Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 17 Seite 260 rnan ein Sehreibbureau aus demselben Holz anfertigen ließ und »ganz London kam, um es zu sehen«.’') In der bekannten Zeitschrift »The Art Journal« gab G. T. Ro binson der Ansicht Ausdruck, daß jene Lichtlade aus Mahagoniholz die ganze englische Möbelindustrie revo lutioniert hatte. Und er hat so recht, daß man sagen kann, die Einführung jener ersten Mahagoni hölzer revolutionierte die europäische Möbelindustrie, die aber allerdings zugleich nun ein orientalisches Gepräge erhielt. Mahagoni ist einer seits hart, zähe und dauerhaft und widerstandsfähig gegen Temperaturwechsel, andererseits leicht und von delikatem und elegantem Aeußern. Jene leichte, durch brochene Möbelarbeit, wie sie Chippendale durch eine Mischung des chinesischen und gotischen Stiles er strebte, war im Grunde gedacht für Bambus. Bambus aber konnte natürlich für Europa nicht in Betracht kom men. Auch steht es an Eleganz der äußeren Erscheinung dem Mahagoni weit nach. Nächst dem Bambus aber bot für die konstruktiven Bedingungen jenes Stiles das Mahagoniholz die günstigsten Voraussetzungen. Und Chippendale verstand vortrefflich, es zu behandeln und gab sich Mühe, die schönsten Stämme auszusuchen, denn wohlverstanden, die Wälder dieses Holzes, die damals noch zur Verfügung standen, sind heute verschwunden. Die Behandlung des Mahagonis nun seitens Chip pendales ist eine einfache. Hin und wieder vergoldete er, oder wandte Messingornamente an, oder lackierte, aber im allgemeinen ließ er das Holz wie es war und be handelte es als Tischler und zweifellos in vorzüglicher Werkarbeit. In England werden Chippendales Verdienste häufig überschätzt. Daß er den Reichtum des englischen Zim mers an Möbeln erst schuf, kann nicht geleugnet werden. Denn vor ihm sah man in einem englischen Zimmer nicht Möbel, abgesehen etwa von einem Armstuhl für die Herrin des Hauses. Er aber führte vor allem eine außerordentlich große Varietät von Stühlen ein — Vor aussetzung war hiebei gewesen, daß man in England von dem System der großen Hallen und Säle zu dem Ge schmack der kleineren Zimmer und Alkoven überge gangen war — dann allerhand Schränke (Kommoden schrank, Kleiderschrank, Bücherschrank, Kabinett schrank, Toilettenschrank), dann den leichten Chinatisch im Gegensatz zu dem früheren schweren »Sideboard«, verschiedene Formen des Sofas, effektvolle Leuchter tische, Bureaus, Teetopfständer, Paravents, Toiletten tische, Rasiertische u. s. w; alle diese Möbelformen kreierte er zwar nicht, aber führte sie nach England ein und gewann sie für England. Manchem sind seine Möbel zu schwer. Seine Nach folger, vor allem Sheraton, Johnson Hepple- white gingen nämlich noch weiter als er, was Leich tigkeit betrifft. Aber tatsächlich wirken die vierkantigen Füße mancher seiner in chinesischem Stil ausgeführten Möbel etwas plump. Achnliches gilt selbst von vielen seiner französischen Möbel, denen die echte Eleganz und Grazie abgeht. Aber, wie gesagt, rein als Tischlerarbeiten sind seine Möbel sehr rühmenswert. Die Kunst des Furnierens hat kaum einer so verstanden wie er. Die durchbrochene Füllarbeit seiner Möbel besteht durchgängig aus mehr fachen Furnieren. Er wußte es schon, daß ein Fur nier das andere schützt. Je dünneres Holz er brauchte, desto mehrfach furnierte er es, um seine Festigkeit zu erhöhen. *) Siehe Clouston a. o. W., S. 43. Wir wollen nunmehr kurz auf die einzelnen