ii[sjiiA>y/£mü INHHLT DES HEFTES 21 ALTE DOKUMENTE. Plus den Papieren eines altdeutfdben Bau» meifters von ELIAS HOLL. Bearbeitet von JOSEPH ÄUG. LUX 321 INGENIEURKUNST. Von JOSEPH flUG. LUX 327 MASCHINEN. Hus: Johannes V. Jenfen »Die neue Welt«. Effays. Von JOSEPH AUG. LUX 330 DAS SCHABLONENHAUS. Von HANS OSTWALD 331 KETZERISCHES BUNTERLEI. Ein Zwiegefpräch in einem Speife« wagen. Von ARTHUR RÖSSLER, Wien 332 FEUCHTE WOHNUNGEN 335 ZUR MODERNEN PLASTIK. Erwiderungen 335 BÜCHERANZEIGEN: Der Dialog vom Pierrot und andere Effays. Von ARTHUR ROESSLER 336 Der Hausfchwamm und die übrigen bolzzerftörenden Pilze der menfcblicben Wohnungen. Von Profeffor Dr. CARL MEZ .. .. 336 HLTE DOKUMENTE HUS DEN PAPIEREN EINES ALTDEUTSCHEN BAUMEISTERS as treuherzige Bild eines deutfcben Baumeifters ift in der Selbftbiographie des Augsburger Architekten ELIAS HOLL (1573-1646) gezeichnet, mit einigen Strichen, fchlicht und derb und von packender Anfchaulichkeit, wie ein Holzfchnitt von Albrecbt Dürer. Und hinter diefer fcharfumriffenen Per« fönlicbkeit taucht ein anmutreiches Städtebild empor, das alter« tümlicbe Augsburg mit feinem feftgefügten Zunftwefen, das klar durchgebildet und reich gegliedert bis zur Wunderlichkeit, den Geift der Gotik trug, die beim Erfcheinen des Meifters Elias in Augsburg herrfchte. JOHANNES HOLL, der Vater, war noch Gotiker; der Sohn ein Träger des Renaiffancegedankens, alfo für feine Zeit ein Moderner. Vater und Sohn, das waren zwei Welten, zwei Kunftepochen, durch eine Kluft getrennt. So fehr verleugnete der Jüngere den Glauben des filteren, daß er in feinem Schaffen die leifeften Anklänge an die Vergangenheit vermied und mit den Werken der Vorzeit in einer Weife auf« räumte, die bis zur Unduldfamkeit ging. Das konnte nur ein Großer wagen. Mit beifpiellofer Schnelligkeit vollzog fich die Umwandlung der Gotik in die Renaiffance. Dem Augsburg von damals gab er den Stempel feines Geiftes, den es beute noch trägt. Solcherart blieb feine Perfönlicbkeit fichtbar, jeder Erker, jede Torwölbung trägt einen Zug feines Wefens. In mehrfacher Hinficbt ift fein Beifpiel intereffant. Die fiegbafte Gewalt, mit der er gegen das Veraltete, Unzeitgemäße auftrat, gibt feiner Erfcbeinung faft die aktuelle Bedeutung eines Gleich« niffes mit neuzeitlichen Strömungen. Das vertrauensvolle Ent« gegenkommen der Bürgerfcbaft, die das unfterblicbe Verdienft erwarb, dem Genius keine Schranken gefegt zu haben, enthält eine feine Lehre, eine kluge Mahnung. Aber über alle zeit» gemäße Nutjanwendung hinaus liegt das Herzftärkende und un» vergängliche Wertvolle in der Schilderung des Werdeganges eines deutfcben Baukünftlers. Was er von Jugend auf ftudiert und gelernt bat, was er in feinen »Werken und Gebeuen für einen gebrauch gehabt, diß und jeneß zu pauen und zu machen«, das bat er im fünfzägften Jahre feines Lebens niedergefcbrieben, zu Nuj3 und Frommen der Nachkommenden. »Und ift dißes nit von der Mainung gefcben, daß ich mir wolte ein Ruebm dadurch machen, fondern nur zur gedebtnuß, daß es in’s künfftig mir noch ingedench bleibe und ich andern, fo ich daß Leben von Gott nob lenger haben folte, auch deffen underweifen köndte, darzu Gott fein gnad verleibe. Amen!