Seite 148 Nr. 10 Internationale Großmeister des Witzes, Humors und Satyre, den un übertroffenen Volksdichter Johann Nestroy auf eine ihm eigene, aber unverantwortliche Weise zu tadeln. Wenn das nicht Neid ist, nähmlich daß Nestroy in Humor und Satyre den »Humoristen« bei weitem übertrifft, so kann es nur der Banquerott des letzten Spaßmachers genannt oder als Ironie betrachtet werden. Ist beides nicht der Pall, so müßte es gelogen sein, und man könnte fragen: Wer kann von Saphir ein christliches Urtheil erwarten? Aber das köstlichste an der Sache ist, daß das Publikum, das gebildete Wiener Publikum, das frei und demo kratisch gesinnte Publikum, doch in Massen zu Nestroy zieht; — die köstlichste Rache, die Publikum und Nestroy an den schwarzgelben Neidhammel nehmen kann.« In den weiteren Ausführungen lobhudelt das Flug blatt Nestroy in einer Weise, die wohl vermuten läßt, daß er selbst der Sache nicht ferne stand und das spätere Witzwort Dingelstedts antizipierte: »Sie ahnen nicht, wie viel Lob ich vertragen kann.« Wir zitieren nur einen Satz: »Ein Monument dem braven Nestroy! Er würde es eher verdienen als andere, deren Haupt mit dem Lorbcerkranze geschmückt wurde. Er vermacht dem Volke seine Liebe, eine Lehre!« Ein starkes Stück als Pamphletist gegen Saphir leistete sich auch Rema y, Regisseur am Stadttheater in Baden, der am 14. August 1848 ein mit vollem Namen untcrzeichnetes Flugblatt, gedruckt bei Franz Edlen von Schrnid, gegen ihn veröffentlichte. Den Anlaß bot ein Extempore Remays auf dem Theater in der Badener Arena. Er sagte im »Verwunschenen Prinzen«: »Was, ein Friseur, und keine Arbeit? Er soll Zöpfe ab- schneiden, da hat er zu tun genug! Besonders sind die Riesenzöpfe des Herrn Ebersberg, Endlich, Landsteiner und Raudnitz zur Kassation reif!« Die genannten vier Journalisten und Schriftsteller gehörten der konservativ- klerikalen Richtung an, und waren damals unter die best gehaßten Männer Wiens zu zählen. Saphir sendete einen Nationalgardisten, Mandl, zu Remay, um ihn zur Rede zu stellen und ihm mit dem Einsperren und mit Insulten zu drohen, wenn er es wagen sollte, in den Park zu gehen. Dies gab den Anlaß zu dem Flugblatte, das folgen den Titel führt: »Man dreht den M a n t e 1 na c h de m W i n d, oder der große Herr Saphir, als Schildknappe der berühmten Herren Ebersberg, Endlich, Landsteiner und Raudnitz, oder die ersten Waffenthaten eines Badner Nationalgardisten als Polizeimann engagiert — wahrscheinlich bei Herrn Saphir - un-d genannt Herr (?) Han dl junior. Charaktergemälde in Abteilungen, welche noch nicht bestimmt anzugeben sind. Verfaßt von E. Remay, Opfer des Schildknappen und Polizeimanns. Die Scene beginnt in der Badner Arena und endet im Parke, während welcher kurzen Frist der Schildknappe verschiedene Farben und Mäntel produ- zirte, es läßt sich daraus entnehmen wie viele Farben er bereits'getragen und wie oft er die Mäntel in seiner Lebenszeit gedreht.« Der Text des Pamphletes beginnt wie folgt: »Ritter Don Quixote von La Mancha warb sich bekanntlich einen Bauer Sancho Pansa als Schildknappen, der, mit einem Vorrathssacke ausgerüstet und einem Mäntelchen von Sammler-Zeitung. [ verschiedenen Farben behängt, hoch zu Esel, dein Ritter von der traurigen Gestalt nachfolgen mußte. Was thut Herr Saphir in Baden? der liberale, demokratische oder bloß scheinende (?) für Constitution und Freiheit kämpfende (?) Saphir!! Er trat freiwillig (???) als Schildknappe für das Kleeblatt: Ebersberg, Endlicher, Landsteiner und Raudnitz in die Schranken — und soll sogar geäußert haben - (Hört!) »Wenn der Name so würdiger um die Freiheit verdienstvoller Männer nicht geschont wird, wohin soll es noch kommen.« Das ist Satyre, wird ganz Wien ausrufen! Doch ich glaube es ist bittere Wahr heit, denn die weiteren Belege dafür wird wohl die Fortsetzung liefern. Doch was W u n d e r, seit der 12. August vorüber ist — muß man sein Mäntelchen nach allen Seiten drehen, es scheint für eine g e- wisse Partei ein günstigerer Wind zu gehen, also muß man sich ihr freundschaftlich nähern, um im Falle des günstigen Windes sich ihr gänzlich anschließen zu können. Warum soll man auch nicht eine Lanze für Jemanden brechen, welchem man vor einigen Tagen eine Katzenmusik votirte?!« Remay erzählt dann den Sachverhalt und den darauffolgenden Streit mit Saphir, und fügt hinzu: »Als ich weg war, soll der große Saphir sich geäußert haben: »Lassen Sie die Sache fallen, meine Herren, es ist ja nicht der Mühe werth, wegen einem Schauspieler!« »freilich nur Herr Saphir und sein Anhang und auch die Herren E. R. L. E. dürfen die Freiheit genießen, alles Bestehende, was ihnen nicht gefällt, anzugreifen. Herr Saphir nennt in seinen Vorlesungen beliebige Namen von Männern, er schreibt über wen er Lust hat, die Herren Endlich, Ebersberg, Raudnitz und Land steiner entblöden sicli nicht, über unser jetziges freisinniges Ministerin m, welches alles Vertrauen besitzt, zu raisonieren, den geehrten Herrn Professor F ä s t e r zu verdächtigen, den S i c h e r h c i t s a u s s c b u ß, dem wir a 11 e s d a n k e n, mit Plakaten zu beschimpfen; allein Herr Saphir und sein Polizei mann Handl — meinen jetzt, nach dem 12. August — dürfe ein Schau spieler über solche Herrn nichts vom Zopfstutzen sage n.« »Auch ein gewaltiger Zopfheld — ein gewisser K a r s c h i n oponirte und lärmte gegen mich. — So viel für jetzt — vielleicht folgt noch etwas nach.« Man sieht; die wildbewegte Stimmung der ersten, leider sehr kurzen Freiheitsepoche machte von der Preß- und Zensurfreiheit einen schrankenlosen Gebrauch auch mißliebigen Personen gegenüber. So groß auch das Sündenregister Saphirs sein mochte, eines ist doch zu betonen: er hatte seine Angriffe stets mit seinem Namen gedeckt. Auf dem Gebiete der Pamphletenliteratur aber erstanden ihm anonyme Gegner, die sich zwar an ihm revanchierten, ihm aber die Chance einer Revanche vorenthielten. Die Reminiszenzen, die in unseren Auszügen aus den uns vorliegenden Blättern an die stürmische Zeit des 48er-Jahres sich anknüpfen, geben uns freilich nur einige karge Striche zu den Charakter zeichnungen bekannter Figuren, sie gestatten aber doch einen Schluß auf die Leidenschaftlichkeit, mit welcher nicht nur die Meinungen und Parteirichtungen, sondern auch ihre Träger bekämpft wurden.