchen Vorfchlägen elf Stilzimmer gezeigt werden, tatfächlich aber werden, wenn man zwei nur mittelbar Stilzimmer charakterifie- rende Räume (ein Waffenzimmer und eine Jagdballe) mit in die ftilechte Schilderung einrechnet, nur lieben Stilzimmer vorgeführt. Und doch, welch ein Reichtum künftlerifcben und kunftgewerb- lichen Rnfcbauungsmaterials; wie wäcbft in wunderfamer Schön- heit ein Bild der Zeit vor uns empor, in der die Formenwelt der Renaiffance die große und die kleine Kunft beberrfchte; wie fchließen fich, enge ineinandergreifend, wie die Glieder einer Kette, an diefes Bild die Bilder des Barock-, Rokoko- und Zopfftils an! * * * Die Rusftellung fe^t ein mit der Darftellung eines Raumes aus der Zeit der Kurfürften Mority und Ruguft (1547-1586). Er gilt der Renaiffance, die in den dreißiger Jahren des 16. Jahr- bunderts ihren Weg von Italien her nach Deutfchland genommen batte. In Dresden fand fie ihren erften Eingang bekanntlich etwa im Jahre 1528 in der Architektur des fogenannten Schöfferei» turmes in der Südoftecke des großen Schtoßbofes. Rn Werken der Malerei enthält diefer Renaiffanceraum Bildniffe der Kur fürften Morit} und Huguft und der Kurfürftin Hnna von dem jüngeren Cranach, Meiftern der Schule des älteren Cranach und Zacharias Wehme. In feiner Raumausftattung ift er teils vor handenen charaktervollen fächfifchen Renaiffancevorbildern nach- gefchaffen, teils mit bezeichnenden Originalarbeiten gefcbmückt worden. So ift die feböne Kaffettendecke diefes Raumes die getreue Kopie einer der herrlichen gemalten Holzdecken, die im 259