Möbel formen Chippendales eingehen. Am häufigsten, wie ge sagt, sind Entwürfe von ihm für Stühle. Dieselben sind entweder gotisch oder Louis XV. oder im Muschelstil. Charakteristisch ist die Nachahmung von Bandmotiven in der durchbrochenen Arbeit der Rückenlehne und die dem Konstruktiven entsprechend starke Betonung der Linie, in welcher die Lehne und der Sitz sich berühren, wo naturgemäß die größte Belastung stattfindet. Die Füße sind meistens im Louis Quinze oder Louis Qua- torzestil gehalten, häufig unten mit Würfelansätzen ver sehen, die zum Stil wie die Faust zum Auge passen. Und wir müssen es aussprechen, streng ästhetisch genom men sind die meisten seiner Stühle Geschmacklosig keiten, ebenso wie sie, stilkritisch beurteilt, nicht ernst zu nehmen sind. Etwas besser sind die dann folgenden Lehnstühle im französischen Geschmack (»French Chairs«), einige nur mit einer Armlehne. Wie er die Polsterung machte, können wir heute leider nicht mehr sagen. Erwähnt sei aber noch, daß Chippendale für den Sitz des Stuhles häufig Marokkoleder verwandte. Die »gotischen Lehnstühle« haben von der Gotik nicht viel mehr als den Namen. In der durchbrochenen Arbeit erinnern sie an China. Die Verbindungsstege zeigen aber charakteristischerweise Rokokomotive. Die dann folgenden chinesischen Stühle sind im Untergestell plump. Die Sofas lehnen sich eng an den französischen Geschmack an. Dasselbe gilt von den Betten. Aber frei lich wird der Rokokostil von ihm in etwas wilderWeise verwandt. Er vermengt die Rokokomotive an einem und demselben Möbel mit chinesischen und gotischen Mo tiven. Was nun folgt, ist besser. Unter den Teetischen fin den sich viele graziöse und elegante Formen (vergleiche besonders den bei Clouston, S. 51, abgebildeten). Auch für seine Eßtische passen die beliebten schweren, vier kantigen Beine — eine Reminiszenz des Queen Anne Stiles besser als für seine leichten Stühle. Die dann folgenden Kommoden sind das Beste, was Chippendale im französischen Stil entworfen hat, wenn auch einige, wie z. B. Tafel 68 (bei W'asmuth) weniger originell als wüst sind. Wir möchten überhaupt noch mals betonen, daß unserer Ansicht nach Chippendale ge rade die glänzendsten Seiten des französischen Rokoko — die Auflösung des. Gewichtes durch die Auflösung der Fläche und Masse in dekorative Linien und Kleinformen — nicht nachgefühlt hat. Ihn scheint mehr das Chinesisch- Bizarre und im allgemeinen Spielend-Leichte des Ro kokomöbels angezogen zu haben. Der Schritt von den schweren Elisabeth und Queen Anne zum graziösen Louis Quinze war ja auch zu groß. Die Schreibtische und Bureaus bis zur Tafel 80 (ich zitiere nach der Wasmuthschen Ausgabe) sind wieder maßvoller und ansprechender. Die dann folgenden Schreibtische könnten der Form nach von heute sein. Unter den Bibliotheken finden sich einige recht glücklich entworfene, wie Tafel 92 und 101. Bei den Damentischen zeigt sich der mehrfach erwähnte Mangel an echter Grazie. Unter den Kabinetten sind diejenigen im chinesischen Geschmack recht interessante Arbeiten. Offenbar paßt diese durchbrochene Arbeit auch für hohe, vertikal sich präsentierende Möbel besser als z. B. für den Stuhl. Er wähnt sei, daß die Manier, die Glasfenster am Möbel durch in Mustern eingesetzte Leisten und Stege zu er setzen, wie sie heute wieder modern ist, von Chippen dale herrührt. Aber wir meinen nicht, daß diese Manier eine sonderlich segensreiche ist. Denn die rein flächen-