geplanten Parifer Straßendurcbbrücbe werden daher, abgefehen
von der Großartigkeit des Planes, nicht ungeteilten Beifall
finden können. Man halte die Wiener Anlagen dagegen oder
was man fonft an organifcb durchgebildeten Straßen und Plänen
vor Augen bat. In dem Parifer Plan hat nur die Avenue de
l’Opera gegen die Oper bin einen perfpektivifcben Abfcbluß,
der als Augenrubepunkt wirkt. Dagegen bat der Südnord"
Durchbruch gegen Montmartre keinen derartigen Abfcbluß. Er
wirkt wie eine Linie, die in das Blaue, ins Nichts führt. Dort
wird felbft der fternförmige Platj, wo der Boulevard Hauß-
mann, der Boulevard Montmartre, der Boulevard des Italiens,
die Avenue de Richelieu zufammenftoßen, nur eine Verlegen«
beit bilden. Dagegen hat der Weftoft-Durchbruch durch die tor
artige Umwölbung des Palais Royal wenigftens an diefem Punkt
eine gewiffe barmonifche Gefchloffenbeit gefunden. Man wird
alfo erkennen, daß felbft an den neuen kühnen Plänen Be
denken find, die rechtzeitig umgangen werden müffen. Beachtens
werte Löfungen zum Vergleich find der Friedricbsplat} in Mann
heim, den BRUNO SCHMITZ großartig geftaltet bat, der er
wähnte SEMPERfcbe Entwurf und das Karlsplatjprojekt von
OTTO WAGNER, fowie BILLING 3 KarIsrüberplatjprojekt vor
dem Stadtgarten. Die Trennung der Induftrie- und Fabriks-
viertel von den Wohnvierteln, die Unterfcheidung der Ver-
kebrsftraßen von den Wobnftraßen, die Ausbildung der le^teren
als idyllifcbe Wohninfeln mit reichlichen gärtnerifchen Anlagen (
dafür die älteren Teile von Paris und London ausgezeichnete
Vorbilder liefern, gehören fcbon zu dem kleinen Einmaleins.
Die ältere beimifcbe Bauweife überliefert das entzückende Vor
bild der Wobnböfe und Innengärten. Ähnliches ift beute da
durch zu erzielen, daß die Baublöcke nur am Rande umbaut
und im Innern große Erbolungsftätten gefcbaffen werden. Was
den Bau von Einfamilienbäufern in gefchloffener Reihe betrifft,
die wirklich organifche und zweckmäßige Durchbildung der Vor-
und Hintergärten, die Geftaltung der Friedhöfe, fo find gerade
in unferer Zeit eine Fülle von künftlerifchen Möglichkeiten in
den Gefichtskreis gerückt, die gar nicht abzufeben find. Nicht
nur für Berlin, fondern für alle Städte der Welt, die ihren wirt-
fchaftlichen Auffchwung in der traurigften Zeit der Architektur
genommen haben, beftebt die Aufgabe, daß fie aus dem Zu-
ftand des unkünftlerifcben Geronnenfeins und fcbwärenbaften
Auswachfens erlöft und in einen künftterifchen Organismus ver
wandelt werden, der alle verkehrstechnifchen, bygienifchen und
fonftwie praktifchen Notwendigkeiten in einer höheren, äftbetifch
beftimmten Einheit auflöft und vollendet. □
DAS UNS TÄGLICH UMGEBENDE IST AM BESTEN,
AM GRÜNDLICHSTEN ZU STUDIEREN. ES IST KEIN
ANDERER WEG, ALS DER DA HEISST: SICH AUS
ALLEM EINE KÜNSTLERISCHE AUFGABE MACHEN.
