Seite 194. Internationale Sammler-Zeitung, Hummer 13 Dinge des Hausrates, des Verkehrslebens erreichen mit der Zeit einen charakteristischen Wert, da formen und Inhalt fortwährend wechseln und immer etwas Charakteristisches für die Kulturtechnik und soziales Heben enthalten. ITloden und Bedürfnisse wechseln und wir achten auf das „Gewöhn liche“, das außer Gebrauch kommt, nicht mehr. Wir sehen, dal] ITlenschenwerke der Kunsttechnik, der Kunst in Zeiten des Verfalls der Zerstörung preisgegeben werden, während sie in geeigneten ITlomenten Bausteine neuer Crhebung und neuen Schaffens würden. Technische ITlodelle sind nicht nur für die Geschichte der Cnfwicklung uon Bedeutung: sie enthalten oft Gedanken, die wieder wertuoll werden. In der Wissenschaft, sowohl in der spekulatiuen, [ wie in der exakten, geht enorm oiel oerloren, da jede Generation fast nur Sinn für ihren Gedankenkreis hat und zahllose Ideen und Tatsachen oerloren gingen, wenn nicht Sammeleifer die Dokumente Zusammenhalten würde, wenn auch das momentane Interesse an dem Inhalte fehlte, für den Sammler besteht der Vorteil eines immer fortschrei tenden Verständnisses, eines gesammelten intellektuellen Interesses und des Genusses, den der Besiß des „Seltenen“ oder gar eines „Unikum“ gewährt, Das oielseitige Sammeln bietet die Gewähr des Er- haltenwerdens des Sammelwerten und der schliefjiichen Cinmündung in öffentliche Sammlungen zur allgemeinen Aufklärung und als material für ernste Studien. Dr. Ceo Feld (Wien), Ich denke, daß dem Sammeln oiele höchst wertoolle Kräfte innewohnen. Cs gibt dem ITlenschen, dem die Heere und Reizlosigkeit eines pflichtbeladenen Hebens alle freudig- keit nimmt, ein klein Stückchen Crde, das er nach seinem Sinne bestellen und pflegen kann, auf dem er zu sich selbst kommt, zu befriedigter Arbeit und freude, ein Stückchen Crde, auf dem er daheim ist. Sammeln ist oftmals gewiß nur ein Surrogat, aber ein edles und reines Surrogat, das den ITlenschen erfrischt, statt ihn zu betäuben. Cs gibt ihm ein Gefühl oon Kraft und Überlegenheit. Und der stille ITlensch, der seine Rosen okuliert, hat Stunden siegreicher freude, fast wie ein feldherr, der seine triumphierende fahne an sich oorbei- ziehen sieht. Dem bedeutenden ITlenschen aber gibt das Sammeln material und Kläglichkeiten zu großen Heistungen. Was ich selbst sammle? Erinnerungen. Sonst oor- läufig nichts. Aber auch das braucht Zeit und Glück. Franz Karl Ginzkey (Wien). Ob ich etwa sammle und wie ich darüber denke? Als Realschüler sammelte ich Briefmarken und schenkte eines Tages meine ganze Sammlung dem Bruder meiner flamme — ein sicheres Zeichen, daf] ich zum Sammler nicht geboren bin. Im übrigen halte ich das Sammeln für eine stille, heilsame Beschäftigung für Jeden, der Zeit dazu er übrigt. Das Sammeln ist ja hauptsächlich eine Heistung an Zeit. Ich selbst, der ich keinerlei Zeit habe, sammle nichts als Dienstjahre und Augenblicke, die wert sind, gelebt worden zu sein. Alexander Girardi (Bad Ischl). Ich habe eine sehr grof]e Sammlung persönlicher Crinnerungen; die bösen machen mir die guten noch wertooller. Ferdinand Gregori, Hofburgschauspieler, Professor und Inspektor an der Akademie für niusik und darstellende Kunst. (Wien. Wenn nur der ein Sammler genannt wird, der für eine Hiebhaberei morden und stehlen kann, der keine ruhige Stunde hat, bis er den höchsten Gegenstand seiner Sehnsucht errungen und nur mit neid auf die Schöße seiner ITlifsammler blickt, so bin ich ganz gemif] keiner. Ich habe