, Es fcbeint, daß man, bei der Verfcbiedenbeit der einzelnen
Meinungen, ficb zule^t an Michelangelo felbft gewendet; zum
minderten berid>tet die Chronik des Marco Parenti: »fcbließlicb
nach verfchiedenen Pareres, auf den Rat des Meifters, mit Hilfe
des Simone del Pollajuolo, führte man fie auf die Piazza dei
Signori«, worauf auch das folgende lateinifAe Dokument anfpielt:
»1, Hpril 1504.« - »Haben befchloffen und aufgenommen den
Simone di Pollajuolo in deffen Hnwefenbeit und mit feiner Zu«
ftimmung, fowie in Gegenwart des Michelangelo Buonarroti,
Bildhauers, zur Überführung der Marmorftatue in den Palaft
der Signoria, fo er überführt haben muß im Laufe des 25. Tages
V gegenwärtigen Monats.« □
Hierauf folgender Erlaß in italienifdher Sprache: »MDIV,
30. April.« - Von feiten der durchlaucbtigften und erhabenen
Signori, der Herren Prioren ufw. ufw. wird Euch befohlen: Euch
ehrenfeften Operai von der Bauhütte von Santa Maria del Fiore
in Florenz, daß auf jegliches Verlangen des Simone del Polla=
juolo, des Antonio da San Gallo, des Zimmermannes Bartolomeo
und des Bernardo della Ciecha - der Architekten, die von ob«
bemeldeten durchlauchtigen Herren beauftragt find, den Giganten,
fo in Euerer Bauhütte fteht, im Laufe des kommenden Mai«
monats in die Loggia genannter durchlauchtiger Herren zu
führen, - Euere Spektabilitäten betagten Architekten jegliches
und welche Sache immer geben und gewähren möget, die ihnen
notwendig und nü^lich ift, betagten Giganten zu führen und
die von genannten Architekten begehrt werden. Und überdies,
richten es Euere Spektabilitäten derartig ein, daß felbiger Gigant
an den oben angegebenen Ort und in bemeldeter Zeit gebracht
werde, bei Strafe ihrer Ungnade.« □
Wie diefes Dokument erweift, hat man in der Frage, wohin
der Gigant zu ftellen fei, auch bei den oberften Behörden Wider«
fprechendes befohlen, eine Zeit doch wieder an die Loggia ge«
dacht und fich fchließlich wie folgt entfchieden: □
»28. Mai 1504.« -».... Desgleichen haben die genannten
Signori befchloffen, daß die Marmorftatue des Giganten, fo gegen
wärtig auf deren Piazza fteht, geftellt und gefeßt werde auf
jenen Ort, wo jetjt die Erzftatue Judith ift, vor dem Tore ihres
Palaftes, und daß jene Judith von dort entfernt werde. Ebenfo
haben fie befchloffen, daß aufgetragen werde den ehrenfeften
Operai der Bauhütte von Santa Maria del Fiore in Florenz, daß
fie, fo fchnell es gefhehen kann, jedoch auf Koften und zu Laften
betagter Bauhütte, beftelle und zu Verfügung ftetle Meifter und
Handlanger und Rüftzeug und alles fonft Geeignete an Menfhen
und Dingen, um zu führen und aufzuftellen die Marmorftatue,
die auf der Piazza ift, zu dem Plat}, beziehungsweife auf den
Platj, wo fie aufgeftellt werden toll.« □
Weihe Beratung zu folgendem Erlaffe führt: »MDIV, 29. maii.«
- Von feiten der durhlauhtigen und erhabenen Signori, der
Herren Prioren ufw. ufw. wird befohlen: Euh, den ehrenfeften
Operai der Bauhütte von Santa Maria del Fiore in Florenz,
daß, fo fhnell es fih mähen läßt, auf Koften genannter Bau
hütte, Ihr anordnet und beiftellt Meifter und Handlanger und
jeglihe fonftige Sähe, fo nüßlih ift um fortzuführen und weg
zubringen die Statue aus Marmor des Giganten, die gegen
wärtig auf ihrer Piazza ift, und nah jenem Ort, auf den fie
gebraht werden foll.« 1=1
Der gute Apotheker Luca Landucci, der überall dabei ift und
alles aufs genauefte weiß, erzählt den Transport in feinem Tage
buch wie folgt: »Und am 14. Tage des Mai zog man aus der
Opera den marmornen Giganten; er kam heraus um 24 Uhr,
und wurde über dem Tor von der Mauer foviel weggebrohen,
daß er heraus konnte. Und in diefer Naht wurden gewiffe
Steine nah dem Giganten geworfen, um Shaden anzurihten;
man mußte des Nahts Wahen hatten. Und ging fehr langfam
vorwärts, fo aufreht feftgebunden, daß er fhwebte, daß er mit
den Füßen niht berührte; mit fehr ftarkem Gerüft und großem
Sharffinn; und mühte fih vier Tage um auf die Piazza zu
gelangen, kam am 18. um 12 Uhr an: hatte mehr als 40 Mann, um
ihn gehen zu mähen; hatte unter fih 14 geölte Balken und die
fih von Hand zu Hand weiter bewegten. Und man mühte fih bis
zum 8. Tage des Juni 1504, um ihn auf die Ringhiera (eigentlih
»Geländer«, hier »Rednertribüne«) zu feßen, wo die Judith war,
die man wegheben mußte und im Palaft auf die Erde ftellen.
