Seite 236 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 15/16 Sammler und Sammlungen auf tabakologischem Gebiete. Von Dr. Eduard Maria Schranka (Wien). II.*) Die freundliche Aufnahme, die mein erster Artikel über dieses Thema in Nr. 10 der »Internationalen Sammler- Zeitung« gefunden, sowie die Aufforderung des Heraus gebers veranlassen mich, das begonnene Thema eingehen der zu behandeln. Nach mehr als vierzigjährigen Vor studien zu einem großen Werke über den Tabak, das ich, so Gott will, meinem bekannten »Buche vom Bier« gerne an die Seite stellen möchte, habe ich auf diesem inter essanten Gebiete der Kulturgeschichte so viel Material gesammelt und zusammengetragen, daß ich bereits im stande war, die scheinbar sprödesten Themen — ich er innere nur an meinen Vortrag »Der Tabak und die Re ligion«, gehalten am 19. April 1910 im Vereine der Kon zeptsbeamten der k. k. Generaldirektion der Tabakregie - möglich zu machen und literarisch zu fixieren. Schon die Tabakpflanze allein bietet dem wissen schaftlichen Sammler Gelegenheit zu aparten Kollektionen. Zur Zeit der so unvergeßlich schönen philosophischen Stu dien, da ich, nachdem ich mich auch auf den anderen ! drei Fakultäten umgesehen, doch wieder zur ersten Wissensflamme zurückkehrte und immer mit Vorliebe be sonders Botanik kultivierte, besaß ich im botanischen Garten der Prager Universität von Smichow meine eigenen Tabakplantagen. Doch Scherz beiseite: Mit Bewilligung des mir freundschaftlich wohlwollenden Direktors des botanischen Gartens, des Staatsrates und Professors der Botanik, des mir unvergeßlichen lieben Dr. Moritz W i 11- k o m m, wurde mir ein Beet zu meinen Studien cinge- räumt. Ich ließ mir aus Erfurt verschiedene Samen kom men und unter Anleitung des botanisch ebenfalls sehr geschulten Obergärtners Tatar besaß ich bald eine Sammlung von 36 Sorten der Nicotianeen. Ich bedaure heute noch, daß ich mir damals — es spielt gegen Ende der Siebzigerjahre des vorigen Jahr- i hunderts kein spezielles Herbarium meiner Nicotianeen- sammlung angelegt habe. Später, viel später nun, ich habe mein Lieblings- thema nie aus den Augen gelassen, erfuhr ich von Doktor Karl Preißecker, Finanzrat der k. k. Generaldirektion der Tabakregic, dem Botanologen des Tabakes, daß auch er mit Bewilligung des Hofrates Dr. Kerner von M a- rilaun im Jahre 1894 im botanischen Garten der Wiener Universität ebenfalls zwei große Felder für den Anbau von 105 verschiedenen Nicotianaarten und Varietäten zur Verfügung hatte, ferner auch eine andere Auslese mit Be willigung des Generaldirektors Dr. Kempf Edlen von Harten ka m p f im dritten Hofe des alten Generaldirek- tionsgebäudes in den Jahren 1901 bis 1903 züchten durfte. Das sind lebende tabakologische Sammlungen, wäh rend in den Herbarien die bleibenden wissenschaftlichen Dokumente niedergelegt sind. Großartig müssen auch die Kollektionen an dem tabakologischen Fachinstitut in Scafati in Italien sein, wo sich besonders O. Com es, dem wir die »Monographie du genre Nicotiana« ver danken, verdienstlich gemacht. Auch L. Ang'eloni, der sich mit der Hybridität (Kreuzung) des Tabakes eingehend befaßte und neue Varietäten, zum Beispiel die halbtro pische Type »Italia« schuf, ist hier zu nennen. Endlich ist auch A. Splendore, der sich bei der Ausstellung in Mailand mit einem photographischen Album eingestellt, das Lichtbilder einer großen Anzahl von Tabaksamen arten und Varietäten enthielt, anzuführen, und der eine *) Siehe Nr. 10 der »Internationalen Sammler-Zeitung«. Reproduktion dieses Albums in seiner morphologischen Studie »Sinoni descrittiva et iconographia dei semi del genere Nicotiana« im Boll. tecn. della colt. dei tab. Sca fati V (1906, Nr. 4—5) niederlegte. Eine bloße Ergänzung der Arbeiten Comes nennt Dr. Preißecker die Abhandlung Anastarias: »Le varietä tipiche della Nicotiana Ta- bacurri L.«, in seiner vorzüglichen und übersichtlichen Systematik der Gattung Nicotiana. Jeder Sammler, wenn er wissenschaftlicher Sammler ist, muß Systematiker sein. So sehen wir, daß der Tabaksammler schon bei der grünen Staude beginnen muß, und will ich ihr auch in meinen Versen gerecht werden: »Wenn ich so die Kinder mir Florens beschau-, In Wäldern und Feldern, auf Fluren und Au, Da ist doch nur eine nach meinem Geschmack, Sie lieb’ ich in Glut, die Jungfer Tabak, Die Pflanze, aus der mein Vergnügen ich hol’, Drum wählte der Staat sie auch zum Monopol. Je mehr ich sie liebe, zu ihr bin entbrannt, Mit Eifersucht stört mich der Staat, ihr Amant, Vergällt mir offen, ich sag’s mit Verdruß, Der heißen Brünette süßfeurigen Kuß. Es ringen nach ihr Millionen mit mir, Was Wunder, sie beut ja das höchste Pläsir, Und ob auch der Fiskus mein Minnen vergällt, Ich lieb’ sie drum heißer die Braut aller Welt, Und preise in Versen vernehmlich und laut Der ganzen Botanik bedeutendstes Kraut!« Ich habe in meinem Eingangsartikel mit den Abfällen begonnen und will auch bei diesen nun etw as länger ver weilen. Da sind denn in erster Linie die Zigarren spitzeln das Objekt des Sammelns. Die Klarsche Blin denanstalt in Prag war eine der ersten, welche diese Zigarrenabfälle zu wohltätigen Zwecken sammelte, wobei das Sprüchlein galt: »Lieber Raucher, sei nett und fein, Schneide die Spitzen nicht gar zu klein!« was immer noch bescheidener klingt, als die Antwort jenes Unteroffiziers, der auf die Frage des Einjährigen, ob er auch Zigarrenspitzeln sammle, den Wink mit dem Zaunpfahl gab: »Jawohl, das übrige kann aber auch noch daran sein!« Das IVogramm der Bitte der genannten Blinden anstalt enthielt zwei Gründe für dieselbe: erstens bilde das Aufwickeln dieser Abschnitte eine nützliche Beschäf tigung für wiegen geistiger Zurückgebliebenheit zu an deren Arbeiten nicht verwendbare weibliche Pfleg linge, und zweitens erhalten die männlichen Pfleglinge umsonst einen guten Rauchtabak, w'ohl für die Pfeife ziemlich stark, ob aber besonders vom sanitären Stand punkte gutzuheißen, mag des unvermeidlichen Klebstoffes 'wegen in Frage stehen. Außerdem versprach die Direk tion des Klarschen Blindeninstitutes jedem, der eine größere Partie einsende, ein Dankschreiben in Blinden schrift. Nach anderen sollen diese Spitzeln auch zur Fabrikation von Schnupftabak dienen, und wieder nach anderen feiern sie eine Art Auferstehung, denn sie wer den w ieder zu Zigarren. Zufällige Untersuchungen neuerer Zeit haben das zweifelhafte Resultat au frischen Zigarren ergeben, indem nach Aufschneiden des Deck- und Um-