fortfuhren, die Welt mit den feltenen Beifpielen des fchöpfe- rifchen Vermögens zu begtüdcen oder - zu erfcbrecken, denn Schrecken ift die erfte Empfindung, mit der die träge Gewohn heit eine Hnderung des Beharrungsvermögens zur Kenntnis nimmt. □ Das Ornament van de Veldes ift beftimmt durch die neue Linie, la ligne interessante et nouvelle, die durch das moderne Gefühl beftimmt ift, wie durch den flachen Bogen der Eifen- konftruktion oder durch die auf Sachlichkeit geftellte Konftruk- tion eines Tifchlermöbels; was befagen will, daß die Schön heitslinie, auf der der Hauptton liegt, durch die in unferer Zeit fanatifch hervorgekehrte konftruktive Eigenart dargeboten wird; der Künftler, deffen Senfibilität früher ergriffen ift von der neuen Offenbarung als der trägere Sinn des noch zu fehr in den Gewohnheitsurteilen und Gewohnheitsgefichten befangenen Hlltagsnaturen, bildet aus feiner Erkenntnis den neuen ornamen talen Stil, der nichts weiter ift, als die neue Schönheitsverkündi gung des fachlich gerichteten Geiftes. Huf die religiöfe Spannung der Gotik, die in Himmelsfehnfucht die Welt als Blumenpfand zur Verherrlichung Gottes in den Domen darbot, wo Stein nicht mehr Stein fein wollte, fondern fichtbares Gebet, folgte die Dekorations weife des gefteigerten Icbbewußtfeins der Renaiffance, zur affektierten Pofe gefteigert im Barock und zur Sentimentalität verfüßt im Biedermeier. Die Moderne drückt fich im Konftruk- tiven aus, in einem gefteigerten Sachlichkeitsbewußtfein, das die Konfequenz der naturwiffenfchaftlichen und technifchen Difziplin ift, und diefen modernen Wegen bat van de Velde das adäquate Ornament zu geben verfucht, das infofern abftrakt ift, als es von allem abftrahiert, was die Überlieferung an durch Jahr hunderte hindurch variierten Naturformen darreicht, und im wefentlichen in einem rbythmifchen Hkzent von Linien und Flächen beftebt, der vielleicht ein Gleichnis zur Rhythmus moder ner Konftruktions- und Maßverhältniffe darftellt. □ Die Frage ift überflüffig, ob ein einzelner Künftler imftande ift, der Zeit ein neues Ornament zu geben, und ob das Be dürfnis nach einem folcben Ornament überhaupt vorliegt. Viel wichtiger ift, daß das Schaffen diefes Künftlers den Mut ftärkt und anfeuert, diefe Zeit fo zu leben, wie es ihrer Hrt und ihrer befonderen Schönheit entfpricbt, was, wie mir fcbeint, die wenigften verftehen. LIK STEIN DHS HUSSEHEN VON EISENWERK, ODER HOLZ DAS VON SEIDE, ODER TÖPFERWARE DAS VON STEIN ZU GEBEN, IST DAS LETZTE HILFSMITTEL VERFAL LENDER KUNST WILLIAM MORRIS ICH GLAUBE, DASS MASCHINEN ALLES HERVOR ZUBRINGEN VERMÖGEN, NUR KEINE KUNSTWERKE. ABER WENN SIE FÜR MASCHINENARBEIT ZU ZEICH NEN HABEN, LASSEN SIE WENIGSTENS IN IHRER ZEICHNUNG DEUTLICH ERKENNEN, WAS ES FÜR ARBEIT IST. MACHEN SIE SIE MECHANISCH DURCH UND DURCH UND ZU GLEICHER ZEIT SO EINFACH WIE MÖGLICH. VERSUCHEN SIE ZUM BEISPIEL NICHT, EINEM GEDRUCKTEN TELLER DAS ANSEHEN EINES MIT DER HAND GEMALTEN ZU GEBEN; MACHEN SIE IHN SO, WIE IHN NIEMAND, WENN ER MIT DER HAND MALTE, ZU MACHEN VERSUCHEN WÜRDE, WENN BE DRUCKTE TELLER AUF DEN MARKT GEBRACHT WER DEN MÜSSEN WILLIAM MORRIS DIE GROSSE STHDT* ie große Stadt, die ficbtbarfte und vielleicht eigentümlichfte Frucht unferes heutigen Lebens, die augenfälligfte, gefcbloffenfte Geftaltung unteres Wirkens und Wollens, ift natürlich fchon immer der Zielpunkt maßtofer Hngriffe gewefen. Die große Stadt erfcheint als Symbol, als ftärkfter Ausdruck der vom Natürlichen, Einfachen und Naiven abge wandten Kultur, in ihr häuft fleh zum Abfcheu aller Gutgefinnten wüfte Genußfucht, nervöfe Haft und widerliche Degenerationen zu einem greu lichen Chaos. Sie verdirbt die Menfcben, die fie mit trügerifchen Lok« kungen an fich zieht, entnervt fie, macht fie fchwächlich, egoiftifch und böte. Man