Seite 178 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 12 35 nicht gestört werden (ich wiederhole, man muß sie als Lebewesen empfinden können, und als solche sehr vornehmer und sensibler Art) und der Beschauer kann sich dem Genüsse ungeteilt hingeben. Denselben Grundsätzen entsprechend, muß dieser Raum so eingerichtet, gegliedert, entworfen und gebaut sein, daß die Gemälde, und nur diese, zur größtmöglichen Wirkung kommen, und daß der Beschauer in der mög lichst günstigen Lage ist, sie genießen zu können. Es werden also nicht etwa in einem Riesenraume je hundert Bilder an einer Wand hängen, .wie im 16. Jahrhundert in einer holländischen Galerie (heute hängt man kaum zehn mehr an eine Wand, weder in einer öffentlichen, noch in einer privaten Galerie, noch in einer Gemäldeausstellung, selbst nicht im Glaspalast — nicht wahr?), es werden auch nicht an einer Riesenwand nur vier Bilder hängen, wie heute in der Reformausstellung der Wiener Sezes sion, sondern der betreffende Raum wird in einzelne, kleinere Kojen gegliedert, und an die Wände dieser Kojen wird nur ein einziges, höchstens zw r ei oder drei Gemälde gehängt. Und die Wand ist nicht etw r a riesen haft, auch nicht in der Höhe, so wie in jener Sezessions stellung, wo die Bilder zwar nicht übereinanderhingen, sondern nur nebeneinander, wo aber dafür der immense freie Raum der Wand zwischen Bild und Decke störend wirkte und das Gemälde selbst, wenn es klein war, sich auf der großen Wand verlor. Der ganze Raum darf und soll w r ohl hoch sein — nebenbei bemerkt, die Pavillon anlage mit Oberlicht ist die beste — aber die Größe der Wand der einzelnen Koje muß einigermaßen im Verhältnis zu der Größe des Bildes stehen, und dies läßt sich dadurch erreichen, daß man Stoffe baldachin artig vom Oberlichtfenster so Weit, hinunter zur Wand führt, daß diese die passende Größe erhält. Handelt es sich um besonders kleine Gemälde, so kann man sie an einer Zwischenwand, frei in den Raum gestellt, auf hängen. Für die Dekoration dieser Kojen und dieses ganzen Raumes (Galerie, Gemäldesalon, Pinakothek, Haus galerie, Privatmuseum) gilt der Grundsatz, daß alles, was den Blick anzieht und von den Gemälden abzieht, zu vermeiden ist, daß Luxus lediglich mit den Ruhe sitzen getrieben wird, derart, daß möglichst bequeme und behagliche Fauteuils, Stühle, Diwans und Liege kissen aufgestellt werden. Der zweite Häuptgrundsatz muß der sein, daß alle lebhaften Farben vermieden werden, die nur geeignet wären, den Farbeneindruck der Gemälde zu beein flussen, daß also vielmehr möglichst neutrale Farben ge wählt werden. Und nun komme ich noch einmal auf die Frage zu rück, wie man dem abhelfen könne, daß ein Gemälde, also in gewisser Beziehung ein sakraler Gegenstand, dem profanen Auge zu jeder profanen Gelegenheit bloßge stellt wird, also zum Beispiel auf der Staffelei im Salon, obwohl er hier schon bis zu einem gewissen Grade der profanen Umgebung entzogen ist. Vermeiden läßt sich dies in sehr einfacher Weise dadurch, daß das Gemälde mit einem dunklen Vorhang versehen wird, wie man es an Altarbildern hie und da sieht, und daß der Vorhang eben nur dann zurückgezogen wird, w r enn man das Bild sehen will. Sehen heißt dann nicht nur so viel, wie wahrnehmen, bemerken, sondern so viel wie anblicken, betrachten, sich versenken und sich vergessen. Dann erwacht das Bild gewissermaßen zum Leben, es tritt lebend vor uns hin und läßt sich seine Reverenz machen, wie eine Fürstin oder eine Heilige: Wie bist du meine Königin . . . Dann erst bringen wir es zu Kunstgenuß, Kunstpflege, Kunstkultus, und dann erst haben wir Freude am Genuß. Und wie geweiht und zugleich er hoben und beseligt treten wir aus dem Kunsttempel oder zurück von der Staffelei, wenn der Vorhang sich wieder schließt. Der Vorhang kann dabei sehr wohl aus kostbarstem Stoff, schwerem Samt, Atlas oder Brokat bestehen, denn er verhüllt das Allerheilige, und zugleich wird er alsdann eine willkommene Dekoration für die Zeit, wenn er das Bild abschließt, bilden. Diese Einrichtung empfiehlt sich auch für Museen und auch noch aus einem anderen Grunde. Es wird heute viel über echte und unechte Farben geschrieben und gesprochen. Das Nachdunkeln der Gemälde ist eine seit langen Zeiten bekannte Tatsache. Daß Farben, auch abgesehen vom Nachdunkeln, sich im Lichte verändern, ist eine neuerliche Beobachtung. Aus allen diesen Gründen ist es eine fast selbstverständliche Forderung, daß ein Farbenbild vor dem Lichte, als seinem gefähr lichsten Feind, dem Mörder seines Lebens, w r enn man so sagen darf, und wenn es auch dem Lichte sein Leben erst verdankt, geschützt wird, daß der Zutritt des »farbenmordenden« Lichtes nur dann gestattet wird, wenn das Bild wirklich genossen wird. Und ist es nicht eine ganz unverantwortliche Nachlässigkeit, um nicht zu sagen, Gewissenlosigkeit, daß man einen jungen oder schon alten Gemäldeschatz dem Genüsse der Nachwelt dadurch entzieht, daß man das Bild von früh bis abends dem Lichte aussetzt, gleichgiltig, ob jemand da ist, der das Bild eines Blickes würdigt? Mir kommt, es immer so vor, als wüßten es die Gemälde, die da von den Wänden herabschauen, und als litten sie darunter, als zehre das Licht an ihnen und sauge ihnen ihr Blut aus. Denn so und nicht anders verhält es sich in der Tat, wie jeder Chemiker heute zugeben muß. Wir müssen also ganz formell die unabweisbare Forderung stellen, daß künftig jede Galerie ihre Bilder mit dunklen Vor hängen versehe, die nur während der Besuchsstunden zurückgezogen werden. Und jeder Privatbesitzer, dem seine Gemälde lieb sind, und der nicht maßlose Ver schwendung mit seinen Gemäldeschätzen treiben will, wird gerne und freiwillig dasselbe tun. Heute kann mau beobachten, daß hie und da sogar dem Sonnenstrahl der Zutritt zu einem neuen oder alten Gemälde nicht ver wehrt wird, gleich als ob man einem Menschen das Messer in die Brust stoßen wolle. Früher hat man ja freilich diese gefährlichen Eigenschaften des Lichtes nicht gekannt oder nicht beachtet. Heute aber kennen wir sie Heute haben wir auch schon schmerzliche Erfahrungen gemacht, heute ist es Pflicht, die Gemälde vor dem direkten und indirekten Sonnenlicht zu schützen — der Dienst, den wir der Kunst zu leisten haben, wird dadurch nur gewinnen, wir werden die Kunst mehr achten und zugleich mehr genießen.