Internationale $ammler2eifun0 Zenfralblatt für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde 2. Jahrgang. Herausgeber: Horbert ehrlich und J. Harts Prosl. Wien, 1. September 1910. Hummer 17. Das 5ammeln und die Denkmalpflege. Von michelangelo freiherrn oon Zois (Wien). ie moderne, oam Staate ausgehende Denkmal pflege hat den Zweck, die historischen und Kunst denkmale zu erhalten, zu erforschen, zu sichern und sie den kommenden Generationen, roie tuir sie oon den Altoordern übernommen haben, zu übergeben, als Beweis der Pietät, die wir ihnen entgegenbrachten und als ein stummes Ersuchen, dieselbe Rücksicht auch unseren Werken gegen über anzuwenden. Es ist ganz klar, dafj die staatliche Denkmalpflege nur den heroorragenden, oornehmlich unbeweglichen und den ganz be sonders wertoollen beweglichen Gegenständen ihr Augenmerk schenken kann irfid daß insbe- sonders der Prioatbesit3 sich ihrer Jngerenznahme fast ganz entzieht, da oon hunderten oon Fällen der Vernichtung oder Verschleuderung, bezw. oom Verkauf derselben in das Ausland kaum einer zur Kenntnis der Denkmalschußbehörden gelangt, sodafj sie keine Schritte einleifen kann. Da der Kompetenz der staatlichen Behörden auch nur die Objekte unterstehen, die über 60 Jahre alt sind, so müssen die Behörden in unzäh ligen Fällen auf die Initiatioe der Priüüten, der Sammler rechnen. Die Sammler haben sich auch den Dank der Denk malpflege redlich oerdient, Zu einer Zeit, da man in alten Gegenständen nur Gerümpel und arertloses Zeug sah, mit dem sich zu beschäftigen in den Ruf brachte, nicht ganz normal oder wenigstens ein Sonderling zu sein, durch stöberten sie alte Häuser, waren gut freund mit Trödlern, krochen auf Dachböden herum, sprachen bei Bauern, Renn eisenhändlern, Zinngiefjern, Gürtlern oor und haben manches heroorragende Denkmal, dessen Wert oielleicht erst jeßt ooll gewürdigt wird, oor dem Untergange gerettet und uns erhalten. Da gab es Tandpfarrer, die in der flöhe einer oerschollenen Siedlung ihren Amtssiß hatten und jedem Funde nachgingen, andere wieder, die zerlemperte ITlöbel sozusagen oom Ofen weg kauften und herrichten liefen, andere, die Heiligenstatuen, mit denen die Kinder spielten, erwarben usw. und uns so die Kläglichkeit gaben, das Bild der Vergangenheit, wie wir es jetjt kennen, zu schaffen, ln ihrer rastlosen Kleinarbeit haben sie Großes geleistet, erhalten ja manche Objekte erst in einer Sammlung, in der sie eine Tücke ausfüllen, sich als den Anfang oder das Ende einer Entwicklungsreihe erweisen, den richtigen Wert, respektioe können wir denselben erst da oöllig er fassen. Ein Glas ist ein Glas — wenn wir aber sehen, dafj oon diesem unscheinbaren Gefäße aus, nehmen wir an die neueren Werkstätten ihren Ursprung nehmen, so wird der rohe Becher, die Platte — was weif] ich — ein historisches Dokument ersten Ranges, oon gleichem Interesse für den Techniker, wie für den Kunstgeschichtler, den Kulturhistoriker, den ITationalökonomen Die Sammler haben also ein ungeheures Stück praktischer Denkmalpflege geleistet und leisten sie heute noch, wenngleich nicht geleugnet werden kann, daß es zwischen dem Sammeltriebe und der modernen Denkmalpflege leicht zu einem Konflikte kommen kann. Der Grund liegt darin, dafj sich die Anschauungen der Denkmalpflege und des Heimatschußes ganz wesentlich geändert haben, daß insbesonders letjterer ersteren stark beeinflußt hat und daß derzeit noch latent etwas drittes dazugekommen ist — der Gedanke an eine lTatianal- ökonomie der geistigen Güter. Wie die Denkmalpflege früher beschaffen war, bezw. oon welchen Prinzipien sie sich leiten ließ, braucht man hier wohl nicht zu erörtern. Es dürfte genügen, festzustellen, daß man Stilreinheit anstrebte, barocke Altäre aus den gotischen Kirchen entfernte, und sie, da man die Barocke kaum als eine Kunst betrachtete, oerkaufte oder oernichtete, daß man im Sinne der Alten ergänzte, und für die Bauernkunst, für die Heimat nicht oiel übrig hatte. Die moderne Denkmalpflege schäßt die Barocke ebenso hoch wie jede andere Kunstübung, sieht überall das historisch Gewordene, das zu erhalten ist, strebt daher in allererster Tinie die Erhaltung des gegenwärtigen Zustandes an, und oerurteilt prinzipiell Ergänzungen und Verschönerungen, wenn sie sich nicht als Erzeugnisse der Gegenwart er kennen lassen, da sie sonst mehr oder weniger gelungene Fälschungen sind. Sie oerurteilt jede historisierende Zu tat, wünscht, daß der historische Bestand gewahrt bleibe, und trachtet, gefährdete Objekte zu sichern und zu er halten. Wenn also heute ein Sammler sich für kirchliche Kunst interessiert, so wird er bald im Widerspruche zu den Bestrebungen der modernen Denkmalpflege stehen und in Konflikt mit den Behörden geraten, ein Konflikt, der sich noch oertiefen wird, wenn er etwa die Gegen stände wie einst „auf neu“ herrichten, ergänzen lassen wollte. Wie ein solcher Zusammenstoß enden würde, ist klar — der Sammler würde nicht eben berühmt abschneiden,