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DIE BHUKUNST DER 6ERMHNEN
VON HLBRECHT HHUPT
(VERLHG H. fl. LUDWIG DEGENER LEIPZIG)
W ie die nordifchen Völker, Schweden vor allem, die natio
nale Grundlage ihrer Kunft zurückverfolgen bis in die
prähiftorifche Zeit, - Oskar Montelius hat uns in feiner
Kulturgefchichte Schwedens (verlegt bei E. fl. Seemann, Leipzig)
ein fehr intereffantes Werk darüber befchert —; wie der zu
früh verftorbene Ludwig Weltmann in feiner antbropologifchen
Studie über »die Germanen und die Renaiffance in Italien«
(Thüringifcbe Verlagsanftalt, Leipzig) den überzeugenden Nach
weis liefert, daß 90 Prozent der italienifchen Genies ganz oder
vorwiegend der germanifchen Raffe zugefchrieben werden muß;
- fo bat nun auch Prof. Dr. fllbrecbt Haupt, der Architekt
und Gelehrte unter vorwiegender Betonung der Baukunft, die
Leiftungen der Germanen auf dem Kontinent zufammengefaßt
und zum erftenmal in großen Zügen ein klares Bild von dem
Kunftfcbaffen und dem ftark entwickelten Bautrieb der germa-
nifeben Raffen entworfen. In der bewegungsreichen, dunklen
und drangvollen Zeit der Völkerwanderung febeinen die Fäden
unentwirrbar, die Lebenskreife verworren, die Einflüffe zu
mannigfaltig. Haupts Werk hat Ordnung in das Chaos gebracht,
und in die Tiefen der Überlieferung auf heimifeben Boden
binabgeleucbtet, tief genug, um zu erkennen, daß nicht nur
antike Überlieferungen in der naebrömifeben Zeit, fondern vor
allem auch eigenartige Leiftungen der germanifchen Raffen,
deren Wandertrieb in jenen biftorifch weit abgerückten Tagen
als Raffenzug befonders bervortritt, eine Rolle gefpielt haben.
Die Annahme, daß die Zeit zwifchen dem Verfall des römifeben
Kaiferreichs bis zur Herrfchaft der Gotik und der der Renaiffance
eine Epoche des künftlerifcben Verfalls gewefen ift, bat febon
lange jede Stichhaltigkeit verloren. Wir neigen zur flnfiebt -
und Haupts Werk verftärkt diefe flnfebauung - daß jene Epoche
des Übergangs eine der fruchtbarften Kunftepochen war, wo
nicht fo febr von dem Verfall älterer Kunftformen, als vielmehr
von dem Aufblühen einer neuen triebkräftigen Kunft die Rede
fein kann. Wie es namentlich damals ftattfand beim Zufammen-
finken einer alten, hoben Kultur, deren formalen Ergebniffe von
den barbarifeben Stämmen mit großer Naivität zu neuen Ge
bilden mit frifchen Raffezügen verarbeitet wurden. Ein weithin
fichtbares Beifpiel germanifcher Baukunft ragt aus jenen frühen
Tagen in das Geficbtsfeld der modernen Forfcbung und gibt mit
der Beantwortung der geftellten Fragen neue Rätfel auf. Es ift
mit germanifchen Gedanken erfüllt, ein Kuppelbau zwar, aber
mit einer Wölbung aus einem Stein, einem nordifchen Hügel
grab vergleichbar, auch in der Verzierungsweife an germanifche
Denkweife und alten Überlieferung erinnernd. Aber waren es
nicht fremde, italifche. orientalifebe Arbeiter, deren Werkfpur
nicht ganz zu leugnen? Und wie kommt es, daß, um ein anderes
Beifpiel zu wählen, in der älteren Goldfchmiedekunft der Ger
manen, wie bei den Friefen mit ihrer Feligrantecbnik, diefelbe
Arbeitsweife und Materialbebandlung zu finden ift, wie bei den
älteften Völkern Afiens? Die überlieferten oder wenigften in
fpärlicben Grundzügen erhaltenen älteren Baudenkmäler der Ger
manen find gering — deren Baukunft ift immer das erfte, daran
fich der zerftörungsluftige Pöbel vergreift — aber das Wenige
regt zur Frage an, inwieweit nur der germanifche Formwille
als Bauherr fich durchfetjte und wieviel auf Rechnung des fremden
Ausfübrers zu fe^en ift. Im Gegenfa^ zur Baukunft blieb das
kunftbandwerkliche Schaffen in einem größeren Umfang erhalten,
um ein vollkommeneres Bild von dem Kunftfleiß der Germanen
zu liefern. Haupt bat fich aus naheliegenden Gründen ftark auf
die kunftbandwerklichen Beifpiele geftü^t, die Lücken des gefebiebt»
