kunftgewerbticften Form fo prägnant zum Ausdruck wie im
Porzellan. Und dazu die Treulicbkeit des Kulturbildes der
Rokokozeit, das uns durch die Meißner Porzellanplaftik der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts gefchildert wird. Die Maler des
Rokoko konnten uns die Menfchen des Zeitalters Ludwigs XV.,
Friedrich Hugufts II. und des großen Preußenkönigs nicht leben
diger in ihrer Eigenart vor Augen ftellen als die Plaftiker der
Meißner Manufaktur aus der Kaendlerzeit es getan haben. □
Auch in diefem Raume fällt übrigens wieder die reichliche
Verwendung der Bronze auf. Nicht nur die Möbel find mit
Bronzeverfchlägen verziert - die Rokokotifehler hatten die Bronze
verzierungen von den Marketeriearbeiten des Parifer Kunft-
tifcblers Charles André Boulle (Boullemöbel) übernommen —,
die Bronze erfcheint je$t neben dem Porzellan auch als das be
vorzugte Material für Arbeiten der Kleinplaftik und des Kunft-
gewerbes. Uhren, Krön- und Wandleuchter, Kaminböcke u.ä. m.
wurden jetjt mit Vorliebe aus vergoldeter Bronze bergeftellt.
In diefem Rokokofalon aus der Zeit Friedrich Augufts II. befindet
lieh u. a. eine Kaminuhr aus vergoldeter Bronze. Sie ift eine
Arbeit von Maurice Blanc in Paris und wurde um 1760 ber
geftellt. Auch zwei Kaminböcke aus vergoldeter Bronze, mit
Darftellungen einer Sau- und einer Wolfsjagd, find franzöfifche
Arbeiten, während zehn zweiarmige Wandleuchter und ein fehr
feböner Kriftallkronleucbter mit Bronzegerüft wohl Arbeiten
heimifcher Kunftbandwerker find. An Werken der Malerei ent
hält diefer Raum wieder zwei Arbeiten Louis Silveftres: ein
Bildnis des Kurfürften Friedrich Auguft II. und eines der Kur-
fürftin Maria Jofepha. □
Als letftem der Stilzimmer der Ausftellung begegnet man
einem Zimmer aus der Zopfzeit. Es ift die getreue Nachbildung
des Wohnzimmers des Kurfürften Friedrich Auguft III. im Schlöffe
zu Pilinit) mit dem Bildnis des Kurfürften von Anton Graflr und
dem Bildnis der Kurfürftin von Louis Silveftre. □
Von dem eigenkünftlerifchen Wefen des Zopfftils ift nicht viel
Aufhebens zu machen. Er hat als einziges Verdienft das, daß
er den Launen und der Willkür des Rokoko ein Ende machte.
Um das zu können, mußte er fich, da er nicht von fchöpferifchem
Geifte erfüllt war, bei fchon Vorhandenem Anfchluß fuchen. Er
bediente fich dazu, wie einft die Renaiffance, der Antike,
aber er bildete diefe nicht, wie es die Renaiffance tat, weiter,
fondern hielt fich fklavifch an die Formen und Linien, die
durch Winckelmann der Welt wieder nahegerückt worden
waren. Cbarakteriftifcb für diefe Zeit, aber begreiflich, wenn
man daran denkt, aus welchem Geifte heraus geboren ihr Ge-
fcbmack ward, ift die Vorliebe für Marmorarbeiten; das Gerät
der Räume wurde, wo immer es anging, in Verbindung mit
diefem Materiale gebracht. In dem in der Ausftellung wieder
gegebenen Zopfzimmer find nicht nur die Türen und das fonftige
Holzwerk des Zimmers weiß angeftrichen, was den Eindruck
der Marmorbekleidung erwecken foll, fondern auch die Platten
der Tifche, die Sockel der Leuchter, die Gebäufe der Uhren find
aus Marmor gebildet. In diefem Zopfzimmer könnte ganz gut
eine Gruppe aus Biskuitporzellan ftehen, wie fie in Meißen zu
Ende des 18. Jahrhunderts (von Jücbzer, Schönheit, Mattbaei ufw.)
antiken Vorbildern nachgefcbaffen wurden. Man ging hierin
fo weit, daß man nicht nur die Formen und Dekors der klaffifchen
Kunft neues Leben gewinnen ließ, fondern fich auch eines Ma
terials bediente, das das bevorzugte Material der Antike, den
Marmor, vortäufchen follte: das unglafierte und unbemalte
Porzellan. In Meißen war man in diefer Art von Porzellan-
fkulptur nur Nachahmerin von Sèvres; Sèvres batte das Ver
fahren aufgebracht und leiftete in ihm auch, wenigftens um die
Wende des 18. Jahrhunderts, das Bedeutendfte. □
DHS PROBLEM DER MODERNEN PLHSTIK
VON HERMANN OBRIST IN MÜNCHEN
EIN VORTRAG Schluss
nd fo gelangen wir endlich wieder, verehrte Anwefende, zu
dem traurig ften aller Kapitel, der Plaftik, zu den öffentlichen
Denkmälern zurüdc, von denen wir ausgegangen waren.
