Internationale Sammler^eifunjj Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Norbert Ehrlich. 4. Jahrgang. Wien, 1. Dezember 1912. Nr. 23. Die Sammlung Gieldzinski. Vön 0. Cuny, königlicher Baurat (Danzig). In diesen von ihm erdachten Worten ist der ideale Teil des Lebenswerkes eines Mannes gegeben, der, in mitten rastlosen Handelsgetriebes, an der Eigenart Alt- clanziger Kunst zum begeisterten Sammler wurde. Am 10. Jänner 1830 als Sproß einer Kaufmannsfamilie geboren, die seit 1759 in Wloslawek in Russisch-Polen an- säßig war, nahm Lesser Gieldzinski um 1860 seinen Wohnsitz in Danzig, dem damaligen Hauptstapelplatz der russischen Getreideeinfuhr und der Versorgung Englands mit Brotkorn. Sein hier begründetes Handelshaus er wuchs bald zu großer Bliite; schon 1862 finden wir ihn in der Korporation der Kaufmannschaft, wo er ebenso wie an der Börse ein bekanntes Mitglied war. In dieser Umgebung, die zu der Zeit eine fast unausgeschöpfte Fülle köstlicher Erzeugnisse des Kunstgewerbes aus drei Jahrhunderten besaß, erwachte sein Sammeleifer nach einer Anregung seitens eines Freundes. Mit der Er werbung des Patrizierhauses Langgasse 29, welches im 17. Jahrhundert der Ratsfamilie Freder gehörte, war der stilechte Rahmen geschaffen, der seine mehr und mehr anwachsende Sammlung aufnahm. Sieben große Räume füllte er hier mit Kostbarkeiten, und er machte gern den liebenswürdigen Führer und Erklärer, wenn er bei dem Besucher Verständnis wahrnahm. Wiederholt empfing er den Besuch hochgestellter Personen. Kaiser W i 1 h e 1 m II. und die Kaiserin haben manche Stunde in dem einzigartigen Heime zuge bracht, welches die hochwertigen Erzeugnisse Altdanzi- ger Kunstfleißes in seltener Geschlossenheit der zeit lichen Folge vereinigte. Die ihm verliehenen hohen Aus zeichnungen galten nicht so sehr der verdienstvollen Sammlertätigkeit, als vielmehr der Förderung des Kunst verständnisses und seiner edlen Freigebigkeit, wenn es galt, Stätten der Kunst in Danzig, Denkmalbauten, wie die Marienturg, mit kennzeichnender Ausstattung zu be leben. Gieldzinski war eine interessante Persönlichkeit. Wenn es idealistische Lebensführung bedeutet, innerhalb der Grenzen seiner Tatkraft und seines Intellekts das höchste Ziel zu erreichen, so ist es ihm bei den 80 Jahren seines Lebens beschieden gewesen. ■»Der Alten Kunst, gar lang versteckt, Hab’ ich hier wieder aufgedeckt, Daß sie nun lacht in aller Pracht Und mir und andern Freude macht.« Gehen nun auch die Gegenstände der Sammlung in alle Welt hinaus, ihre Aufgabe in der Zeit ihrer räum lichen Geschlossenheit ist erfüllt; jedes einzelne Werk wird Zeugnis ablegen von den Bestrebungen seines einsti gen Besitzers und, soweit es bodenständiger Herkunft ist, von der Erfindungskraft und der Formenschönheit Altdanziger Gewerbefieißes. Mit der Machtstellung Danzigs um 1580 bis 1660 er fuhr die mittelalterliche Stadt eine durchgreifende Neuge staltung im Sinne einer prächtigen Renaissance. Der von 1583 bis 1617 währende überseeische Getreidehandel nach den Häfen Oberitaliens vermittelte den Danziger Kauf herren die Kenntnis einer Lebensführung, welche die Kultur der Renaissance, die Liebe zur Kunst verfeinerte. Das Ringen der Niederlande gegen die spanische Gewalt herrschaft trieb seit 1560 viele, die um ihres Glaubens Willen verfolgt und um ihren Erwerb gebracht waren, nach der in allen Ländern um das Ost- und Nordmeer berühmten Stadt, die ihnen eine sichere Zukunft und eine neue Heimat bot. Die zahlreichen Künstler unter ihnen fanden hier ein Schaffensgebiet, wie es kaum die alte Heimat geboten. In dem ständigen frischen Zuzug von Bildhauern, von keramischen Bildnern und von Malern, sowie in der gleichmäßigen Fortentwicklung des Kunstgewerbes in der vom Dreißigjährigen Kriege unberührten Staat ist die Ueberlegenheit der Kunsterzeugnisse Danzigs im 16. und 17. Jahrhundert in Norddeutschland begründet; dazu wirkten die vielfach aus Süddeutschland, aus den Nieder landen und aus Oberitalien eingeführten Gemälde, Möbel und Skultpuren anregend und veredelnd auf den Ge schmack. Der innere Ausbau des Bürgerhauses entwickelt sieh zu hoher Blüte. In kunstvoller Schreinerarbeit wird Voll endetes geleistet, reiche Schlosserarbeit an Türen und Gitter werk, mit figürlichen Darstellungen geschmückte, vielfarbig glasierte Oefen, gemalte Fensterverglasungen, kunstvoll gewebte oder in bemaltem Leder hergestellte. Wandbekleidungen vervollständigen das Raumbild des Patrizierhauses; die Erzeugnisse der Edelschmiedekunst,