Seite 330. Internationale Sammler-Zeitung. rtummer 21. €rst ooriges Jahr, als der ?Lirst Biechtensfein sein fünfzig jähriges Regierungsjubiläum feierte, hat Bode in einem Wiener Blatte recht eindringlich erzählt, daß er selbst in unseren Banden alle Sammler unter’m Pantoffel habe, dafj der fiirst nur dann ein roerfoolles Stück zu erwerben toage, roenn er, Bode, seinen Segen dazu gegeben; denn die hiesigen Beute, die gingen nur darauf aus, den reichen Sammler mit fälschungen hineinzulegen. Die Wiener Kunstfachleute schmiegen damals. 6s ist eine mißliche Sache, sich mit Beuten in so günstiger, un erschütterlicher Stellung und mit so glänzenden Beziehungen in einen Streit einzulassen. Vor der Öffentlichkeit behalten sie meist recht, denn sie haben auch die bessere Bunge und uerstehen die Vorteile besser, auf die es ankommt, niein Gott, roas hätte man Alles gegen diesen Unfehlbaren oorbringen können, roenn man dazu Bust gehabt hätte! Wie oft hat er ein Werk für echt erklärt, um einige Jahre nachher selbst zu widerrufen. Und umgekehrt. Aber man sagte einfach: er ist gewachsen, reifer geworden. Kein Weiser fällt uom Himmel. Roch oor ein paar Jahren er eignete sich der fall, dafj ein italienischer Bildhauer nach Berlin kam, das Kaiser friedrich-Kluseum besuchte und eine seiner Bronzen dort als Werk des 16. Jahrhunderts eingereiht fand. Cr ging geradewegs zu Bode, erzählte ihm, bewies ihm, dafj er diese Bronze oor zwei, drei Jahren oerfertigt hätte, — na, und da wurde das Ding aus dem ITluseum wieder entfernt. Damals ging es noch ohne großes Aufsehen, ohne Blamage. Diesmal freilich ist die Affäre ein wenig „happiger“. Bode hat sich in seinem Unfehlbarkeitsdünkel ein wenig zu weit oorgeroagt, „bahnlas liegt’s oor ihm, und eine niauer aus seinen eignen Taten baut sich auf, die ihm die Rückkehr türmend hemmt.“ — Und diesmal ist das Bachen on uns. da es ja kein Wiener Sammler roar, der das Geld für eine fälschung ausgab, kein Wiener fachmann, der den Ankauf oermitfelte. Bode mag in den letjten Wochen keine angenehmen Stunden oerbracht haben, als so ein Beweis nach dem andern an den Tag kam, als die Angriffe oan allen Seiten auf ihn hernieder hagelfen. Rur einer blieb ihm treu — August Scherl. Gr lieh allen Gnunziationen des in die Gnge getriebenen General-Direktors seine Blätter, und so werden drei bis oiermal hunderttausend Beute im deutschen Reiche und oielleicht auch bei uns glauben, dafj im Berliner UJuseum wirklich eine Wachsbüste oon Beonardo da Vinci steht. für den Kunstkenner bedurfte es nicht erst des noch lebenden IJJitarbeiters, Bukas Sohn, sowie der bei der Untersuchung der Büste herausgeholten englischen Zeitungen und der als fiillung uerroendeten geblümten Weste, um die schöne flora dem grofjen Renaissancemeister ab und einem Cmpire-Bildhauer zuzuschreiben. Als ich die Ab bildung in der „llluslrated Bondon lleros“ zum erstenmal erblickte, zu einer Zeit, da noch nirgends ein Zweifel an der Authentizität geäußert worden war, da erklärte ich sofort unter dem zwingenden Gindruck der Gesamthaltung einigen anwesenden Personen, daß diese Skulptur wohl in einzelnen Zügen an einige Werke Beonardo’s erinnere, als Ganzes jedoch zweifellos die Schöpfung eines unter dem klassizistischen Ginflufj stehenden Bildhauers oom Anfänge des 19. Jahrhunderts sei. Wer die Arbeiten Canooa's und französischer oder englischer Bildhauer der Gmpirezeit kennt, wird die Behandlung der Büste, die Ueigung des Kopfes, das Bächeln des HJundes, die antike Regelmäßigkeit der Züge sofort wieder erkennen und nicht erst einen Traktat Beonardo’s herbeizitieren! Der Bild hauer des Renaissance-Zeitalters kannte, selbst wo er unter dem direkten Ginflufj griechischer oder römischer Bildwerke stand, seine starke persönliche Gigenart nicht oerbergen, und man wird keine einzige figur, Büste, Reliefskulptur der Renaissance