Seite 232 Internationale SammIer-1eitung. Hummer 15 das bayrische rtatiandlmuseum u. a), als uielmehr in Deutsch- Oesterreich, wo außer in der Reichshaupfsfadt -- 001läufig überhaupt noch keine derartige Spezialsammlung größeren Stils uorhanden ist, die sich mit den obenerwähnten deutschen Samm lungen halbwegs messen könnte. Run gibt es aber gerade in Oesterreich noch ein weites, fruchtbares feld für solche Bestrebungen, ein Seid, das rationell zu bebauen für die berufenen Sektoren eine dankenswerte Auf gabe ist, auf dem aber bis uor gar nicht langer Zeit noch jeder nach Belieben schaltete und waltete. Wir meinen die reichen Schöße alter Volkskunst, die in den österreichischen Alpenländern, und namentlich in Thal zu finden sind. Säst müf3te man sagen: zu finden gewesen sind. Denn die schönsten Zeiten für die Anti quitätensammler- und Händler sind auch in Tirol schon längst Darüber. Was dazumal an mertoollen Stücken außer Tandes durch ganz Buropa und bis nach Amerika zerstreut wurde und oielfach leider auch in unberufene Hände kam, läßt sich heute kaum mehr feststellen. ITlan darf nur froh sein, dafj immerhin ein ansehnlicher Teil hieroon in deutsche öffentliche Sammlungen gelangte und solcherart noch in guter Hut geblieben ist. So meist z. B. das Germanische ITluseum in ITürnberg manches tirolisches Prachtstück auf. 6s hat lange gedauert, ehe man in Tirol zu der Erkenntnis gelangte, daß durch den seinerzeit betriebenen Großhandel mit alttirolischen Kunst- und Kulturdenkmälern das Tand nicht bloß in ideeller, sondern auch in nationalökonomischer Beziehung schließlich zu empfindlichem Schaden kommen mußte Grst als die warnenden Stimmen sich immer lauter erhoben, ging man daran sich durch geeignete ITlaßnahmen oor weiteren Verlusten Zuschüßen, in zwölfter Stunde. Diese Umkehr uollzog sich anfangs freilich in aller Stille, bis es einem kleinen Kreise einsichtsuoller, für die Sache ehrlich begeisterter männer unter führung des nunmehr oerstorbenen Prof. Tapper in Innsbruck gelang, die Oeffentlichkeit für den wohlerwogenen Plan zur Grrichtung eines eigenen Tiroler Volkskunstmuseums in Innsbruck mehr und mehr zu interressieren. Das war oor siebzehn Jahren Das Don allen Verständigen mit frepden begrüßte und nach Kräften unterstüßte Projekt nahm denn auch mit der immer wachsenden Zahl seiner freunde bald greifbarere formen an. Und fraß der großen Schmierigkeiten, die sich dem Unternehmen in den Weg stellten, kam aus den schüch ternen kleinen Anfängen nach und nach eine Sammlung zustande, die heute schon so groß ist, wie keine zweite ähnliche Spezial sammlung in ganz Oesterreich. Wenn man diese reichen Bestände an hochintcrressanten Erzeugnissen alttirolischer Volkskunst und bodenständigen Gcwerbefleißes aus allen Stilperioden, aus allen kulturellen Entwiklungssfadien, die Tirol durchzumachen hatte, überblickt, so darf man sich des gelungenen Grfolges dieser so spät begonnenen Sammeltätigkeit ehrlich freuen. Das neue ITluseum, das den Tlarnen „ITluseum für Tiroler Volkskunst und Gewerbe“ führen wird, besißt heute schon ca. 30 oollständig eingerichtete Stuben in Gotik, Renaissance, Barock, Zopfstil und bäuerlickcm Genre, nielleicht eine der weruollsfen Sammlungen dieser Art, die denn auch eine besondere Zierde des ITluseums bilden wird. Aus den übrigen Beständen seien hier nur die wichtigsten ermähnt: An Skulpturen sind neben alten Grab steinen, Votiubildern usm. auch eine menge interessanter Holz- skupturen uorhanden. Die Bisensammlung umfaßt Werkzeuge, Koch- und Küchengeräte, fenstergitter, Grabkreuze und dergleichen. Sehr reichhaltig ist die interessante Schlüsselsammlung, die