ZUR REFORM UNSERER KHTHLOGE IN VOR» BILDERSAMMLUNGEN VON D R - RICHARD GRUNDMANN s unterliegt keinem Zweifel, daß untere reichhaltigen und vortrefflich verwalteten öffentlichen Sammlungen, ihrem hauptfäcblichften Zweck, auf die breite Maffe des Volkes bildend zu wirken, noch weit mehr entfprecben könnten, wenn lieh auch der wiffenfchaftlich minder gefcbulte Befucher in der verwirrenden Menge der dort aufgefpeicherten Kunft= und Geiftes* fchätje leicht und fchnell zurechtfinden könnte. Allerdings gibt es für die Orientierung in den meiften Fällen Kataloge, aber diefe find in der Regel von Zahlen, Namen und Titeln ftarrende Konglomerate und nütjen dem Laien in diefer Form ebenfo= wenig, wie ihn auf der anderen Seite die billige Weisheit eines Führers zu fördern vermag, der fein »Repertoire« wie ein Mufikautomat herunterleiert, auf jede ins einzelne gehende Frage aber die rechte Antwort fchuldig bleibt. Jene, die mit dem Drange nach Vervollkommnung in irgendeinem Spezial» gebiet unfere großen Sammlungen auffuchen, find zum größten Teil auf die fachmännifche Anleitung durch wiffenfchafttiche Ver» waltungsbeamte angewiefen, damit fie überhaupt aus dem Labyrinth all der Erfcheinungen dasjenige herausfinden können, was fie für ihre befonderen Zwecke und Intereffen gerade brauchen. Wo diefe Anleitung durch Fachleute aber fehlt — und wer wollte behaupten, daß fie überall und jederzeit zur Verfügung ftehen oder überhaupt zur Verfügung ftehen könnten? Da ift die Folge ein langes umftändliches Herumfuchen in dick« leibigen und unüberfichtlichen, vielfach nur bandfcbriftlicb vor» handenen Katalogen mit dem häufigen Ergebnis völliger geiftiger Ermüdung, großen Zeitverluftes und der leidigen Einficht, tro$ vieler Mühe nicht ans Ziel gelangt zu fein. So wird der Befuch einer Sammlung oftmals illuforifch, und die Erfolglofigkeit er» mutigt nicht zur Wiederkehr, fie wirkt im Gegenteil lähmend auf den Bildungseifer. Man macht diefe Erfahrung namentlich in kunftgewerblichen Vorbilderfammlungen, die überwiegend von Leuten befucht werden, die nur geringe kunftgefcbicbtlicbe und literarifche Vorbildung mitbringen, denen aber eine rafche zuverläffige Orientierung über das vorhandene Material dringend nötig und deshalb befonders erwünfeht ift. Hilflos ftehen fie den endlofen Reihen von Mappen und Vorlagenkäften gegenüber und tappen felbft nach Durchficht der Kataloge wie Blinde im Dunkel herum, allein darauf angewiefen, daß ihnen ein günftiger Zufall vielleicht gerade das in die Hände fpielt, was fie fuchen. Sind fie doch durch Kataloge der bezeichneten Art meift eher in die Irre geführt, als auf den rechten Weg geleitet. Soll der Katalog in feiner Anlage feiner Abficht und Idee entfprecben, d. b. den Befuch einer Sammlung wirklich nu^bringend geftalten und deren Schäle im eigentlicbften Sinne erft erfcbließen, fo muß er ein Wegweifer und Berater für jedermann fein; er darf demnach nicht in doktrinär «wiffenfchaftlicber, abftoßend» nüchterner und unüberficbtlicher Art, fondern er muß in einer für alle Kreife verftändlicben und brauchbaren, ebenfowobl be lehrenden, als vor allem durchaus klaren, lichtvollen und fo viel wie möglich auch anziehenden Form abgefaßt werden. Je größer die Sammlung, defto febwieriger ift freilich die Aufgabe, obwohl gerade in den Katalogarbeiten, z. B. des Berliner Kunftgewerbe» mufeums, nach vielen Richtungen Vorbildliches gefebaffen worden ift, das der Anerkennung und des Dankes aller intereffierten Kreife gewiß fein kann. Neuerdings liegt ein (auf zwei Teile berechneter) Katalog der Vorbilderfammlung des Landesgewerbe vereins für das Großberzogtum Heffen vor, deffen Bearbeiter, Gewerberat G. WAGNER in Darmftadt, es in der erwähnten Richtung entfehieden verftanden bat, die Katalogliteratur zu bereichern. □ Die nahezu 90000 Blatt der Darmftädter Sammlung in über 3000 Mappen find in dem Kataloge inhaltlich nach Gruppen gefondert, innerhalb deren durch eine verftändige, aus dem je weiligen Gegenftande felbft bergeleitete Kl affen einteilung ficb das getarnte Vorlagenmaterial in natürlicher, überfichtlicher und gefälliger Anordnung darftellt. Der Inhalt jeder Gruppe ift durch einen befonderen Einleitungstext von wenigen Zeilen, und der jeder Klaffe überdies durch eine kurze Kopfnote trefflich gekennzeichnet. Die durebdadüe Gliederung im ganzen fowohl wie im einzelnen ermöglicht einen fdbnellen orientierenden Über blick, dem etwa vergleichbar, den wir aus der Vogelperfpektive auf eine in allen ihren Teilen mit Gefühl für Symmetrie, Stil und rechte Raumausnütjung angelegte Ausftellung genießen, wobei fich die einzelnen Gebäudegruppen (Abteilungen) für uns febarf unterfcheiden laffen. Überhaupt lebt in dem Katalogwerke etwas von dem Geift künftlerifcber Kompofitionsluft, die finnig Bauftein um Bauftein ineinander fugte, bis das Ganze in abge rundeter, äftbetifcb gefcbloffener Form daftand. Dabei verfteht es fich von felbft, daß auch hier für die begriffliche Einreibung der Blätter die Entftebungszeiten, die Länder der Herkunft und der Stilcharakter der abgebildeten Kunftwerke als gewichtige Momente eine bedeutfame Rolle fpielen. Dankenswert ift es, daß obendrein zahlreiche Hinweife auf gebundene Werke, die der Bibliothek angeboren, dem Suchenden im einzelnen Falle alles vorhandene einfehlägige Material an die Hand geben. Zur außerordentlichen Erleichterung für den Benutzer wird bei den Klaffeneinteilungen als weitere Abgrenzung nach unten die alpba» betifche Aufzählung, wo immer angängig, gewählt, und ebenfo ift auch ein alpbabetifcb geordnetes Sachregifter am Schluß vor- gefeben worden, das den gefamten Inhalt in fich faffen wird. Der Überblick über das Ganze und die Einzelunterfcheidung werden zudem dadurch leichter, daß neben der Gruppenzäblung durch römifche Ziffern die Ordnung der Klaffen durch Bucbftaben und, innerhalb der Klaffen wiederum die der Mappen durch deutfehe Zahlen einberläuft. Soviel über die Anlage im all gemeinen ! Im einzelnen erläutert fie ein Beifpiel wohl am beften. Von den 16 unterfchiedenen Gruppen umfaßt die Gruppe VIII: »Naturformen und Kulturbilder. Sinnbilder. Stilifierung und Kompofition«. Natur und Leben als Ausgangspunkt und Wurzel aller Kunft werden hier in den für die bildnerifcbe Nachahmung fruchtbarften Abbildungen zufammengeftellt, zunächft foweit die anorganifche, dann foweit die organifebe Natur (Pflanze, Tier, Menfcb) die Mufter liefert. Notwendig ergänzend treten daneben die Vorbilder aus dem Kulturleben als dem zweitwichtigften Nährboden für die Kunft. Ihre Ordnung wird durch die Gefichts- punkte des menfcblicben Anfcbauungskreifes als eines biftorifch mit den Zeiten gewordenen und wecbfelnden und eines inner halb jeder Zeit mit den Landesunterfcbieden von felbft fich bilden- den beftimmt; demnach folgen einander der beidnifeb-mytbo- logifche und der chriftlicb-religiöfe Anfchauungskreis, denen fich kulturgefchichtlicbe Darftellungen, die unter Sammelbegriffen alpbabetifcb geordnet find, und fcbließlicb Trachtenbilder nach Zeit und Ländern anfchließen. Neben den Natur- und Kultur bildern erfcheinen die »Sinnbilder« in diefe Gruppe durchaus nicht willkürlich eingeordnet; denn, im engen Anfchluß an die Formen der Natur, aber mit dem Kulturfortfehritt entftanden, entwickeln fie gleichzeitig die Begriffe des Stilifierens und des Komponierens, und fo leiten fie auch ganz natürlich die Abteilung »Stilifierung und Kompofition« ein. Der Verfaffer gliedert ihnen die Klaffe »Dekorative Vorbilder« an, indem er in feiner Kopf note kurz darauf hinweift, daß fich hier nach den üblichen 367