SOFORT HÄLT MAN NICHTS MEHR FÜR UNWÜRDIG,
AUCH SÜSSES ZEUG WIRD INTERESSANT, LEHRREICH,
SOGAR SCHWER. ADOLF MENZEL
DIE SUGGESTIVITÄT EINES KUNSTWERKES STEHT
IM VERHÄLTNIS ZUR KRAFT, MIT WELCHER ES
WÄHREND DER KONZEPTION VOM KÜNSTLER EMP
FUNDEN WURDE, UND DIESE WIEDER STEHT IM
VERHÄLTNIS ZUR REINHEIT UND VERFEINERUNG
DER SINNE DES KÜNSTLERS. GIOVANNI SEGANTINI
GARTENKUNST
DEUTSCHE BHUERNGÄRTEN AUS NORD UND
SÜD
MIT PHOTOGRAPHISCHEN AUFNAHMEN VOM VERFASSER
LUDWIG F. FUCHS, DARMSTADT
D er Bauerngarten verhält fich zum Kunftgarten wie das
Bauernhaus zum Herrfchaftsbaus, wie die Volkskunft
zum Kunftgewerbe. Er ift der Keim, aus dem fich der
andere entwickelt hat. Dementfprechend ift auch der Aufwand
an Kunft ein äußerft befcheidener. Aber er genügt, um im Verein
mit herber Sachlichkeit das bervorzuzaubern, was bei einem
Mehraufwand notwendig leiden müßte: das fcblicbte Idyll. Wie
mancher unferer heutigen Gartenkünftler könnte daran lernen,
daß ein Wenig oft mehr ift als ein Viel, und daß Zweckmäßig
keit und Sachlichkeit nicht nur das Anheimelnde, fondern auch
das Künftlerifcbe fteigern. □
So wie fich das Bauernhaus unter dem Einfluß verfchiedener
Klimaten, Sitten und Gebräuche, des Geländes und auch der
Raffe in den verfchiedenen Gegenden zu ganz verfchiedenen
Typen entwickelt hat, fo auch der Garten. Das Klima, Sitten
und Gebräuche beeinfluffen die Pflanzenwabl, der Gelände
charakter die tektonifche Geftaltung. Der Raffenunterfchied
kommt in der formalen Behandlung der Türe, der Umfriedigung
u. a. m. zum Ausdruck. Es ift intereffant, etwas davon zu er
fahren. □
Heckenumfriedigte Kuhweiden im Anfcbluß an des Haus ge
hören zum niederfächfifchen Landfcbaftsbild. Das üppige Wachs
tum in jenem Lande bat zur Verwendung und Ausbildung der
Hecke in einem Umfange geführt, wie er fonft in Deutfdbland
kaum angetroffen werden dürfte. Befonders die Tore, die den
lebenden Zaun fo wirkfam unterbrechen, find oft von wirklich
monumentaler Form. Es findet fich eine häufig wiederkebrende
Gruppierung von Kubweide, Haus, Gemüfe-, Obft- und Blumen
garten. Im Vordergrund ift das Weideland fichtbar. Der Draht
zaun fcheidet es von dem Rübenacker. Im Norden des Haufes liegt,
von befonderer Hecke umgeben, der Gemüfe- und Obftgarten.
Diefe Lage bedingt eine Schattenzone, die aufs glücklichfte mit
woblgepflegten Koniferenpyramiden in regelmäßigen Abftänden
bepflanzt ift. Im Süden dehnt fich in der ganzen Länge des
Haufes ein Streifen Blumenland aus. Ich habe bauptfächlicb
Georginen, Dahlien und Aftern beobachtet, vielfach auch Stroh-
röschen. Das entzückendfte ift aber ficher die als Windfcbutj
gezogene Lindenreihe von ftreng geometrifcber Form, ein Motiv,
das fich die hohe Gartenkunft ja unbedenklich zu eigen gemacht
bat. Es ift eine vollkommen einwandfreie Vermittlung zwifchen
Haus und Gelände, da wo eine Terraffe — wie in unterem Falle —
keinen Sinn hat oder nicht möglich ift. Kommt diefer Wind-
fchut) nach der Straße zu liegen, fo kann unter ihm am Boden
ein Vorgärtchen angelegt werden. (Siebe Bild.) Mit diefen Vor
gärten können fich die meiften in unteren Städten nicht meffen,
fetbft was die abfolute Höbe der künftlerifchen Leiftung an
belangt. □
Sichtbarlich macht es den Leuten Freude, mit dem lebendigen
Material zu geftalten. (Siehe Bild.) Ift diefe Gartenlaube nicht
ein richtiges kleines Haus? Und wie anfprechend ift fie in der
Form. Sie ftebt in einem Gemüfegarten und ift durchaus kein
Unikum in ihrer Art. Im Hintergründe fiebt man die »Olden
burger Palmen«, den oft mannshohen, zweijährigen Krauskohl.
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