so wohl kultur wie kunsthistorisch wertuolle Stücke aufweist, wie übrigens auch die Sammlung uon Bisenschlössern, Türbändern und Beschlägen. Bine Sqezialsammlung bilden die holzgeschnißten Karikaturen. Die Holztechuik ist durch wahre Prachtstücke non lllöbeln und die bekannte spezifisch tirolische Kerbschnitt-Technik durch schöne romanische, gotische Renaissance- Barock- und Ro koko-Skulpturen oertreten. Sehenswert wird ferner die große Zmnsammlung sein, ebenso die eigenartige Kollektion uon Glocken und Glockenriemen für Almoieh, Pferdegeschirren, Schellengeläuten Sensenscheiden und Weßsteinbehältern, die alle die alttirolische Kleinkunst besonders deutlich charakterisieren. Auch in der Krip- pensammiung befinden sich mehrere Krippen uon hohem Wert. Außer einer reichhaltigen Uhrensammlung sind auch noch große Bestände an Glasgemälden, ITliniaturen, alten Tiroler Porträten Trachtenbildern, Kostümen, Zunftgegenständen, ITlajoliken, Oefen, alten Textilien und Stickereien usw. usw. Dank einer großherzigen Stiftung eines Wiener Sammlers wird dem ITluseum seinerzeit noch eine sehr wertuolle Spezialsammlung alttirolischer Kunstge genstände und ITlöbel zufallen, und es wird an der Ausgestaltung der Sammlungen überhaupt rege meitergearbeitet. Beider sind diese reichen Bestände mit denen man jeßf schon ein großes Gebäude füllen könnte, derzeit erst prouisorisch untergebracht und daher der Oeffentlichkeit noch nicht zugänglich Gerade diese fülle an bereits uarhandenen Ausstellungsobjekten ist es nämlich, die die Cösung der Plaßfrage sehr erschwert. Ur sprünglich dachte inan an ein eigenes ITluseumsgebäude im Pa- uillonstil, für das der bekannte ITlünchener Architekt Professor 6. o. Seidl bereits ein Projekt ausgearbeitet hatte. Wegen der hohen Kosten eines solchen Baues aber kam man hieroon wieder ab. Bin anderer Plan: das „Goldene Dachl“-Gebäude für diesen Zweck umzubauen und zu adaptieren, mußte ebenfalls aus uerschiedenen zwingenden Gründen wieder fallengelassen werden. Bin drittes Projekt, das allgemeinen Beifall findet, wäre die Vereinigung des neuen ITluseums mit dem bereits bestehenden Tandesmuseum „ferdinandeum“. Dieser Plan ließe sich durch einen entsprechend großen Anbau an das alte ITluseumsgebäude auch unschwer ausführen. Abgesehen uon der günstigen Situation des Gebäudes mitten in der Stadt, böte eine solche Vereinigung den besonderen Vorteil, daß die große Anzahl uon heroorragenden Kunstgegenständen, die sich im Besiß des „ferdinandeums“ befinden, zusammen mit jenen des neuen Volkskunstmuseums ein noch uiel interessan teres, uollkommeneres Bild der Bntwicklung tirolischer Kunst und Kultur im Wandel der Zeiten geben würden. Ob es zur Verwirk lichung dieses Projektes kommen wird, läßt sich heute leider noch nicht bestimmt uoraussagen. Wie immer indes diese leßfe frage gelöst werden wird, eines ist heute schon gewiß : durch das neue Valkskunstmuseum in Innsbruck wird nicht nur der so eigenartigen alttirolischen Volks kunst ein würdiges, ehrenoolles Denkmal geseßt, sondern auch die leider noch immer erst langsam fortschreitende Bewegung er heblich gefördert werden, deren schönes, dankbares Ziel es ist, auch das große Publikum allmählich zu erziehen zur richtigen Un terscheidung zwischen Echtem und falschem und zur pietät- wie genußuollen Erkenntnis der künstlerischen und kulturellen Bedeu tung jener uieluerkannfen Schäße aus unserer Uruäter Tagen. Und darum ist die Gründung dieses ITluseums nicht bloß für das Tand Tirol, sondern auch für ganz Oesterreich und für das deutsche Volk überhaupt uon nicht zu unterschäßender Wichtigkeit. H. TI. reSH 0 P£sl