finden, die sich nicht in den Hauptzügen und der ornamentalen Behandlung rue- sentlich oon Werken der Antike unterscheidet. Wie oiel indioidueller und geheimnisooller ist das Bächeln der ITlonna Bisa! Das „Alädchen oon Bille“, das wegen der Bemalung und des ITlaferials zum Vergleich herangezogen wurde, — übrigens oermutüch auch später, dm 17. Jahr hundert geschaffen — könnte weder im Altertum noch im 19. Jahrhundert entstanden sein. Der erste entschei dende Gindruck der flarabüste also ließ sie als eine Arbeit aus der Zeit oon 1800 bis etwa 1840 erkennen. Und ich fügte meiner ITleinungsäuljerung die Worte bei: Da hat sich Bode wieder einmal ordentlich oergaloppiert. Und siehe da, nach kaum acht Tagen, kamen aus Gngland die unwiderleglichen Beweise für die Prooenienz der Büste. Der Sohn jenes Bildhauers Bukas lebte noch, er selbst hatte mit dem Vater das Wachs für diese Arbeit eingekauft, hatte an der Herstellung mitgeroirkt. Gs kamen Photographien des Hilfsmodells und anderer oerwandter Werke zu Tage, die den wenig bekannten Bukas als einen recht tüchtigen Künstler zeigten, als einen strengen Klas- sizisten aus der Schule Canooas. Gine Aufnahme zeigt den Alten im Kostüm des Hamlet, in der Hand hält er statt eines Totenschädels die Totenmaske Antonie Canooas. Andere Bilder geben kunstreiche Gruppen wieder, eine Kreuzab nahme z. B,, die überaus geschickt durchgeführt ist. Statt einer neuen Arbeit Beonardos hat die Kunstgeschichte also durch dieses famose Greignis einen neuen, oortrefflichen Bildhauer erhalten. Und den einzigen Zusammenhang mit Benardo erfuhr man jetjf auch: ein Gemälde oon einem Schüler dieses Kleisters hatte die Anregung zu dem Werke gegeben; ein Vorgang, der sich im Baute der Jahrhunderte oftmals wiederholt. — Am rätselhaftesten war übrigens bei der ganzen Affäre der hohe Preis. Zuerst sprach man oon 100.000 ITlark, dann oon 140.000, nun sind gar 160.000 festgestellt, Ja, um’s Himmelswillen, wenn die englischen Kunsthändler um Auktionatoren die Büste nicht für ein Werk Beonardos hielten, und sie nur mit 2000 mark bewerteten, warum mußte Bode den Großmütigen spielen und bloß deshalb, weil er saoiel oon dem Stücke hielt, eine solche Summe aus dem deutschen Staatssäckel dafür opfern?! Diesen Punkt hat Bode bisher nicht einmal aufzuklären oersucht. Gr schimpfte wohl in einer Zuschrift an die „Vossische Zeitung“ auf jene Berliner Händler, die Greco und Goya in die Höhe treiben; „aber noch seien Velasquez und Leo nardo geschaßt“, meinte er, und man müsse sie bezahlen! müsse—? Wenn der Verkäufer den Preis nicht oerlangt? Der Casus macht mich lachen. Doch die Preisfrage ist schließlich Sache der deutschen Richter, des deutschen Volkes. Direktor Bode hat schon mehrmals durch derartige Überzahlungen den Beuten Rätsel aufgegeben, für einen Rembran dt, „der Prediger Aaslo tröstet eine Witwe“, soll er 500.000 UJark bezahlt haben, während der Vorbesißer Bord Ashborn es für 54.000 fTlark erstanden hatte, für einen minderen Crioelli wurden 142.000 UJark bewilligt. Andere Stücke hat er wohl auch gelegentlich recht billig erworben. — Speziell ßode’s Art, Rem b ran dt zu sehen und zu bewerten, ist ganz sonder bar. Viele Bilder sind durch ihn zu Rembrandt’schen Chren gekommen, die ohne seine Jnteroention als Werke geringerer JAeister oder alte Kopien, ein wenig beachtetes Dasein gefristet hätten. Schon in dem großen Rembrandt-Werk Bode’s findet man mehrere solche minderwertige oder oer- dächtige Rembrandts. neben authentischen herrlichen Werken abgebildet und beschrieben; und wie die Beschreibung uns oerrät, stammen gerade diese Bilder alle aus den Beständen der Kunsthandlung Sedelmeyer in Paris, in deren Verlag Bode eben dieses Rembrandt-Werk herausgab. Solche Beobachtungen lassen unser Zutrauen in die Zuoerlässig- keit dieses Schiedsmannes gar sehr in’s Wanken geraten.