Nr. 14
I n t c r 11 a t i onale Sammler-Zeitung.
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der die verdiente Strafe für seine Auflehnung empfängt. Zwei
allegorische Figuren, ein »guter« und ein »böser« Geist, flüstern
dem Feldherrn unausgesetzt ihre Ratschläge zu. Der Genius
Austriacus und die Germania erscheinen ebenso auf dem Theater
zettel wie die latinisierten Namen der historischen Persönlich
keiten, so Terseka, Kinskius, Ilous, Neumannus, Piccolominius
Butlerus u. s. w. Die Frmordung Wallensteins beim Gastmahle
geht irn fünften Akt auf offener Szene vor sich. Jedenfalls dürfte
Schiller von diesem seinem frühesten Vorläufer nichts gewußt
haben.
(Eine J u d a i c a - S a m in 1 u n g in Washington.)
Wie man uns mitteilt, hat die Direktion der großen nationalen
Kongreßbibliothek in Washingto n verfügt, daß eine eigene
ausgedehnte Abteilung für jüdische Literatur und Geschichte er
richtet werde. Der Staat hat dafür die über 10.000 Bände zählende
Judaica-Privatbücherei des bekannten Schriftstellers und Reisen
den Ephraim Deinhardt (jetzt in Ailington wohnhaft) ange
kauft. Diese umfaßt das gesamte Gebiet der jüdischen Literatur
und aller ihrer Fächer und dürfte wohl nur in der Judaica- und
Ilebraica-Abteiiuug, welche die Frankfurter Stadtbibliothek be
sitzt. ihresgleichen haben. Die in den verschiedensten Sprachen
gedruckten Werke stammen in der Mehrzahl aus dem Orient
und repräsentieren zürn großen Teil einen hohen Wert.
(Neue L e s s i n g f u n d e.) Ueber neue .' essingfunde be
richtete in der letzten Sitzung der königl. bayerischen Akademie
der Wissenschaften Prof. Franz Muncker. Wir lesen darüber
in den »Münchener Neuesten Nachrichten«: Die zahlreichen
Randbemerkungen Lessings in seinem vor einigen Jahren wieder
aufgefundenen Handexemplar von Jodlers »Oclehrteniexikon«.
meistens recht undeutlich gekritzelt und oft durch späteres Be
schneiden der Bände verstümmelt, erweisen besser als alles,
was wir bisher von seinen Schriften kannten, die unheimliche
Büchergelehrsamkeit, über die er schon in jungen Jahren (etwa
um 1752) verfügte, und das ungewöhnlich lebhafte Interesse,
das er den kleinsten Einzelheiten der Gelehrtengeschichte zu
wandte. Fast ausschließlich handelt cs sich dabei nur um Hin
weise auf fremde Schriften der aiierverschiedensten Art, und
tim kürzere oder längere Zitate aus ihnen, nicht um eigene, geistig
bedeutende Einfälle, w ie sie bei der beabsichtigten späteren Aus
arbeitung der kurzen Bemerkungen sicherlich nicht gefehlt
hätten Unter den Schriften aber, denen Lessing seine Berichti
gungen und Zusätze von Jöcher entnahm, stehen die großen
bibliographischen Nachschlagewerke voran; dazu kommen viele
geschichtkche, philologische, ästhetische, philosophische und
theologische, aber auch geographische, medizinische und juristi
sche Kompendien und Einzeluntersuchungen, spätantike Werke
und die großen Bricfsammlungen der letzten Jahrhunderte. Und
zwar kannte der junge Autor auch die entlegeneren Spezial
schriften solcher Art meistens aus genauem, selbständig-systema
tischem Studium, nicht etwa nur aus gelegentlichen Erwähnungen,
die er zufällig in allgemeiner bekannten Nachschlagewerken ge
funden hatte. Von sonstigen Schriftstücken Lessings, die erst in
den letzten Monaten wieder ans Ucht kamen, ist eine schon
1794 gedruckte, bisher aber stets übersehene Aeußerung über
schwärmerische Liebesgedichte junger Poeten hervorzuheben,
deren phantastisch erträumter Leidenschaft Lessing sehr charak
teristisch die wahre Empfindung des wirklichen Lebens gegen
überstellt, eine Aeußerung, die vielleicht gegen Nachahmer Klop-
stocks, vielleicht aber auch gegen Erscheinungen der Werther-
zeit gerichtet ist. Nicht minder merkwürdig nach Ton und Inhalt
ist ein jüngst von Dr. Reinhard Buchwald in Leipzig ent
deckter herber Absagebrief an die Witwe des Philologen
Reis k e, mit dem Lessing, tief verletzt durch ein augenschein
lich heftiges und taktloses Schreiben der bisherigen Freundin, am
18. Dezember 1777 die ihm seit einigen Jahren anvertrauten
Handschriften Reiskes zurückschickte.
