Zentralblatt für Sammler, Ciebhaber und Kunstfreunde Herausgeber: Herbert ehrlich und J. Hans Prosl. 2. Jahrgang. Wien, 15. Honember 1910. Hummer 22. moderne Rltertümer. Von Hmbros Erbstein (Weidlingau bei Wien). i;er Widerspruch in der Überschrift, daß es neue Altertümer gibt, kommt non der feichtgläubig- keit des Publikums und non der Anmaßung oieler uermögender feilte her, sich für Kunstkenner zu halten. Da diese feilte ihren guten Geschmack durch Ankauf non Werken berühmter und uralter ITleister beweisen mallen, entsteht eine sich mit der Zunahme der Wohlhabenheit mehrende flach- frage nach alten Kunstwerken, auf die die Ant wort in der form eines schlauen und entgegen kommenden Angebotes nicht ausbleibt. So ist der Handel mit in der Gegenwart gemachten Altertümern entstanden, der einen derartigen Aufschwung erreicht, daß fast in jeder Woche die lauten flüche eines Käufers zu hören sind, der für eine schwere Summe eine Antiquität erstanden hat, die aber alsbald als eine geschickte Flach- ahmung erkannt wurde. Die Anstrengungen des hinein gefallenen Käufers, den Handel rückgängig zu machen, haben meistens nur den Erfolg, neue Ausgaben zu oer- ursachen. Sehen mir uns einmal das einträgliche Geschäft mit Antiquitäten näher an. Es gibt da z. B. in florenz allein eine Ünzahl faden mit der bedeutsamen Aufschrift: Kunst werke und Antiquitäten, ln den Schaufenstern und im Innern dieser faden sind jahraus jahrein eine ITlenge alter tümlicher ITlöbelstücke jeder Art, Gemälde, Statuen und Waffen aufgesfapelt, non denen jedes Stück aus der Glanz zeit der italienischen Kunst stammen und das Werk eines berühmten flleisters sein soll. Obgleich nun diese Händler ein gutes Geschäft machen, nimmt ihr fager niemals ab, denn es kommt stets neue Ware nach. Das sollte doch den reichen feuten zu denken geben! Der schmungoolle Handel mit Antiquitäten ist keines wegs neu, er hat gewissermaßen immer bestanden. Weniger bekannt dürfte sein, daß die meisten Skarabäen und anderen ägyptischen Sachen, die in Alexandrien und Kairo oerkauft werden, in Birmingham und in Italien entstehen, wo große Werkstätten für ägyptische Altertümer sind, deren Erzeug nisse eingegraben und mit chemischen Bütteln älter als alt gemacht werden. Diese Dinge sind übrigens so geschickt gemacht, daß nicht nur faien, sondern auch Kenner auf den feim gehen, da derartige ägyptische Sachen fast in allen ITluseen zu finden sind, namentlich in solchen jüngeren Datums, denn dem Sammler unserer Tage ergeht es wie dem Dichter bei der Teilung der Erde. Daß das fälschen ägyptischer Altertümer überdies weit zurückreicht, geht daraus heruor, daß bereits die alten Griechen sich damit befaßten. Und im llüttelalter hat selbst der göttliche ITlichael Angela eine fälschung begangen. Wie heute wurde auch damals bloß das Alte geschäßt und gut bezahlt. Als ITlichael Angela als Jüngling den jugendlichen Herkules gemeißelt hatte, änderte er auf Anraten eines Händlers die färbe, brach kleine Stücke ab und grub die figur in die Erde ein und uermandelte so sein Werk in eine Antiquität. Rach dem Ausgraben wurde diese Statue als ein durch Zufall aufgefundenes, altes Kunstwerk zur Schau gestellt, und Kardinal Riario kaufte es als ein solches. Doch der Schwindel kam bald auf. nun legte sich der oorausblickende Kunst freund Cesare Borgia ins ITliftel: Er kaufte diese Statue an und ließ sie Rüchael Angelo einhändigen, der, als sein Ruhm als Bildhauer in aller munde war, sie um einen hohen Preis an den Herzog uon Urbino zum zweitenmale uerkaufte, aus dessen Sammlung sie sodann nach manig- fachen Wanderungen in die Galerie non Turin gelangte, wo sie noch heute ist. ln der Renaissance, wo wie heute alle Altertümer stark begehrt wurden, war das fälschen und Kopieren gang und gäbe und geschah nicht nur oon geschickten Handwerkern, sondern auch oon großen Künst lern. Als Raphael das Porträt feo X. an Cosimo di ITledici für einige Tage gesandt hatte, war dieser daoan so ent zückt, daß er den berühmten Andrea del Sarto beauftragte, es zu kopieren. Dieser machte seine Sache so oortrefflich, daß er selbst Giulio Romano, der einige Details an dem Original gemalt hatte, glauben machen konnte, die Kopie sei das Original. Und bis heute wird darüber gestritten, ab Cosimo das Original zurückgegeben habe, oder ob das in der Galerie oon Reapel hängende Bild feo X. die oon Andrea del Sarto gemachte Kopie sei. freilich, Sarto hat nicht in betrügerischer Absicht gehandelt. Er war selbst ein Künstler und der fähigste Rachahmer der ITleister der Renaissance. Seine Bilder schmücken unter anderen Romen mehrere große Galerien, doch diese falschmeldungen haben die Händler allein besorgt, ln Sarto lebte noch der Geist und die Seele der Renaissance, seine finger und sein Auge brachten spielend und durch eine Art Ataoismus Bilder zustande, wie sie fippi, Botticelli und ITlantegna gemalt hatten, und er Derkaufte diese Bilder für ein geringes Geld, ohne sich darum zu kümmern, was weiter mit ihnen geschah.