Hummer 15 Internationale Sammler-Zeitung. Seite 233 ihm ein oder die andere Erfahrung, die Resultate seines Überlegens bestätigen konnte. Der Fachmann cnird mit dem Verbrauche non Energie in einem oiel späteren Stadium einsetzen, toie er. Kann er ihn innerhalb der gegebenen Zeit erreichen? Wäre die Idee allein ausschlaggebend, a?ie der Taie zumeist glaubt, so könnte er ab und zu Russicht haben. Rber die meister hafte Gestaltung einer Idee gibt erst ein Kunstwerk, sie ist dasjenige, roas den Künstler oom £aien unterscheidet, der ja auch oft künstlerisch empfindet und Ideen hat, aber sie nicht ausführen kann. Innerhalb des gesetzten Termines wird der Spezialist fast immer das Beste leisten, jeder andere daher nur Zeit und Geld an einer Konkurrenz uerlieren, wenn er auch natürlich oiel dabei lernt. Gin ITlifjerfolg deprimiert ihn überdies off noch nachträglich bei der Rrbeit auf seinem eigenen felde. Während sich der Termin nicht umgehen läfjt, würde die Schwierigkeit des gegebenen Themas dadurch entfallen, dafj sich nur solche Künstler an einer Konkurrenz betei ligen, welche die jeweilig gegebene Aufgabe beherrschen; dies sind eben die Spezialisten des betreffenden faches und deren gibt es herzlich wenige in einem ganzen Tande, fine unter diesen, „beschränkte Konkurrenz“, hat in gewisser Hinsicht Berechtigung. Würde man aber einem derselben die Aufgabe übergeben, so würde man auf diesem geraden Wege sicher eine bedeutendere Arbeit bekommen, als auf dem Umwege einer Konkurrenzausschreibung, bei welcher die Bewerber meist mit einem nicht oollkommen ausge reiften Gntwurfe oor die Üffentlichkeii treten. Gs sollte oiel öfter als dies meist geschieht dem Künstler überlassen bleiben, Vorschläge zu machen über die Art eines Kunst werkes, welches aus einem bestimmten Anlasse gemacht werden soll; die Auswahl wieder ist Sache des Auftrag gebers. Ulan würde auf diese Weise oiel Geld für Preise, oiel eigene und öffentliche Aufregung, ersparen. Die Künst lerschaft eines Tandes ist, nach jedem allgemeinen Wett bewerbe um genau sooiel ärmer, als die aus diesem An lasse geleisteten Arbeiten Zeit und Geld gekostet haben; die allgemeine Schulung, welche eine Konkurrenz für die gesamte Künstlerschaft bedeutet, und Ginzelerfolge in langen Zeitabschnitten bieten keinen genügenden Gegenwert. Jede allgemeine Denkmalkonkurrenz kostet die Künstlerschaft mindestens 40.000 K, wenn sich nur 60 Künstler daran beteiligen. Die zwei oder drei Preise, im anscheinend hohen Betrage oon, sagen wir 6000, 4000 und 2000 K wiegen diesen Verlust nicht auf. \ ferner: Was is faktisch gut, nicht nur relatio; wer soll urteilen? Wer unterliegt nicht dem Ginflufj der Strömung oon heute, oon morgen, soweit, daij diese seine Ansichten nicht ändert, wer nicht dem, was ein anderer sagt? Dazu kommt noch die absichtliche oder unbewufjfe Parteilich leit des einzelnen, seine Stimmung, in der er heute anders empfindet als morgen und oor allem sein Beruf, die Grund lage für seine Anschauungen. Wer kann daher sagen, dafj nicht heute ein Kunstwerk angefachten wird, zu dem in hundert Jahren alle Welt pilgert? Dem einseitigen kurz sichtigen Urteil einzelner Personen, wenngleich der besten seiner Gpoche, soll sich der Künstler stets unterwerfen und einem Zufallspiel seine Arbeit und sein Geld opfern? Ja noch mehr. Durch die Art der heutigen Konkurrenzen werden systematisch die Künstler aufeinander gehetjt, nicht immer wird da mit den edelsten TAittcln gekämpft. Soll der Künstler zu allem Überfluß auch noch stets seinen Ruf