höhnt den Städter, daß er keine Heimat habe. Man fchilt die unfäglicbe Häßlichkeit der Städte mit ihrem wüften Lärm, ihrem Scbmut), ihren dunklen Höfen und ihrer dicken, trüben Luft. Man könnte folcbe Meinungsäußerungen auf fich beruhen laffen, wie fo viele andere auch, wenn der Städter nicht felbft daran glauben wollte, wenn er nicht unter Heimat die niedrige Bauernhütte mit einem fchimmern- den Fenfter im dämmernden Abend fich träumen wollte, die er fo gut vom Theater her kennt; wenn nicht Taufenden von Menfchen durch folches Reden unnüt) das Dafein verkümmert würde. Man kann es ja für ein erftrebenswertes Ziel halten, daß die Städte vom Erdboden verfchwinden. Vorläufig aber exiftieren fie und müffen fein, follte nicht unfere ganze Wirtfchaft in nichts zerfallen. Hunderttaufende müffen in Städten leben, und ftatt ihnen eine ungefunde, hoffnungslofe Sehnfucht einzupflanzen, wäre es gefcheiter, fie zu lehren, ihre Stadt erft einmal wirklich zu fehen und aus ihrer Umgebung fo viel Freude, fo viel Kraft als eben möglich ift, zu fchöpfen, fei es abfolut genommen fo wenig als es immer mag. — Man kann ohne weiteres zugeben, daß das Leben in unferen Städten anftrengender, ungefunder ift als in kleinen Orten und auf dem Lande. Man kann beklagen, daß der Städter dem Boden, den Pflanzen, den Tieren immer fremder wird und ihn damit viele Glücksmöglichkeiten genommen find. Man muß auch eingeftehen, daß unfere Gebäude zum größten Teil troftlos langweilig, unlebendig und dabei protpg und anmaßend ausfeben, aber daraus ergibt fich einmal die Aufgabe, die Bauart unferer Städte entfpreebend zu ändern, und die andere, rafcher zu erfüllen, jene Mängel durch anderes Genießen wieder wettzumacben. D Denn das ift das Erftaunliche, daß die große Stadt trat) aller häßlichen Gebäude, trot) des Lärmes, trotj allem, was man an ihr tadeln kann, dem, der fehen will, ein Wunder ift an Schönheit und Poefie, ein Märchen, bunter, farbiger, vielgeftaltiger als irgendeines, das je ein Dichter er zählte, eine Heimat, eine Mutter, die täglich überreich verfebwenderifeh ihre Kinder mit immer neuem Glück überfebüttet. Das mag paradox, mag übertrieben klingen. Aber wen nicht Vorurteile blenden, wer fich binzugeben verftebt, wer fich aufmerkfam und eindringlich mit der Stadt befchäftigt, der wird bald gewahr, daß fie wirklich taufend Schönheiten, ungezählte Wunder, unendlichen Reichtum, offen vor aller Augen und doch von fo wenigen gefeben, in ihren Straßen umfängt. □ Wir bewundern ftaunend die Städte der Vergangenheit, Babylon, Theben, Athen, Rom, Bagdad; fie alle liegen in Trümmern, und keine noch fo gefchäftig ftarke Pbantafie vermag fie wieder aufzubauen; aber unfere Städte leben, fie umgeben uns mit der ganzen Macht der Gegen wart, des Dafeins, des Heutefeins. Und gegen ihre bunte Unendlichkeit ift alle Überlieferung, find auch die koftbarften Trümmer tot, gefpenftig und arm. Unfere Städte find uns fo unetfeböpflieb wie das Leben felbft, fie find uns Heimat, weil fie täglich in taufend Stimmen zu uns reden, die wir nie vergeffen können. Wie wir fie auch immer betrachten mögen, fie geben uns Freude, geben uns Kraft, geben den Boden, ohne den wir nicht leben können. □ * Im Vertage von Strecker * Schröder in Stuttgart erfebien foeben als erftes Bändchen der neuen Sammlung »Kunft und Kultur« aus der Feder des bekannten Berliner Hrcbitekten AUGUST ENDELL: »Die Schönheit der großen Stadt« (kartoniert Mark 1.60). Die obigen temperamentvollen Husfübrungen entnehmen wir mit Genehmigung des Verlages diefem ausgezeichneten Büchlein. D j E jjgp R. Voigtländers Verlag, Leipzig □ Druck von Otto Regel, Leipzig Für die Redaktion: Jofeph Aug. Lux, Dresden-Blafewit) □ Gefcbäftsftelte für Öfterreicb: □ Buchhandlung Carl von Hölzl, Wien 1/1, Opemgaffe 2 304