DIESEM HEFT IST N R -4 DER MITTEILUNGEN DER DEUTSCHEN GHRTENSTHDTGESELLSCHHFT BEIGESCHLOSSEN
MODERNE THEHTERREFORM
VON PROF. MHX LITTMHNN
E inige ganz Große: Goethe, Schinkel, Semper haben ver-
fucht, Neues, Grundlegendes in die künftlerifche Erfchei-
nung der deutfchen Schaubühne zu bringen, — Verfuche,
die in einer für folcbe Ideen noch nicht reifen Zeit fcheitern mußten.
Der Durchfdhnittstyp des Theaters, wie er von Italien nach
Deutfchland verpflanzt wurde, zeigt in feiner Entwicklung des
Zufchauer- und Bühnenhaufes keinerlei künftlerifchen Fortfehritt.
Die künftlerifche Kulturarbeit des verfloffenen Jahrhunderts ift
am Theater fpurlos vorübergegangen; wir erleben beute noch
das ergötzliche Scbaufpiel, daß diesfeits des Profzeniums der
Architekt fein Logenbaus aufbaut und künftlerifcbe Taten er
träumt, fofern er nur dem alten Organismus einige zurzeit
gerade in Mode befindliche Schmuckformen aufklebt, — und
hinter dem Vorhang müht ficb der Ingenieur, die alte Bühnen-
mafchinerie in neue technifcbe Formen zu bringen. Das Zurück
drängen künftlerifcben Füblens, eine allzubobe Bewertung rein
teebnifeber Fertigkeit, die alle Gebiete menfcblicber Tätigkeit des
vergangenen Jahrhunderts auszeichnet, jener Mangel künftle-
rifcher Kultur, der untere Städte- und Landfcbaftsbilder ver-
wüftet bat, kennzeichnet den Geift, der auch die künftlerifche
Entwicklung unterer Theater aufhielt. □
Bei dem konventionellen Bühnenbild, das uns die großen
Barockkünftler Italiens übermitteln, wird durch eine perfpek-
tivifebe Tiefentwicklung der Schein der Wirklichkeit erftrebt.
Die Sichtbarmachung diefes Bildes erfordert deshalb ein Audi
torium, das in feinen Seitenwänden nur die Fortfetjung der
Seitenlinien des Bühnenbildes fein kann und deshalb eng be
grenzt ift. □
ANMERKUNG. Das vorliegende Tbeaterbeft enthält eine Darftellung
der modernen Tbeaterreform aus der Feder des bervorragendftenTbeater-
teebnikers Architekt Profeffor MAX LITTMANN und im illuftrativen Teil
einige Hauptfcböpfungen diefes Künftlers, fowie Bühnenbilder von
Prof. ALFRED ROLLER, der, von ähnlichen Grundlagen wie SCHINKEL
ausgehend, der eigentliche moderne Reformer des malerifcben Bühnen
bildes ift. Er ift das Vorbild für alle ähnlichen Ausftattungsreformen
auf der Bühne gewefen. Seine Arbeit wird im folgenden Heft noch eine
eingehende Würdigung finden. Die näcbfte Nummer bringt außerdem
den Kongreßbericht, Kunftfcbaubilder ufw. DIE RED.
Skizzen KARL FRIEDRICH SCHINKEL 3 im Scbinkelmufeum zu Cbarlottenburg
Entwurf (vom Jahre 1817) KHRL FRIEDRICH SCHINKELS zu Ver
änderungen der Bühne des Theaters am Gendarmenmarkt
13. Heft • IV. Jahrg.
193