Zentralblatt für Sammler, Ciebhaber und Kunstfreunde Herausgeber: Herbert ehrlich und J. Hans Prosl. 3. Jahrgang. Wien, 1. Dezember 1911. Hummer 23. Die ßilöersrhätze im Prager UJalösteinpalais. Von rlugust Strobel (Prag). er Waldsteinpalast auf der Kleinseife ist ein Wahrzeichen Prags, das kaum ein fremder un- besichtigt läfjf. Zu oiel ereignisschroerer Gr- innerungen sind mit dem ungeheuren Gebäude verbunden, das mit seinen hundertoierzig Zimmern und dem prachtuollen Park ganz die riesenhaften JTlafje spiegelt, in denen sein Er bauer Wallenstein alles, roas sein Geist er griff, gestaltete, ln der Tat kommt dem Palast auch kunstgeschichtlich hohe Bedeutung zu und so sind denn auch die gutartig dimensionierte salla terrena, die trotzig prunkende fassade und der durch zroei Stockroerke gehende Riesenfest saal allgemein berühmt und besichtigt genug. Allein roie toenige oon den oielen neugierigen Besuchern des Palais, die der Hausoermalter in ziemlich schnellem Tempo durch diese zugänglichen Räume geleitet, ahnen, dal] hinter den verschlossenen Türen, die in die bemohnten Prioatgemächer führen, kostbare Schätze der Jllalerei, des Kunstgeroerbes und der Kulturgeschichte bewahrt merden, die nur des Besitzers und seiner intimen Gäste Augen erfreuen. Ulan kann überhaupt sagen, dafj sich die breite Öffentlichkeit gar keine Vorstellung daoon macht, roas für Unmengen oon Bildern, möbeln und Bijous der Kleinkunst in den Schlössern und Palästen unseres immer kunstsinnig geroesenen Adels aufgestapelt liegen. Von Geschlecht zu Geschlecht oererbt und uermelirt, natürlich niemals ver- äufjert, zu kostbar, um ohne roeiters rieuanschaffungen Platj zu machen, zu gediegen im material, um freiroillig den Weg alles Irdischen zu gehen, oerstellen diese ge schnitten Tische, eingelegten Truhen, breit vorkragenden Schränke, bettgrofjen Tehnsessel und Diplomatensekretäre ooller Geheimfächer nicht nur in allen Zimmern, auch in Vorzimmern und Gängen die Wände. Was aber enthalten sie erst in ihrem Innern! Ich sah einmal in zroei solchen rouchtigen Kredenzen unscheinbar versteckt ein echtes altes chinesisches Seroice oon dreihundert Tellern, die dort nie mals beniitt verstaubten, indes die mächtigen Schüsseln dazu sämtliche vier Wände des Zimmers als Wandschmuck deckten. Bilder, JTliniaturen, Porzellanplastiken sind natür lich in diesem JTlilieu Selbstverständlichkeiten, fast jedes Palais beherbergt überdies nach hunderten von Stücken zählende riebhabersammlungen, bald von Spazierstöcken, bald von Uhren, von ITleerschaumpfeifen oder Waffen, j Schäle, die sich häufig fast von selbst angesammelt haben, i vererbt und immer neu vermehrt durch freundschaftliche Geschenke, die nur das Beste vom Guten darbieten roollten. Ulan roiirde sich angesichts dieser Besitztümer — roeniger darüber roundern, dafj der Adel im allgemeinen ein nur mäfjiger förderer der modernen Kunst ist, und vielmehr verstehen, roie roeder unser Kunstgeroerbe noch unsere Architektur eigentlich nach dem Geschmack der grand- seigneuralen Herren oon einst sein können. Das Prager Waldsteinpalais ist unter diesen feudalen Schatzkammern geroifj eine der reichsten. Ulan darf ruhig sagen, dafj nicht einmal der Besitzer alles kennt, roas er besitzt: rourde doch erst jüngst in einem der ent legeneren Teile des Dachbodens, dessen Ausdehnung man sich nach dem Ausmafz der verbauten fläche vorstellen kann, eine alte, verstaubte und sehr scheuere Kiste ent deckt, die sich schroer öffnen liefj. Als es endlich gelang, enthielt sie die Kacheln für einen vollständigen echten Renaissanceofen mit herrlichen Glasuren, dessen Vorhanden sein niemand ahnte und der jet]t das Gegenstück zu einem bereits stehenden ähnlichen Ofen mit wundervollen Wappen- fliefjen bilden roird. Gin Zimmer des Palais ist derart mit alten Waffen und Rüstungen tapeziert, dafz sie so ar auf der Zimmerdecke ein dichtes Ornament bilden; dabei setzte ein Wiener fachmann, der die Bestände untersuchte, ein einzelnes Jagdgeroehr, allerdings ein Unikum aus der Wallensteinzeit, auf dreifjigtausend Kronen. Gin Spiegel schrank im Arbeitszimmer des Besitzers enthält eine köst liche Sammlung alter Glfenbeinschnitjereien, ein Vorrat oon Renaissancekeramik in Bierkrügen, ausreichend für die Vitrine eines ITluseums, funkelt unbeachtet aus einer Gcke. Gin Saal ist ganz mit herrlichen Gobelins ausgekleidet; ein Glasschrank birgt als entzückendes Spielzeug vier voll ständig eingerichtete historische Puppenzimmer aus der Barockzeit. Welche Cockung für einen fachmann, einmal all dies zu ordnen und zu klassifizieren 1 Uns soll indes hier nichts Kunstgeroerbliches be schäftigen, und selbst auf die historisch interessanten Stücke, die aus dem direkten Besitz Wallensfeins hier bewahrt roerden, Sattel und Sporen, Degen, Spitzenkragen etc. roollen roir zunächst nicht eingehen. HJan kann diese Dinge in den eigentlichen Wallensteinzimmern des Palais finden, die heute auch niemandem mehr gezeigt roerden, obwohl sie durch ihre Deckenmalereien und den reichen Stuckdekor sehenswert sind. Hier existiert auch noch Wallensteins