unj Zenfralblaff für Sammler, Oebhaber und Kunstfreunde. Herausgeber: Herbert ehrlich und J. Hans Prosl. 1. Jahrgang. Wien, 1. September 1909. Hummer 15. Die Brakteaten. Von Or. ferdinand friedensburg (Berlin).* eber die Brakteaten sind in früherer Zeit außer ordentlich oielc und seltsame fabeln oerbreitet geroesen: man kannte sich ihre Erscheinung nicht erklären, suchte ihre Vorbilder in den schüssel förmigen Hlünzen oon Byzanz oder dem Italien der leisten Karolinger und erblickte in ihrer Prägung ein Zeugnis für die Unfähigkeit der Eisenschneider des 12. Jahrhunderts. Ulan hat da coieder einmal den Wald oor lauter Bäumen nicht gesehen und sich selbst ein arges Armuts zeugnis ausgestellt: bei gehöriger Berücksichti gung der Zusammenhänge ist die Erscheinung leicht genug oerständlich. Der gegen Ende des 10. Jahrhunderts oornehmlich in den Harzgegenden, in IHeißen und roeiten Strichen Süd deutschlands einreißende Gebrauch, den Schrötling der münze zu oergrößern, ohne jedoch sein Gewicht zu er höhen, schuf jene überaus dünnen Stücke, deren Gepräge beiderseits durchgreifen, so daß oft keines oon ihnen, bestenfalls aber nur das eine sichtbar und kenntlich roird. Da mar es denn ein Fortschritt, daß man, um diesen Greuel zu oermeiden, übeihaupt nur mit einem Stempel prägte, man näherte sich damit einer Technik, die die Goldschmiede seit uralter Zeit oerroendeten, indem sie in Gefäße, Beschläge u. dgl. mittels Punzen oder umfänglichere Stempel Verzierungen eindrückten. Besonders roeit war man im Horden in dieser Kunst gekommen, roo die Gold schmiede schon in der Völkerroanderungszeit die sogenannten Schmuckbrakteaten fertigten. Dies sind bis zu 12 cm breite Goldbleche in form dünner münzen mit auf der einen Seite erhaben heroortretenden, auf der Rückseite oertieften Darstellungen, meist llachahmungen römischer Goldstücke, die als Beute ins Tand gekommen coaren, aber auch mit Bildern eigener Erfindung und in einheimischem Geschmack, die zroar noch nicht oöllig gedeutet sind, aber Beziehungen auf Odhin, sein Roß und seine Raben, auch auf Thor und seine Böcke erkennen lassen. Im felde er scheinen fast stets oerschiedene Zieraten, auch das heilige Sonnenzeichen kommt häufig oor. Das Ganze ist oft oon zahlreichen Rändern in oerschiedenster Ornamentik um geben, coie sie sich auch bei den römischen llledaillons antreffen ließen. Solche Schmuckbrakteaten mit schönen * Wir entnehmen diese Ausführungen dem eben erschienenen interessanten Werke „Die münze in der Kulturgeschichte“, Berlin 1909. Weidmannsche Buchhandlung. figürlichen Darstellungen und sauberen Inschriften besißen mir auch aus christlicher Zeit: bei Wallsfena auf Goth- land fand man ein Stück mit dem Bilde des Weltenrichters und der Aufschrift: „Majestas“, dahinter der Harne des Künstlers: „Oti me fecit“; eine Bronzeschüssel zeigt das 6V 2 cm große Brustbild eines Kaisers Otto in der uns oon den Siegeln her bekannten Umschrift: „Hierusalem visio pacis“. Ähnliche Zierscheiben sieht man an Kreuzen, Buchdeckeln und Reliquiaren. Den Hlünzen noch näher stehen zcoei bei Klein- Roscharden in Schlesroig gefundene Stücke mit dem Bilde des deutschen Königs Heinrich I., die nach dem Augenscheine als Getoandnadeln gedient haben; auch aus dem 11. Jahrhundert kennt man in derselben Technik her gestellte Erzeugnisse, die coie besonders groß ausgefallene Pfennige aussehen, aber ebenfalls hohl geprägt sind. Sehr rasch erkannte man die großen Vorteile der neuen Prägeroeise, die das ITUinzgeschäft um die Hälfte einfacher gestaltete und den Eisenschneidern zugleich ein größeres feld zur Verfügung stellte. In der Blütezeit messen die Brakteaten über 3V 2 cm., haben also Taler- bis fünfmarkstückgröße. Und die Künstler des 12. und 13. Jahrhunderts haben — das Zeugnis dürfen roir ihnen geben! — diese Gelegenheit zu mißen oerstanden und eine fülle köstlicher kleiner Kunstwerke geschaffen, die sich dem Besten, was ihre Zeit sonst auf irgend einem Gebiete geleistet hat, getrost an die Seite stellen können, auch wenn die offizielle Kunstgeschichte bisher oon ihnen keine Kenntnis zu nehmen beliebt hat. Die Brakteatenprägung oerbreitete sich rasch übef ganz Rorddeutschland, eroberte Hessen und Schwaben oon Ulm und Augsburg bis nach Zürich und Straßburg, und ließ nur die niederrheinischen Gebiete, sowie Bayern, franken und Österreich frei. Drei Candschaften haben die oollendetsten Erzeugnisse, das Größte, was die mittelalter liche Prägekunst überhaupt je geleistet hat, geschaffen, drei Tandschaften, eine jede zur selben Zeit ein IHittel- punkt der Geschichte und ein Schauplaß höchster Ent wicklung der Kultur. Voran steht der Harz, seit Otto dem Großen der Siß eines lebhaft betriebenen Bergbaues auf Silber, oon den mächtigen und reichen Kirchenfürsten oon ITlagdeburg, Halberstadt und Hildesheim nicht minder, wie oon den gefeierien Recken „Hinrik de Ceuw und Albrecht de Bar, darto frederik mit dem roten Haar“ und ihren troßigen und wilden Vasallen umworben und begehrt. Jm