Seite 134. Internationale Sammler-Zeitung. Rümmer 9, Kolonien gefolgt. Als konkrete Solle werden Schiebungen mit ITladagaskar-marken angeführt. Der Vorgang ist geradezu raffiniert zu nennen und es dürfte nicht leicht sein, den Übelstand gründlich zu beseitigen. Die Herstellung der marken für die französischen Kolonien geschieht in Paris, in den Ateliers auf dem Bauleoard Brune. Die einzelnen Kolonialoerwaltungen haben die Bestellungen für ihre Alarken nach Klafjgabe des ooraussichtlichen Bedarfs an das Kolonialministerium zu richten, natürlich kann es oorkammen, daf] dieser Bedarf zu gering angeschlagen roird und einzelne Werte nergriffen sind, ehe nachbestellungen in Paris--effektuiert werden können. Siir diesen Sali ist Vorsorge getroffen. Durch ein Dekret des Cwuoerneurs sind die lokalen Postoermalfungen nämlich er mächtigt, marken zu „Überdrucken“, d. h. den ursprünglichen Wert der marke durch jenen Wert zu ersetjen, dessen man gerade bedarf. Auf dieses Dekret sind die ITlarkenspekulationen der Kolonial beamten aufgebauf. Die Herren machen die Ausnahme zur Regel. Sie richten ihre Bestellungen beim ITlinisterium so bescheiden ein, daß bald dieser, bald jener Wert ausgehen muß und jedenfalls früher erschöpft ist, als die neuen Sendungen zur Stelle sein können, inzwischen wird mit Hochdruck am „Überdruck“ gearbeitet. Das Resultat sind dann sogenannte Seltenheitswerte. Ganz kostspielige Raritäten werden aber nebenbei noch dadurch erzeugt, daf] einzelne Buchstaben beim Überdruck oermischt werden (id est Fehldruck). Auch außer Kurs gesellte Exemplare werden durch diesen Überdruck zu neuem, kurzen Heben erweckt und ihnen wenigstens für den Seltenheitssammler hoher Wert uerliehen. Dem „matin“ wurde jüngst eine Kollektion marken oon der Insel madagaskar oorgelegt, auf denen alle diese lukratioen Jrrtümer figurieren: Außer Kurs gesefjte Exemplare mit neuem Überdruck (lUarken oon Diego-Suarez), absichtliche Fehldrucke, (00,1 statt 0,01). Dank dieser kleinen „Korrektur“ notiert momentan eine marke, die am Postschalter mit 2 Eentimes oerkauft wird, mit fünfzehn Franks. Das Geschäft blüht und man braucht nicht erst zu oersichern, daß sich in den „Gewinn“ aus dieser nußbringenden Tätigkeit einige Beoorzugte teilen. Das zitierte Pariser Journal fügt seinen ITlitteilungen noch bei: Aus einer Enquete, die in dieser Angelegenheit ocranstalfct wurde, ging heroor, dafj auch die Behörden oon madagaskar aus dem „trrtume“ Vorteil zogen. Auf Veranlassung eines Richters überdruckte man mit 0,05 Eentimes eine Anzahl marken oon 30 Centimes braun aus madagaskar und Diego-Suarez. Auf das Konto eines anderen hohen Beamten ist es zu seßen, dal] einige Blocks marken mit 0,02 überdruckt wurden. So kassierten auf der großen afrikanischen Insel spekulatioe ITlenschen unerlaubte Bene- fizien ein, die sich auf 30.000 bis 40.000 Franks beliefen. Cremoneser Geigen. Im Rathause zu Genua wird eine kostbare Reliquie auf- bemahrf: die Geige, die Paganini in seinem Testament der Stadt geschenkt hat. Keinen Schal] hütet die Stadt eifersüchtiger als diesen und keinem ITlenschen war es, seif dem Tode des großen meistere, bisher oergönnt gewesen, die Saiten des Instrumentes zu rühren. Vor wenigen Wochen jedoch brachte man die Geige wieder unter die ITlenschen. Bronislaw Hubermann, der öster reichische Künstler, lief; sie um niitleid für die Unglücklichen singen, die das sizilianische Erdbeben um Hab und Gut gebracht hatte. Zu diesem hohen Zweck erlaubten die Stadtoäter oon Genua, daf] die Paganini-Geige oon eines meistere Händen gespielt werde. Es war eine groije, erhebende Feier, als man die Seele des toten Künstlers für die unglücklichen Überlebenden der Katastrophe bitten hörte. Diese in Genua