Und genannten Giganten hatte Mihelangelo Buonaroti gemäht.«
Hierauf noh folgender Erlaß: »MDIV, II. Juni.« - Die er
laubten Herren Prioren ufw. ufw. fhreiben und tragen auf
Euh, ehrenfeften Operai von Santa Maria del Fiore in Florenz,
daß Ihr auf Koften und zu Laften der genannten Bauhütte fo
fhnell als möglih eine marmorne Bafis unter und ringsum die
Füße des Giganten, der gegenwärtig vor dem Tore ihres Palaftes
fteht, mähen laffet, nah Art und Geftalt wie es beftimmt
werden wird durh die Baumeifter Simone di Pollajuolo und
Antonio da San Gallo.« n
Einige Jahrhunderte ftand nun der David als riefiger Tor-
wähter in feiner weißen Praht vor dem finfteren Pallazzo
vecchio. In einem der Straßenkämpfe wurde ihm durh einen
Steinwurf einer der Arme in drei Stücke gefhlagen. Regen,
Wind und Kälte zernagten allmählich den feinen Marmor und
zerftörten faft die reine Form. Endlih nah langem Zaudern,
Überlegen, entfhloß man fih, ihn ins Sihere zu bringen; nun
fteht er, gereinigt und reftauriert, feit 1876 in einem Saale der
Akademie der Künfte in Florenz, wo ihn keine Unbilden mehr
treffen können. Und wir tröften uns, wie fhon der gute
Riccio getan: »ift ganz fhicklih, daß wir hinkommen, fie anzu-
fehen, und niht fo ein Ding uns auf den Markt entgegenkommt.«
MARIE HERZFELD
SCHÖNHEIT
V iele Verfuhe find von Kunftfhriftftellern gemäht worden,
den Begriff der Shönheit feftzuftellen und dafür eine all
gemeingültige abftrakte Grundformel zu finden. In den
anregenden und feinfinnigen Randbemerkungen, die bei diefen
Anläffen nebenher zutage treten, liegt meiftens der einzige Wert
diefer Unterfuhungen. Sie helfen uns aber nur fehr wenig, ehte
Kunft und Poefie zu genießen, zu unterfheiden, was an mehr
oder minder Vorzüglihem darin verborgen ift; fie lehren uns
niht, die Begriffe Shönheit, Kunft und Dihtung feiner und
beftimmter zu faffen. n
Shönheit, wie alle menfhlihe Sinneserfahrung, ift etwas Be
dingtes; ihre Definition wird daher um fo finn- und wertlofer,
je mehr fie nah Verallgemeinerung ftrebt. Das Ziel des ehten
Äfthetikers befteht niht darin, die Shönheit in ihren abftrakten,
fondern in ihren konkreten Beziehungen zu erklären, keine all
gemeingültige, fondern die befondere Formel zu finden, weihe
diefe oder jene Offenbarung der Shönheit am klarften zum
allgemeinen Bewußtfein zu bringen vermag. □
»Das Ding fo zu fehen, wie es wirklih ift«, gilt mit Reht als
Rihtfhnur kritifher Tätigkeit. Der erfte Shritt des äftbetifhen
Kritikers, den Gegenftand fo zu fehen, wie er wirklih ift, befteht
aber darin, feinen eigenen Eindruck fo zu erkennen, wie er ift,
ihn deutlih zu unterfheiden und feftzuftellen. Mufik, Dihtung,
künftlerifhe verfeinerte Lebensformen und überhaupt alle Gegen-
ftände äfthetifher Kritik find nur fo viele Gefäße und Behälter
von Kräften und Wirkungen, die, wie die Naturelemente, ganz
beftimmte Eigenfhaften befitjen. WALTER PATER
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