Seite 242 Hummer 16 Internationale Sammler-Zeitung. man darf dem Sammler in seinem edlen triebartigen Streben keine Grenzen setjen. Es ist nicht die Schwär merei für das Seltsame, Außergewöhnliche und Unent wickelte, das den Sammler in Akademieausstellungen und in die Ausstellungen der Allermadernsten führt; es ist oielmehr die große Sehnsucht des Entdeckens, die ihn oer- anlafjt, nicht die reife Ernte, sondern das junge Korn auf dem Halm zu erwerben. Der echte Kunstfreund wird demnach den Kultus der Frühperioden nicht den ITluseen überlassen, sondern er wird auch mit „derlei“ seine Räume schmücken, wirklich schmücken, nicht bloß füllen. Gerade auf diesem Felde eröffnet sich dem jungen Sammler ein großes, hoffnungsDolles Arbeitsgebiet. Wer Ölskizzen und Zeichnungen der jungen und allerjüngsten lllaler genau studiert und zu billigem Preise erwirbt, leistet in mehrfacher Beziehung eine gute Sache, ln Österreich, in Deutschland, in Frankreich und England wimmelt es nur so non jungen JTlalern, eine 5ü 11 e der Werdenden drängt sich unserem Auge entgegen und in dieser Fülle sind auch die werdenden Größen enthalten. Wenn wir Skizzen und Zeichnungen junger lllaler kaufen, schlichten wir die bitterste Hot und oerdienen wir gar wohl den Ehrennamen oon llläcenen. So sind die großen Sammlungen oon Blättern eines Rudolf oon Alf in Wien entstanden; so hat ein in Wien lebender, mit bescheidenen Illitteln arbeitender Sammler eine einzig schöne Kollektion oon Schindlers gewonnen, ln ähnlicher Weise, wenn auch mit bedeutenderen Illitteln und mit einem ungewöhnlichen Kunstgeschmacke, ist z. B. die Schackgalerie in JTtünchen entstanden. Der lllann, der den jungen JAakart nach Venedig geschickt hat und ihm Kopieraufgaben übertrug, war ein Kunstfreund ersten Ranges, war ein Kenner und ein Gönner, der mehr geleistet hat, als so mancher Kunstforscher. Aus dieser Skizze ergibt sich die Eehre, wenn man will die llloral des Sammlers, die werdenden Kunstbe strebungen gar wohl im Auge zu behalten und durch Er werbung non Gemälden und Skizzen der allerjüngsten lllaler, zumeist auch der allermodernsten, die grolle Kunst zu fördern und sich selbst zu beglücken und zu bereichern. Kleinodien au5 Großmutters 5rhmuckkästlein. Von Jose? Hugusr C u x. Unsere lAütter und Großmütter besagen noch einen Schmuckschat], der den Adel einer hohen bis in die graue Vorzeit zurückzureichenden Ahnenschaft trägt. Es war Gold schmiedekunst, die in ihren wesentlichen technischen lAerkmalen so alt war wie das Handwerk überhaupt. Was die Jahrhunderte hinzufügen konnten, waren kleine unwesentliche Verbesserungen oder Formänderungen, die jeweils oon dem Geschmack und Stil einer Zeit bestimmt waren. Wie oerstanden doch die Frauen und lllädchen noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ihre Kleinodien zu tragen ! Ein feiner Anhauch des klassischen Geistes, der aus Etrurien, Griechenland und Ägypten kam und Boticellis Geist inspirierte, ruhte auch noch auf den Kleinodien unserer Großmütter, diesen Familienerbstücken und kam oon da in die Porträts und llliniafuren jener Zeit, die mit einer unoerlöschlichen Eebendigkeit auf un sere späten Enkel wirkte. Wir neigen uns oor der Grazie, dem edlen Anstand, der Würde und der Besißfreude je ner Frauen und lAädchen, die strenge Hüterinnen einer aus großen Kulturepochen stammenden, höfisch oerfeiner- ten und bürgerlich gewordenen Tradition waren. Was wir heute so krampfhaft und mit nicht immer gewissen Er folgen suchen, persönliche Kulturformen, die der oeredelte Ausdruck unseres Zeitgeistes sind, hatten unsere Vor fahren zu Goethes Zeiten im oollen maße. Solche Porträts standen als Gnadenquellen über der Schwelle unserer Jugen'd. Wohl dem, für den sie nicht oersiegt sind und der aus ihnen die Kraft und Zuoersicht gewann, die in diesem Heben dazu gehört, das Gute um sich zu oersam meln und das Schlechte abzustoßen. Jn den überlieferten Sckmuckstiicken und sonstigen Reliquien ihres großen Staates lebte die Großmutter als fortmirkende Persönlich keit auch unter uns, obzwar die Kinder sie nicht gekannt haben, llur ihr Bildnis war da, eine große stattliche Dame mit schwarzen Haaren, die in der ITlitte gescheitelt waren und in schönem Schwung tief in die Schläfe hinein zogen. Das laoendelblaue Seidenkleid war tief ausgeschnit ten, sie trug ein feines Spißentuch darüber. Um den edlen Hals lief eine neunfache Perlenschnur, oorn mit einer großen Goldbrosche zusammengehalten. Sie trug große, aber ungemein fein gearbeitete Ohrgehänge der Zwan zigerjahre, in den Haaren einen Steckkamm mit Goldfili granarbeit und eine ebenso gearbeitete Gürtelschnalle, die das Kleid und die Taille hielt. Die zierlich aus oielen Details kunstooll aufgebauten Ringe trugen die schönen Halbedelsteine, die damals noch so beliebt waren, Topas, Amethyst und Ehrysopras, Dann waren kleinere Bildnisse da, Zeichnungen, Pastelle, JTliniafuren aus früheren Jahren, daran die breitbehandelten Halsketten und sehr aparte Anhänger sichtbar waren mit der goldenen Inschrift, die wie ein Eiebesbrief wirkten : „Soul ii vous“. Wonach die Kunst sich heute sehnt und was ihr zum Gedeihen fehlt, besaß jene Vergangenheit, auf die wir zärtlich zurückblicken, reichlich genug, die ästhetische Freude an gediegenen schönen Teistungen. Es muß damals ein großes Vergnügen gewesen sein, Goldschmied zu sein, noch mar der Halbedelstein in künstlerischen Ehren, man liebte seine Farbe und Teuchtkraft, man wendete ihn in möglichst breiter Auslegung an, wußte ihn flach zu schnei den und den Absichten des Künstlers in jeder Art dienst bar zu machen. Die Handarbeit war noch nicht in Verruf, sie war geschäßt und nach Gebühr bezahlt. Der Wert des Schmuckes bestand keineswegs allein in seinem materiel len Gehalt, er wurde nach der künstlerischen Form beur teilt und der heute fast auf nichts reduzierte Fassonwert stand damals hoch im Kurs. Demgemäß wurde auch das Edelmetall behandelt. Gold und Silber besißt köstliche ITlaterialeigenschaften, aus denen die besten Ideen ge schöpft wurden. Das llJaterial ist weich, biegsam, dehn bar, unoermüsflich, oon edlem Glanz, man suchte und fand Formen, durch die diese Eigenschaften in ein hohes Eicht geseßt wurden. Anstatt das llJaterial zu oergewaltigen, wie es in den fliedergangszeiten oft geschieht, ließ sich der Künstler durch den Stoff und das Werkzeug inspirie ren und kam auf diese Weise zu den sinnoollsten Ge bilden. Die ITlaschine hatte sich der Sache noch nicht be- j mächtigt, die heute dem Gold und Silber oft das Anse-