Ru mm er 7
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 103
Die 5rbmetterlingsinöustrie-
Einer der merkwürdigsten Handelszweige, der durch die
Sammlerleidenschaft ins Ecben gerufen wurde, und mit den Jahren
eine Bedeutung errungen hat, oon der der Eaie kaum eine Vor
stellung hat, ist der Schmetterlingshandel. Ein amerikanischer
Statistiker, der einen fesselnden Aufsaß über dies Thema im
„American ITlagazine“ ueröffentlicht, hat berechnet, dafj die ITlensch-
heit in den leßten 50 Jahren nicht weniger als rund 4 milliarden
mark für die Eiebhaberei ausgegeben hat, seltene Exemplare der
leichtbeschwingten farbigen Jnsektcn zu sammeln; mehr als
80 Ulillionen mark werden alljährlich non fanatischen Sammlern
für kostbare Schmetterlinge angelegt. Besonders in England hat
sich das Sammeln non Schmetterlingen zu einer Eeidenschaft ent
wickelt, der Unsummen geopfert werden; Sammler wie Walter
Rothschild sind jederzeit bereit, fabelhafte Preise für irgend ein
seltenes Exemplar zu bezahlen, das in der Sammlung noch fehlt,
für einen oenezuelanischen Flachtfalter, der außerordentlich selten
uorkommt, hal dieser berühmte Schmefterlmgssammlei oor einigen
Jahren mehr als 4000 ITlk. ausgegeben.
mit der wachsenden lTachfrage und dem wachsenden natur
wissenschaftlichen Interesse, das durch die Forschung und die
ITluseen gestützt wird, hat sich die Schmetterlingsjagd mit der Zeit
zu einer regelrechten Industrie entwickelt; die Schmetterlinge haben
ihren markt mit stets wechselnden Preisoerhälfnissen, in allen
Weltteilen sißen Händler, und in den entlegensten Erdteilen sind
die Vertreter dieser Industrie, die Schmetferlingsjäger, rastlos am
Werke, dem markte neue Ware zuzuführen.
Welche Bedeutung dieser Handel gewonnen hat, mag man
aus dem Umstand ermessen, daß in Costarica eine besondere
Eisenbahn in jene Walddistrikte gebaut morden ist, in denen die
Schmetterlingsjäger ihrer Arbeit obliegen. Der Haupthandelsplaß
ist Cond an, wo in regelmäßigen Zwischenräumen jährlich
wenigstens sechs - große Auktionen abgehalten werden. Es sind
natürlich nicht nur die Gelehrten, die den Schmetterling zum
Gegenstand ihres Spezialstudiums gemacht haben, die das Publi
kum dieser Auktionen bilden; die lllehrzahl seßt sich aus priuaten
Sammlern zusammen, die non der Schmetterlingsmanie ergriffen
sind und ohne wissenschaftlichen Ehrgeiz sammeln um des
Samme'ns willen. Sie sammeln Schmetterlinge wie andere Brief
marken, und ihr höchster Ehrgeiz ist, irgend ein „einzigartiges"
Exemplar für ihre Sammlung zu erwerben. Da kann man es er
leben, daß ein gewöhnlicher Zitronenfalter, der an sich gar keinen
lllarktmert hat, 400 ITlk. und mehr erzielt, weil irgend ein Zufall
der Tlatur seine Schwingen mit einem blauen Rand geschmückt
hat. Vor kurzem wurde für einen Schwalbenschwanz oon einem
Ciebhaber der märchenhafte Preis oon 5200 ITlk. bezahlt. Wo sich
der Sammlerehrgeiz mit so regem finanziellen Opfermut paart, ist
es nicht oerwunderlich, daß unternehmende Händler alljährlich
große Expeditionen ausrüsten, die in fernen Eändern auf seltene
Schmetterlinge Jagd machen. Kein Opfer ist zu schwer, keine
Gefahr zu groß, um den Wagemut dieser Schmetferlingsjäger
zurückzuhalten, die auf der Jagd nach den buntbeschwingten In
sekten mit dem gleichen Ehrgeiz in fieberdurchseuchte Sumpf
gegenden eindringen wie zu den schwindelnden Höhen unwegsamer
Bergketten,
Zwei ITlethaden haben sich herausgebildet, nach denen die
Schmetterlingsjagd betrieben wird. Die eine, die einfachere, oer
läßt sich auf den Zufall und auf das hieß; die andere aber geht
auf die Eigenarten der gesuchten Insekten ein und lockt sie mit
Ködern an Dr. William Schaus, wohl einer der bedeutendsten
Sammler, dem auch die Smithsonian Institution ihre prachtoolle
Sammlung oerdankt, erzählt, daß auf den Schmetterling nichts eine
so große Anziehungsk aft ausübt, wie irgend ein schlechter Geruch.
