faft ländlicher Intimität, keine Bauernhauskopie im Heimatftil, wie es der verirrte Kunftfinn beute liebt, fondern eine wohl- durchdachte, künftlerifcbe Schöpfung, die überall ihr Heimatrecht belieb Und als Drittes ift das einzigartige Kleinbürger» oder Arbeiter haus bervorzuheben, das alle Verfucbe diefer Art in den Schatten ftellt durch einen ausgezeichneten Grundriß, eine ver» ftändnisreicb eindringende Durcharbeitung der Details und durch die einfache, fympatbifche Größe der Außenerfcbeinung und bei aller Ökonomie der Verhältniffe ficb weit über jenen Schematis» mus erbebt, den man auch an den fogenannten modernen Scböp» fungen diefer Art findet. Alles in allem keine ordinäre Sentimen» talität, die das Arbeiter» oder Kleinbürgerhaus zum Bauernhaus ftempeln möchten, wie ich es auf der Münchener Ausheilung gefeben habe. So empfing auf den erften Blick bin das Gefamt» bild der Ausheilung ein Cachet diefes Künftlers. Aber wie febr muß ihm der Ausbau der Ausheilung nach innen verleidet worden fein, fo daß felbft das Oberheffifche Haus die Raumausftattung nicht reftlos von dem Baukünftler empfing, der auch nach innen ein Scbatjkäftlein aus dem Gebäude hätte machen können. Wie febr müffen ihm die Hände gebunden gewefen fein, daß er nur die unteren Räume vollendete und bei aller Vorzüglichkeit im einzelnen doch nicht den Verdruß und die Unfreude verhehlen konnte, die ficb in diefe Arbeit einfchlich. Nicht weil er Wider» facher gefunden batte, die Übles wollen und dem Künftler gram find, fondern einfach dadurch, daß viele dreinreden und ficb ein» mengen und wenig berufene Leute einen Einfluß geltend machen wollen, der die eingeborene Schönheit der künftlerifcben Idee zu fcbädigen und die Schaffensfreude des Künftlers zu lähmen droht. So war es auch hier gefcbeben. Olbrich konnte und wollte nicht die vielen Minderwertigkeiten decken, die unter der Hand durcbgefcboben wurden und die immer durcbgefcboben werden, wenn das Scbickfal einer Schöpfung auf die vereinigten Schwächen von Majoritäten gehellt wird. Darum überließ Olbrich fein Ober» beffifdbes Haus anderen Leuten, die es nun recht und fcblecbt einricbteten und gewiffenbaft dafür forgten, daß die Enttäufchung als Hauswirtin den Gaft an der Schwelle begrüßt. Und damit hängt es auch zufammen, daß man auch in den fonftigen Teilen der Ausheilung, namentlich in den Abteilungen für Raumkunft, dem Künftler nicht mehr begegnet. Das ift fcbade. Auch hin» fichtlicb der fogenannten Raum» oder Wohnkunft hätte die Hef» fifcbe Ausheilung ein Kunftereignis erften Ranges werden können, ein neues Dokument. Es ift unwägbar, was wir gerade von diefem Künftler hätten erwarten können. Der Wert und Erfolg der Ausheilung hätte gerade dadurch eine unermeßliche Steige« rung erfahren. Eine folcbe Unternehmung auf die vorhandene befte Kraft aufzubauen ift die einzige und richtige Kunftpolitik, wenn durch die vergängliche Ausheilung ein bleibender Wert, ein künftlerifcbes Vorbild gefchaffen werden foll. Alles andere ift eine Pöbelaffäre. □ Dafür hat Alwin Müller einen großen Spielraum zur Betäti» gung feiner Interieurkunft erlangt. Er bat das Gebäude für angewandte Kunft errichtet und eine große Zahl von Raum» ausftattungen entworfen. Er ift der Berufung nach das jüngfte Mitglied der Darmftädter Kolonie und bat durch diefe Ausheilung die erfte Gelegenheit in Darmftadt fein Können auf einer breiten Bafis zu zeigen. Alwin Müller gehört zu jenen durchaus nicht feltenen Erfcheinungen, die gegebene Anregungen gefchickt und rafcb zu verarbeiten wiffen und den Mangel einer eignen, harken, fcböpferifcben Perfönlichkeit hinter der Vielfeitigkeit ihres an» fchmiegfamen Talentes verbergen können. Schon die bloße Gebäudeerfcheinung für angewandte Kunft zeigt den tiefen Ab« ftand, der diefen Künftler von dem reifen, felbftficberen Können Olbrichs trennt, wenngleich in dem Bau von Alwin Müller manche