Und es wird nun klar geworden fein, auf welchen Bafen allein wir
eine Befferung auf diefem Gebiete erwarten zu dürfen glauben.
Auch hier kann uns nur die Beherzigung der Lehren helfen, die
wir aus dem Wefen und dem vorausfetjungslofen Geifte der
modernen angewandten Kunft ziehen können. Befestigung des
Irrwahns, unerbittliche Natürlicheit. Erft wenn die fixe Idee
überall gefchwunden fein wird, der einzig mögliche Typ eines
Denkmals wäre »der Sockel« und auf ihm ein Mann, dargeftellt
wie er leibte und lebte, mit all feinem Rock und Hofe und Stiefel,
oder aber ein Reiter, der fo hoch ftebt, daß man aus der Nähe
immer nur den Bauch des Pferdes fehen kann, während vorne
eine oder mehrere kränzereichende Idealgeftalten angebracht find,
erft dann wird ein neues Leben einziehen. Ift es denn fo un
faßbar fchwer zu verftehen, daß ein Denkmal in erfter Linie ein
»Mal«, eine aufrechte Maffe fchlecbtbin fein muß, ein feffelndes,
großes plaftifcbes Gebilde fchlecbtbin, welches das Auge bannt
und den Schritt des Wanderers hemmt, vorerft noch ohne jede
Notwendigkeit einer Bronzepuppe auf der Spitje? Kann man
denn nicht begreifen, daß gerade der alte Typ, Sockel mit Bronze
mann darauf, jeder weiteren Entwicklung unfähig ift und daß
gerade deswegen das taufendfte Denkmal faft genau fo ausfehen
wird wie das erfte? Wir können uns drehen und wenden wie
wir wollen, den Kaifer Friedrich als Imperator mit nackten Beinen
in die alte Hanfaftadt Bremen fetjen, wobei wir als echte Deutfche
den römifchen Kaifer Hadrian und die Pferde vom Franzofen
Fremit kopieren: aus diefer Sackgaffe des Typs gibt es kein Ent
rinnen. Plus 9a change, plus c’est la mème chose. Das find
keine Gedenk-mäler; nichts ift weniger plaftifcb-arcbitektonifcbe
Maffe, nichts ift durchbrochener und aufgelöfter wie ein Reiter
denkmal mit feinen vier freiftebenden Beinen. Die alten Ägypter
festen ihrem Könige nicht ein Reiterftandbild, fondern errichteten
die Cheopspyramide, das koloffalfte »Mal« der Welt. Und das
Kyffbäuferdenkmal, diefes berrlicbfte architektonifche Bergmal
Deutfcblands, ift für ewige Zeit verunziert durch die Reiterfigur,
die ohne Sinn und Verftand aus dem Turme herausfpaziert.
Auch hier fiegte der Geift der Veteranenvereine, die dies wollten,
über Bruno Schmiß, der das nicht wollte. Und nicht bloß ein
Riefenwerk kann ein würdiges »Mal« darftellen: nein, ein einfacher,
aufrechter, belebter Stein kann uns mehr von dem Verftorbenen
lagen, als uns eine Büfte mit Rock und Kragen in vier Meter
Höbe zu künden vermöchte. Und wie beim Grabdenkmal, fo
eröffnen fich auch hier febier endlofe Perfpektiven für die Zukunft,
wenn man wieder von vorne anfangen wollte, beim Wefen der
Sache felbft. Man fange mit der plaftifcben Erfcheinung einer
aufrechten, belebten Maffe im Raume an. Diefe wird auf jedem
Platte Deutfcblands eine andere fein können und müffen. Man
befchränke die Darftellung des Verftorbenen, der nur in den
feltenften Fällen, wie Bismarck, fich für eine »Malfigur« eignet,
auf das unbedingt Notwendigfte, auf den Kopf, und gebe die
ganze Maffe des Denkmals frei, auf daß uns auf ihr und durch
fie gefagt werde, was er war, was er tat und wie er geiftig auf die
Mitwelt wirkte, nicht wie er in feinem Jackett ausfab. Und wirkte
er ernft und bedächtig, oder heiter und beweglich, oder ftarr
und ftreng, oder mild und weich, fo fpreebe das Gedenkmal das
Starre und Strenge, oder das heiter Bewegliche, oder das Milde
aus durch feine ftarre, aufrechte oder durch feine edel-ruhige
Form. Das wäre Sichtbarmachen des Geiftes durch die Form,
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