Hunderte oon schönen und geschmacklosen Exlibris-Blättern und möchte gerne noch Tausende be sten, aber ich tue eigentlich nichts dazu. Ich lebe auf diesem Gebiete oon der Sammelwut der anderen, die, um mein Exlibris zu bekommen, mir das ihrige zusenden. So kostet meine hübsche Sammlung weder Geld noch Zeit noch lllühe. Sie oollsfändiger zu machen, wird Dielleicht die Aufgabe meines Alters sein; dann auch werde ich an eine sorgsame Gruppierung gehen können. Rachdem ich mir die zeitgenössische Hyrik in sehr reicher Ausdehnung angeschafft hatte, weil ich ein ooll- endetes kleines Gedicht inniger liebe als ein dilettantisches Drama, fing ich an, mir die lyrischen Schäße anzueignen, die in einer modernen Buchhandlung nicht käuflich sind: oerschollene Dichter zweiten Grades, wie Karl Beck, Solidaire, Daoid friedrich Strauf]. Die haben Redam, JTleyer, Hendel, Daberkow nicht neu und wohlfeil gedruckt. Die muf] man in Antiquariaten oder in alten Katalogen suchen. Das aber ist der Weg zu den Erstausgaben überhaupt. Es liegt ein großer Reiz in dem Besitze eines Buches, das seiner zeit nur in 76 Exemplaren oerkauft wurde — wie die anonym erschienene erste Sammlung der Annette non Droste-Hülshoff aus dem Jahre 1838 — und heute zu den Kostbarkeiten einer grofjen lyrischen Kultur gehört. Aber auch dabei bleibe ich gern ruhig und drücke den Arger nieder, wenn mir ein anderer das seltene Stück oor der IJase wegschnappt und mich nun dazu oerurteilt, das Zehn- und Zwanzigfache aufzuwenden, wenn ichs ihm wieder abspenstig machen will. Die Kataloge gehen einem zu, ohne dal] man sich darum bemüht, weil die Antiquare untereinander die Adressen der Bücherliebhaber austauschen. Kaufe ich bei dem einen, so unterrichtet mich auch der andere oon seinen Beständen. Sef]t man sich selbst eine bestimmte Summe aus, die man alljährlich auf Erstausgaben oerwenden kann, ohne daf] man sich ruiniert oder sichs am Heibe abdarbt, so lebt man ganz gut und behaglich als Sammler. Hat man außerdem eine glückliche Hand, bezahlt man nicht heute 100 IHark für Hölderlins Gedichte, die man morgen für 50 frcs. bekommt, so schafft man sich eine oorziig- liche Heimsparkasse, die den Rachkommen gute Zinsen trägt. Denn das Werk eines echten Dichters in erster Auflage wird für alle Zeit Wert behalten. Die wenigen Exemplare, die daoon existieren, können sich nie oermehren, wohl aber oermehren sich die Hiebhaber, die darnach jagen und treiben den Preis in die Höhe. Ein rechter Sammler bin ich dennoch nicht, weil ich nur dann eine Summe an ein Buch wage, wenn der Dichter die Summe wert ist. für ITlörikes Gedichte aus dem Jahre 1848 dreißig llJark auszugeben, dünkt mich kein Unsinn zu sein, ob ich dieselben Gedichte auch für zwanzig Pfennige haben kann; ich schätje ihn sogar noch oiel höher ein. Balduin Groller (Wien). Über das Sammeln denke und urteile ich mit ITlilde und bin nicht der JTleinung, daß man mit einem Achsel zucken darüber hinweggehen oder gleich nach JTlilderungs- oder gar Strafausschließungsgründen suchen müßte. Ver trete Dielmehr die Ansicht, daß jeder ITlensch sein Stecken pferd haben darf, ja haben soll. Sie, mein lieber und geehrter Herr Kollege, der Sie eine Sammlerzeitung heraus geben, Interessen zu oertreten und eine fahne hochzuhalten haben, — nebenbei: ich bin auch der JTleinung, daß jeder ITlensch irgend eine fahne hochhalten soll - Sie werden Dielleicht oerstimmt und in Ihren heiligsten Gefühlen gekränkt sein, daß ich da oom Steckenpferd rede, wo es sich nach