oerwahrte Paganini-Geige ist übrigens, wie Tean Frollo im „Petit Parisien“ erzählt, nicht die einzige, die den grafjen Kleister überlebt hat. Vor nicht langer Zeit wurde in Chiaoari unter dem Gerümpel eines Dachbodens in Gesellschaft oon eigenhändigen Briefen und Kompositionen Paganinis eine Geige entdeckt, die dem Kleister gehört hat. Das Instrument befand sich in einem schlechten Zustande, die Saiten waren abgerissen, die Wände zerschunden und zerkraf]f. Aber an der Authentizität ihrer Zugehörigkeit besteht kein Zweifel. Klan sagt sogar, daf] dies dieselbe Geige sei, auf der Paganini eines seiner berühmtesten Braoourstiicke gespielt hatte. Als der Künstler eines Abends in den Konzertsaal trat, um sein D-moll-Konzert auszuführen, bemerkte er, dal] nur eine einzige Saite, die G-Saite, über das Instrument gespannt war. Die anderen drei Saiten hatten ihm neidische Widersacher abgeschnitfen. Kurz gefafjt, nahm Paganini das In strument unter das Kinn und führte das schwierige Konzert auf der einen Saite aus. Er spielte es mit solcher Vollendung, daf] das Publikum in Raserei geriet. Für diese Geige hafte ein lombardischer Edelmann 100.000 Franks geboten. KTan wird finden, daf] 100.000 Franks für eine Geige, selbst wenn sie Paganini gehört hat, ein hoher Preis ist. Aber diese Summe stellt nur eine Etappe in der Preisentwicklung oor, die die Cremoneser Geigen in den leßten fünfzig Jahren durch gemacht haben. KTan erinnert sich, daf] dem berühmten Geiger Eugene 9s ae im Dezember des oorigen Jahres in Petersburg eine Stradioarius gestohlen wurde, die zum mindesten auf 75.000 Franks geschäht war. Die Preise der Cremoneser Geigen sind noch immer im Steigen begriffen. Wenn ihr Erbauer Stradioarius, der seine Instrumente zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts zu oier Talern in Gold oerkauft hat, heute wieder auf die Erde käme, er wäre sehr erstaunt über den Wert, den man seinen Werken in unserer Gegenwart beimif]t. So wurde im Jahre 1884 eine Stradioarius in üizza oon einem Engländer um 20 000 Franks gekauft und einen KTonat später um 25.000 Franks weiteroerkauff. Ceudet erzählt, daf] eine echte Cremoneser oon einem Herrn Camoureux um 8000 Franks gekauft wurde, im Jahre 1877 um 15.000 Franks weiteroer kauft und im Jahre 1800 oon einem Herrn Orchard um 25.000 Franks erstanden wurde. Die Stradioarius „Ca pucelle“ wurde aus dem lTachlaf] eines Herrn Glandaz um 22.000 Franks oerkauff. Ein In strument aus dem Jahre 1722 erstand ein Engländer für 30.000 Franks. KT. de Cawrie erstand eine Stradioarius oom Violinisten Alard für 16.000 Franks und oerkauffe sie oier Wochen später für 20.000 Franks an einen Herrn Adams. Der eben genannte Alard, der aus dem Tlachlaß seines Schmiegeroafers die Stradioarius „ITlessias“, die im Jahre 1716 erbaut wurde, um 25.000 Franks gekauft hatte, oerkaufte sie im Jahre 1890 einem Sammler aus Edinburgh für 50.000 Franks. Im Pariser Konseroatorium werden zwei Cremoneser Geigen uermahrt, oon denen jede auf 100.000 Franks eingeschäfjt ist. Der lombardische Edelmann, der die in Chiaoari gefundene Paganini-Geige für 100.000 Franks kaufen wollte, hatte die Absicht, das Instrument oon Chemikern untersuchen zu lassen, damit das Geheimnis der Zusammensef]ung des Cackanstriches, mit dem die Cremoneser Geigen gedeckt sind, endlich gelöst werde. Dies scheint ein bizarres Unternehmen zu sein, hat aber seine guten Gründe. Denn der hohe Wert der Stradioarius-Geigen ist durch zwei ITTa- menfe bestimmt: durch den Cack, dessen Hersfellungsrezept uerloren gegangen ist, und durch die Qualität des Holzes, das zum Bau des Geigenkörpers oerwendet wurde. Die KTinderwertigkeit unserer heutigen Geigen ist ausschließlich auf die Unkenntnis dieser beiden