Huf seinen Wahrten durch JTlittelamerika hat Schaus diese Beob
achtung in der Praxis stets bestätigt gefunden. Der Geruch uon
faulenden fruchten pflegte oft in kurzer Zeit große mengen oon
Schmetterlingen anzulocken, die oordem nur in unerreichbarer Höhe
um die Baumkronen geflattert waren. Er pflegte Baumstämme mit
Bananenfleisch zu bestreichen; wenn dann nach kurzer Zeit die
fruchtmasse in fäulnis überging, wurde sie stets zu einem un
fehlbaren Eockmittel für Schmetterlinge, fasl jeder für die mensch
lichen Geruchsneroen peinliche Duft übt diese Anziehungskraft aus;
sogar mit faulenden fischen oder mit der abgezogenen Haut ge
schlachteter Tiere hat der Schmetterlingsjäger die besten Erfolge
erzielt. Ein anderer Insektenforscher und berühmter Sammler,
Prof. Hahnei, benußte getötete Exemplare einzelner Schmetterlings
arien als ein sicheres Eockmittel. nachdem der gefangene Schmetter
ling mit der Cyanidflasche getötet war, befestigte man ihn an
auffälliger Stelle an einem Baum oder Busch: fast immer flatter
ten dann die Schmetterlinge zu ihrem toten Kameraden herab und
gerieten so in den Bereich der ließe.
In lllitfelamerika, wo alljährlich oiele Schmetterlingsexpedi
tionen am Werke sind, haben die Eingeborenen eine einzigartige
Illefhode entwickelt: sie führen kleine Windbüchsen, bzw. Blas
rohre mit sich, mit denen sie eine bewundernswerte Treffsicher
heit entfalten, mit kleinen Kernen oder winzigen Pfeilen schießen
sie auf die Schmetterlinge, und fast immer sinkt das bunte
Wild betäubt zu Boden. Sogar auf den Geruch oon Zigarren
rauch reagieren die Schmetterlinge sehr stark und flattern
sofort herbei. Auch ihre lleugierde wird oon dem Jäger benußt,
um sie in das Verderben zu locken. Wenn der Schmetterlingsjäger
ganz ruhig steht, wird in den meisten fällen der Schmetterling
herbeiflattern, um das ungewohnte Wesen, das ihn in seiner Ab
geschiedenheit aufsucht, zu inspizieren. Der höchste Ehrgeiz des
Jägers gipfelt natürlich in dem Wunsche, das erste Exemplar
einer noch unbekannten Schmetterlingsart zu entdecken. Aber nicht
selten wird der Eaie, der ooll Stolz bei einer Eondoner Auktion
ein solches llooum der ilafurwissenschaft für schweres Geld er
steht, ein Opfers einer Gutgläubigkeit und seiner naturwissenschaft
lichen Unschuld, Denn auch in der Schmefterlingsindustrie fehlt es
nicht an findigen Köpfen, die eine fälscherkunst geschaffen haben.
Gewöhnliche Schmetterlinge werden durch ein kunstoolles Ver
fahren, das die fälscher sorgsam geheimhalten, anders gefärbt.
Dabei entstehen aft wunderoolle farbenkambinationen, der Kohl
weißling wird dann zur neuentdeckten exotischen Schmetterlingsart,
der Eaie zahlt Riesenpreise, um das kostbare Exemplar zu besißen,
und selbst der fachmann oermag erst bei sorgsamer, eingehender
Prüfung fesfzustellen, daß diese neue Art keine Schöpfung der
Elatur, sondern ein Werk geschickter ITlenschenhände ist.