liehen Materials zu füllen und Verbindungen berzuftellen, wo fie
in der Baugefchichte fehlen. Wir zeigen einige Illuftrationsbei»
fpiele aus dem Werk, dem Entgegenkommen des Verlegers zu
Dank, die, abgefebenvon ihrer gefchichtlichen Beziehung, unmittel
bar künftlerifcbes Intereffe zu erwecken imftande find. Aber ge
rade diefe kunftbandwerkliche Tätigkeit, die vielfach aufs Bau»
wefen abfärbt und viel älter ift als die Baukunft, fcheint eine
Menge von Raffeneinflüffen verarbeitet zu haben, die von außen
kamen, nicht zu mindeft aus dem teebnifeh und ornamental über
legenen Orient und deffen kunftfertigen Arbeitern, die im Strom
der germanifchen Völkerbewegung einherzogen und wabrfebein-
licb einen gewiffen Teil der gewerbefleißigen, diefer fonft nur
dem Kriegshandwerk ergebenen Erobererftämme bildeten oder
zumindeft einen ftarken Einfluß ausübten. Diefe Frage ift keines
wegs für die Beurteilung der Leiftungen in der Heimat gleich
gültig. Haupt fchließt fie in feinen Unterfuchungen aus. Er be»
febränkt fich auf die Feftftellung der Ergebniffe, foweit fie mit
germanifcher Gefchichte in jener Zeit zufammenbängen. Den Raffe
eigentümlichkeiten und territorialen Einflüffen mit ihrem Urgrund
von Volksüberlieferung zufolge ift das Werk in Sonderdarftel»
lungen nach den Stämmen gegliedert, wie Oftgoten, Langobarden,
Weftgoten, Vandalen. In der Behandlung des technologifcben
und ornamentalen Stils beruht die Arbeit auf den von Semper
vorgezeiebneten Grundlagen. Nicht nur für den Gefchicbtsfreund,
fondern vor allem für den Architekten und den Kunftgewerbler,
der fein Wiffen geiftig vertiefen will, ohne, erwarten zu wollen,
daß hier eine neue Vorlage für einen bewußt auszuübenden
Bauftil gegeben ift, wird das fehr empfehlenswerte Werk in
Betracht kommen müffen. a
TIROLISCHE SCHLÖSSER
MIT BILDERN
ine längft empfundene Lücke der tirolifcben Lokalforfcbung war das
gänzliche Fehlen eines Buches, welches in überficbtlicber Weife die
Gefchichte der fo zahlreichen Schlöffer und Ruinen des Landes fchildert.
Diefem Bedürfniffe fucht nun das Werk »TIROLISCHE SCHLÖSSER«,
deffen erftes Heft zur Ausgabe gelangt ift, in Wort und Bild zu ent-
fprechen. Wenngleich fich der Verfaffer des Textes, Herr KflSPflR
SCHWARZ, Kuftos-fldjunkt des Mufeums »Ferdinandeum«, durchaus nicht
verhehlt, daß mangels diesbezüglicher Monographien als auch infolge
der noch ausftändigen Durchforfchung der Privatarchive und angefichts
der noch ganz darniederliegenden tirolifchen Genealogie in diefer
Beziehung nichts flbgefchloffenes geboten werden kann, wird doch
diefe, wenn auch gedrängte und populär gehaltene Darftellung der
Gefchichte der einzelnen Schlöffer und Burgen des Landes eine wert
volle Bereicherung der hiftorifchen Literatur über Tirol bilden und fo»
wohl dem Gefchichtsforfcher und Burgenkundigen, wie auch dem wander
frohen Freunde diefes Gebirgslandes ein treuer Führer durch die Ver
gangenheit der Schlöffer fein. Der bekannte Hiftorienmaler FELICIEN
FREIHERR v. MYRBHCH bat das Werk mit zahlreichen Textilluftrationen
und vortrefflichen bunten Vollbildern gefcbmückt, die uns in meifter-
hafter Weife die Burgen in dem Rahmen ihrer herrlichen Gebirgsland»
febaft vorführen. Einige Bildproben aus dem vornehm ausgeftatteten
Band, der fich zu Gefchenkszwecken febr empfiehlt, fcbmücken diefes Heft.
Notiz. Mit diefem Heft Nr. 24 itellt die »Hobe Warte« nach vier-
jährigem Beftand ihr Erfcbeinen ein und tritt Herr Jofeph flug. Lux
□ von feiner Redaktionstätigkeit fomit zurück. □
R. Voigtländers Verlag, Leipzig □ Druck von Otto Regel, Leipzig
Für die Redaktion: Jofeph flug. Lux, Dresden-Blafewit)
□ Gefchäftsftelle für Öfterreich: □
Buchhandlung Carl von Hölzl, Wien 1/1, Opemgaffe 2
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