(Eine gefälschte Ausgabe von Shake
speares »Sommernachtstrau m«.) Aus München
wird uns geschrieben: In der abgelaufenen Woche wurde hier ein
planmäßig organisierter Altertumsschvvindel versucht, den zweifel
los Personen ins Werk setzten, die sich mit der gewerbsmäßigen
Herstellung und dem Vertrieb gefälschter wertvoller Werke be
fassen. Ein hiesiger Antiquar erhielt kürzlich aus Berlin ein mit
»Samuel Turner aus Magdeburg« unterfertigtes Angebot, in
dem ihm eine Ausgabe von Shakespeares »A Midsommer
nights dream« vom Jahre 1601 zum Kauf angetragen wurde. Ein
Kaufpreis war nicht genannt. Nach einigen Tagen erschien nun
der angebliche Turner selbst beim Antiquar und legte ihm das
Buch, das im Falle der Echtheit einen hohen Wert besitzen
würde, weil bisher eine Ausgabe vom »Sommernachtstraum«
aus dem Jahre 1601 nicht bekannt ist — die Originalausgabe aus
jener Zeit stammt aus dem Jahre 1600 — zur Besichtigung und
zum Kaufe vor. Er forderte keine bestimmte Summe, sondern
wollte nur die grundsätzliche Geneigtheit des Antiquars, das Buch
zu kaufen, wissen. Von dem Antiquar über die Herkunft des
Buches befragt, erklärte der Besitzer des Buches, daß dieses aus
dem Nachlaß seiner in Magdeburg verstorbenen Mutter, die je
doch einen anderen Namen, als er, geführt habe, stamme. Gleich
zeitig legte er dem Antiquar das Zeugnis eines Leipziger Sach
verständigen vor, in dem zwar nicht die Echtheit des Buches,
wohl aber seine Vollständigkeit und sein gut erhaltener Zustand
bestätigt, wird. Nach kurzer Durchsicht erkannte der Antiquar,
daß das Buch eine Fälschung sei, hergestellt auf chemischem
Wege, irn sogenannten anastatischen Neudruck. Das Papier ist
zwar älteren Ursprunges, besitzt aber bei weitem nicht das an
gegebene Alter. Einzelne Seiten des Buches sind schlecht, andere
wieder ganz täuschend ähnlich hergestellt. Der Antiquar erklärte
dem Manne, daß dieser ihn mit einer Fälschung betrügen wolle
und wies ihn ab. Der angebliche Turner spielte den Gekränkten
und betonte, daß er am nächsten Tage um 5 Uhr abends wieder
kommen werde, worauf er sich unter Zurücklassung des Buches
entfernte. Seit dieser Zeit ist er spurlos verschwunden. Die Po
lizei nahm das Buch in Beschlag und leitete sofort Erhebungen
ein, die ergaben, daß sämtliche Angaben des Mannes falsch
waren. Bisher konnte die Identität des Schwindlers nicht festge
stellt werden. Das Buch wurde dem Leipziger Sachverständigen,
dessen Zeugnis der Mann vorgelcgt hatte, gesandt, um zu er
mitteln, ob es das begutachtete Werk ist. Die Polizei vermutet,
daß es sich um eine Schwindlergruppe handelt, die die Fälschung
jedenfalls in mehreren Exemplaren hergesteltt hat und auch in an
deren Städten den Betrug versuchen wird. Von dem angeblichen
Turner gibt der Antiquar folgende Personalbeschreibung: 45 bis
46 Jahre alt, übermittelgroß, mittlerer Statur, gelbe blasse Ge
sichtsfarbe, scharf geschnittene, etwas gebogene Nase (Adler
nase), dunkelblonde; grau melierte Haare, Glatze, blonden
Schnurrbart mit langen Spitzen, dunkle, abgetragene Kleidung,
Gehrock oder Schwalbenschwanzrock und steifen schwarzen
Hut. Er trug einen Stock mit doppelseitiger Beinkrücke und eine
kleine Ganzleinwandtasche bei sieh.
Bilder.
(Verkauf der Steengracht-Galerie.) Der Ver
kauf der größten holländischen Pnvatgemäldesammlung, der alt
berühmten Steengracht-Galerie, steht bevor. Der Be
sitzer der Sammlung, die eine der Hauptsehenswürdigkeiten
Hollands bildete, Jonkheer Steengracht, ist vor kurzem
gestorben, und nun naht auch das Ende dieser wundervollen
Kollektion, die eine Reihe weitbekannter Hauptwerke der Ma
lerei enthielt, so R e ni b r a n d t s »Bathseba«, Brouwers
Meisterwerk, »Die Raucher«, Tcrborchs »Toilette«, Metsus
■•Krankes Kind«, wohl die interessanteste Leistung dieses Meisters,
und Jan Steens »Wie die Alten sungen«, das bedeutendste
Bild dieses Künstlers in Holland. Dazu kommen noch T e n i e r s’
»Sieben Werke der Barmherzigkeit«, Hobbemas große »Land
schaft mit der Wassermühle« und hervorragende Stücke von
D o u, Pieter de Hooch, Adriaen van O s t a d e, Nicolas
M a e s und vielen anderen. Der Wert der Bilder dieser Samm-