Anklänge an das Olbrichfcbe Vorbild bervortreten. Aber wie hart und harr find die Linien feines Gebäudes trotj diefer harken Anempfindung. Dürftig und unedel find fie im Vergleich mit der bewegten und doch fo einbeitsvoll zufammengebaltenen Sil» houette des Olbrichfchen Vorbildes. In freier Rhythmik und in faft melodiös zu empfindenden Kadenzen bewegen ficb die Pro» Portionen der Olbrichfchen Gebäudegruppen und fchließen ficb zu einer barmonifch gebundenen Größe zufammen; und wie wenig empfunden find die Verhältniffe in dem Bau von Müller; von keinem jener mufikalifchen Akkorde getragen, die ficb auf den natürlichen Tonleitern einer genialen Empfindung bewegt und die aus Stein» oder Holzmaffen fichtbare Mufik bilden kann. Nein, nein alfo, das Zufammentragen und Verfchweißen von nach» empfundenen Motiven und Anregungen tut es nicht. Sicherlich entheben auf diefe Art keine Kunftwerke, die ein organifches Leben führen. Wir müffen fcbarf unterfcheiden zwifchen den Leibungen, die Originalfchöpfung find und daher von einem geiftig organifchen Leben durchflutet find, und zwifchen denen, die nur ein Scheinleben führen. Es ift ein großer Unterfchied zwifchen lebendigen und toten Kunftwerken, wenn auch beide oft eine große äußere Ähnlichkeit miteinander haben. Und was ich von Alwin Müller gefeben habe, find tote Kunftwerke. Es fällt mir fcbwer diefes Urteil auszufprechen. Aber der Schrift» heller hat es mit Erkenntniffen zu tun, die ftärker find als die Gründe der Opportunität. Und dabei will ich gern anerkennen, daß Alwin Müller über febr viel Gefchmack, Fleiß und Gefchick verfügt, die ihm ficberlich große Tageserfolge befcheren. Um Darmftadts Ruhm zu vermehren oder auch nur fortzuerhalten, dazu ift er keinesfalls der Mann. Die Virtuofität der rafcben und gefälligen Anwendung tut es nicht allein. Seine zahlreichen Räume in dem Gebäude für angewandte Kunft find auf irgend» ein augenblickliches blendendes Gefallen bin angetan. Es find aber durchwegs Dinge, die nicht halten, was fie verfprecben. Blendend ift vor allem die Verfchwendung koftbarer Materialien, das, was den Leuten auf den erften Blick bin gefällt. Sobald aber die Koftbarkeit verfagt und wirtfcbaftlicbe Gründe für das Anfprucbslofe plädieren, find feine Räume kalt und nüchtern. Das find fie eigentlich auch in der prunkbaften Überladung; nur wird dann das Auge von dem Glanz der Stoffe gefeffelt und zu kaltem Staunen angeregt. Eigentlich aber liegt in der etwas protjenbaften Auftragung ein gewiffer geiftiger Defekt. Man vergleiche nur, wie Olbrich, wenn er ficb großer Mittel bedienen konnte, den Geift des Materials durch feine eigene fcböpferifche Kraft zu potenzieren verband und die böchfte Wirkung des Feft» liehen, das einer reichen Umgebung zukommt, herauszubolen wußte. Man febe, wie er in dem Haus Glückert, das außerhalb der Ausheilung hebt, nichtsdeftoweniger aber derzeit den Aus- ftellungsbefuchern geöffnet wird, eine großbürgerliche Häuslich» keit, in der nicht gefpart zu werden braucht, mit unnachahm licher, vornehmer Behäbigkeit und anmutiger Behaglichkeit durch zubilden vermochte. Man fehe, wie in dem Arbeiterbaus das Einfache unter feinen Händen ficb in eine berzerfrifchende Lieb« licbkeit verwandelt. Es kommt daher, weil in allen diefen wohl geratenen Dingen die Seele des Künftlers lebt. Das Herz des Künftlers klopft darinnen, weil es die Freude am Vollendeten empfand, ob es ficb nun um große oder kleine Dinge bandelte. Und diefes Merkmal der echten Künftlerfchaft fehlt mir bei Alwin Müller. Mir fehlt bei ihm fozufagen die wahre Kultur, die immer im Grunde ein Seelifches ift. Da haben ficb nun die fogenannten Modernen auf den Grundfat) geeinigt, daß alles, was früher Kurven batte, nunmehr auf die gerade Linie gehellt fein müffe, und glauben mit ihrem armfeligen Reftchen von Verband auf diefe Weife die Kultur gepachtet zu haben. Und ahnen nicht, 306