in die Wagschale werfen? In der Kunst kann nur die oiel hundertjährige Kunstentwicklung urteilen, nie die kleine Epoche des Schaffenden selbst. Ulan steile sich nur oor, was aus TRichelangelos „Moses", an dem er 40 Jahre gearbeitet haben soll, ge worden wäre! Ob er ihn so je geschaffen hätte, märe eine Konkurrenz für eine ITlosessfatue ausgeschrieben worden? Wenn man ihm z. B. zugemutet hätte: „Das lAodell 1 : 10 ist an einem bestimmten Tage einzuliefern. Die Ausführung des naturgroljen UTodelles darf, sagen wir, — lange Zeit gegeben — 2 Jahre dauern, wieder 2 lahre später hat die Ausführung in Marmor fertig zu sein Die Jury besteht aus Dem, Dem und Dem.“ Hätte Michelangelo überhaupt aus dieser Idee, wenn s : e einem anderen entsprungen wäre, diesen lAoses machen können? Kann überhaupt je ein groljes Werk entstehen, wenn der Künstler die Idee eines anderen ausführl oder Gelegenheitskunst betreibt und sich um sein höchstes Gut bringen lägt, aus Begeisterung zu einer selbst gefafjten Idee zu schaffen? Wenn der Künstler seinem innern Drange folgend, nach der Gestaltung einer Idee ringt und tastet, die im Gelegen heit gibt, alles was er empfindet und was er kann, aus zudrücken, wenn sie endlich gefunden ist und erlösend und klar oor ihm steht, wenn er dann weiter im Taumel einer überglücklichen Stunde oder im tiefsten Schmerz, nachdem er oft und oft seine Idee im Kopfe herumgewälzt hat, endlich den ITliit findet, eine erste Skizze zu machen, wird diese nicht eine wunderbare Vereinigung seines Gm- pfindens und Könnens sein, eine förmliche Offenbarung? Wird er so nicht sein Bestes leisten? Wie ein Heiligtum aber wahrt er diese Skizze. Sie ist nicht für andere bestimmt, man könnte sie zu keiner Konkurrenz schicken, sie spricht nur für ihn. An sie klammern sich alle weiteren Ideen und grofjen Pläne zur Ausführung, bis er sie endlich soweit durchdacht hat, dafj er an die Aus führung schreiten kann. Kaum macht er noch eine zweite Skizze, er will sich die Aufgabe nicht oerkleinern. Gr will sich alle Überraschungen bewahren, die jedes einzelne Stadium der Arbeit mit sich bringt, zum neuen Ansporn, er will nicht Schritte, er will Sprünge oormärts machen, niemand aber soll das Werk im Gntstehen stören, niemand mit einem Wort nur, einer Bemerkung, seine Gmpfindungen entweihen. Gr selbst weifj, was er machen will und was seinem Werke noch fehlt, er selbst und sonst niemand. Sind nun Jahre, Dielleicht Jahrzehnte ernster Arbeit über seinem Werke oergangen, sind tausende oon Problemen, Stimmungen und Ideen daran in form umgesetjt, es stets oertiefend, oeroollkommend, steht es dann endlich fertig oor ihm, sein Kind, sein eigenes Ich, dann ist ein Kunst werk entstanden, oor dem der Beschauer tatsächlich wie oor einem Heiligtu me steht. Hat er es hundert und hundertmal gesehen, immer wieder zieht es ihn zu dem selben hin, das Bild der Grinnerung genügt ihm nicht. Solche Werke bereichern die Menschheit, oeredeln sie. Was ist gegen einen lAoses die ungezählte Menge der Denk mäler und sonstigen Plastiken unserer Zeiten, der Zeit der Konkurrenzen! Ist nicht schade, dafj sooiel Talent oergeudet wird? Können sich denn 60 Künstler auf Kommando an ein und derselben Aufgabe begeistern und ist es nichtsehr schwer zu erreichen, dafj das Werk des Besten darunter ein wirkliches Kunstwerk werde? Die letjten Konkurrenzen (geschrieben 1904) sprechen zur Genüge. Die wahre Kunst pflege ist die, dem Ginzeinen zu ermöglichen, dafj er seine Ideen ausführen und sich so oeroollkommnen kann. (Schluß folgt.)