« □ Der wackere Meifter, der, von dem Geift einer neuen Zeit erfüllt, baukünftlerifcb als Revolutionär auftrat und auf den Trümmern feiner Väter Werke die Denkmäler feines eigenen Könnens errichtete, fcböpfte nichtsdeftoweniger feine Kraft aus einem unermeßbaren Erbteil, das er von feinen Altvordern übernommen. Diefes urväterliche Erbteil war eine fefte band» werkliche Tradition, in der die werkmäßige Erfahrung vieler Gefcblecbter ruhte und die ihn befähigte, die neuen Kunft« anfcbauungen, die er aufgenommen, dem Leben und den Be« dürfniffen feiner Vaterftadt dienftbar zu machen. Der Mann, der durch viele Reifen nach Venedig des klaffifchen Geiftes, der in Italien wiedergeboren ward, teilhaftig geworden, ftand mit beiden Füßen feft an dem Boden altdeutfcher Zunft. Er war zunäcbft Handwerker, wie alle Künftler feiner Zeit. Mit Hans Sachs, Albrecbt Dürer ftand er in einer Linie. Einem Maurer» gefcblecbte entfproffen, wurde er wieder Maurer. Als fein Vater ftarb, war er 20 Jahre alt. Er batte fein Meifterftück noch nicht gemacht und durfte als lediger Gefelle einen unvollendet ge» laffenen Bau des Verftorbenen nicht fertigftellen. Da war er, wie es das gute Herkommen verlangte, entfcbloffen, fich auf die Wanderfchaft zu begeben. Aber Gott Hymen wendete fein Schickfal. Die fchöne MARIA BURKARTIN, des feligen Kuttel» wäfcbers CHRISTIAN BURKARTS fchöne Tochter, benahm ihm alle Wandergedanken. Er heiratete am 2. Mai 1595, batte am 25. Mai »die Meifterftuck fürgeriffen« und wurde darauf zum Meifter ernannt. Als tüchtiger, umfichtiger Hausvater leitete er mit der richtigen altdeutfcben Pbitifterhaftigkeit feine Auf» Zeichnungen mit einer Art Haus« und Familienchronik ein, darin die Geburt feiner 13 Kinder, die vorkommenden Krankheiten und Unglücksfälle, das Befinden feiner teueren Ehehälfte, Hoch zeit und Kindstauf und andere Vorkommniffe des privaten Lebens gewiffenbaft eingetragen waren. Hausbackene Behäbig keit, Butjenfcbeibenromantik, altdeutfcbe Stubenpoefie bilden den Grundzug diefes Mannes, der, wie Hans Sachs auf feiner Scbufterwerkftatt, aus der Enge feines bürgerlich zünftigen Dafeins'in die ideenreiche Geifteswelt des Humanismus binausfab. Das Wiffen, das er mit feinem handwerklichen Können verband, beftand nicht aus trockener Gelehrfamkeit, nicht aus blutleeren Schemen, nicht aus reißbrettmäßiger Klügelei; es war durch Anfcbauung erworben, und was er fcbuf, war aus lebendiger Anfchauung heraus gefchaffen. Darum war fein Schaffen niemals ein Kopieren, fondern fchöpferifches Gebären. Die empfangenen Eindrücke und Anregungen verarbeitete er zu feinem eigenen Wefen, ehe er fie wiedergab. Und fein Wefen wurzelte im deutfcben Handwerk. Er wußte woran er war, wenn er etwas tat. Die neuen Ideen, die er von fernher aufgenommen, bat er verdeutfcbt. Er hat fie aus dem Wälfcben ins Scbwäbifcbe 21. Heft • IV. Jahrg. 321