Seite 264 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 17 vorzüglich nachgeformt hatten, daß man die Kopie nicht vom Original unterscheiden konnte. Derartige .kunst volle Nachahmungen waren vielleicht, schwieriger und zeitraubender herzustellen als die Originale selbst; sic wurden daher als kostbare Seltenheiten diesen gleich wertig geschätzt. Wesentlich ist, daß solche Nachahmun gen nicht fabriksmäßig und nicht in geringwertigem Material oder in schlechter Technik ausgeführt wurden; die Arbeiten waren zwar keine Originale für den, der eine Sammlung nach dem Alter der üegenstände anlegte, aber für den Kunsthistoriker kann eine gute, dem Original gleichwertige Einzelkopie denselben Wert wie das Ori ginal bedeuten.« Vom Allgemeinen zum Besonderen übergehend, ver breitet sich Münsterberg dann in seiner anmutigen, frei hinfließenden Schreibweise über die einzelnen Gattungen des Kunstgewerbes, wobei er das reiche Material durch eine Fülle ausgezeichneter Reproduktionen unterstützt. Es sind nicht weniger als 23 farbige Kunstbeilagen und 675 Abbildungen im Text vorhanden. Fig. 5. Schachfiguren. Wir müssen uns aus Raumrücksichten leider ver sagen, des näheren auf die einzelnen Abschnitte des Werkes, das wir Chinasammlern nicht genug empfehlen können, einzugehen, hier sollen nur noch vier Abbildun gen kurz besprechen werden, die uns der Verlag Paul Neff in entgegenkommender Weise zur Verfügung ge stellt hat. Unsere Abbildung (Eig. 2) zeigt eine Bronze im buddhistischen Stil. Es ist ein Räuchergefäß, das Schun- sing auf dem Pferde mit Staatskappe und Glückszepter in den Händen darstellt. Das interessante Stück, das aus dem 12. Jahrhundert stammt, befindet sich in japani schem Privatbesitz. Der Mingzeit gehört die mit stilisierten Figuren ge zierte Deckelvase aus blauweißem Porzellan an, die Fig. 3 wiedergibt. Das Stück, heute im Besitze Pierpont Morgans, befand sich in dem berühmten Porzellan haus, das Schah Ab bas der Große (1587—1629) er richtet hat, in dem nach S a r r e (Denkmäler persischer Baukunst) noch heute auf dem Fußboden etwa 500 chine sische Porzellangefäße stehen, die sämtlich meist auf der Außenseite den roten Stempel von Schah Abbas tragen. Im Besitze des amerikanischen Milliardärs ist auch die große Porzellanplatte (Fig. 4). Der Chinese der Mandschuzeit wollte nicht durch den Rhythmus der Linienführung, sondern durch die Fülle und Pracht der Farben oder durch den erzählenden Inhalt des Darge stellten wirken. Deshalb wurden auf den zeitgenössi schen Blauweiß-Porzellanen ganze Bilderbücher der Geschichte auf das zerbrechliche Material übertragen. Auf unserer Figur trägt ein Mensch mit grüner Maske auf dem Rücken die Legende von der Abdankung der Kaiserin Leyung aus dem 5. oder 6. Jahrhundert, in den Wolken sicht man Konfuzius, im Hause den Kaiser am Tische; der Rand ist mit Blumen und ausgesparten Vogel- mcdaillons geziert. Interessant ist die Feststellung des Verfassers, daß die bisher bekannten chinesischen Elfenbeinarbei ten den letzten Jahrhunderten angehören. Lackarbeiten und Holzgeräte aller Art sind häufig mit Elfenbeinein lagen, gefärbt oder in Naturfarbe, geziert und desgleichen ist die Verwendung geschnitzter Schmuckstücke beibe- halten. In europäischen Sammlungen sind viele Ternpel- modelle, die in raffinierter Technik aus geschnitztem Elfenbein zusammengesetzt sind. Zur Zeit, als die Minia turgärten und -Bäumchen aus Stein in Mode kamen, sind auch derartige Architekturen in Elfenbein hergestellt worden und zierten den Kaiserpalast in Peking. Wahr scheinlich sind die erhaltenen Stücke nur Exportarbeiten für den europäischen Markt. Die Engländer eroberten im Kriege ein Schiff, das derartige Elfenbeinpaläste als Ge schenk des Kaisers von China an Josefine, die Gemahlin des Konsuls Bonaparte, brachte. Als 1802 die angebotene Auslieferung an Napoleon abgelehnt wurde, kamen sie in das Londoner Museum. Künstlerisch sind die Schnitze reien ziemlich wertlos, es sind mühselige Geduldsarbeiten einer raffinierten Technik, die einen gewissen ethno graphischen Wert besitzen. Es ist wohl anzunehmen, daß die großen Elfenbeinlandschaften mit Bergen, Tempeln und Palästen, die im Kaiserpalast aufgestellt waren, in Komposition und Ausarbeitung eine künstlerische Voll endung dieses bizarren Rokokostiles aufgewiesen haben. Kanton war und ist der Haupthafen für die Ein fuhr des südasiatischen Elfenbeines und andererseits der Hauptfabrikationsplatz für die Schnitzereien. Dort be steht seit Jahrhunderten ein umfangreiches Export geschäft für den westlichen Markt. Ein besonderer Ar tikel sind die »chinesischen Schachfiguren«. Seit über 100 Jahren finden sie sich in Europa weit verbreitet und gelten als typische chinesische Arbeiten. Chinesisch ist aber daran nur die meist sehr mangelhafte Hand werkerschnitzerei nach den alten Grabfiguren der Ming zeit. Verhältnismäßig seltene Stücke weisen, wie bei un serer Abbildung (Fig. 5) bei dem weißen König die miß verstandene europäische Tracht aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts auf Die Königinnen und die roten Figuren sind in chinesischem Stil. (Die hier vorgeführten Figuren stammen aus der Sammlung Bodenheimer in Amsterdam.) Schach, bemerkt Dr. Münsterberg, wird in China nur mit einfachen Steinen gespielt, auf denen die Bezeich nungen geschrieben stehen. Als ich kürzlich einem Chinesen derartige Figuren zeigte, bestritt er ganz ent schieden, daß sie chinesisch seien und erklärte sie als europäische Arbeiten im Stile der Chinoiserie. So un chinesisch erscheint dem Chinesen diese Exportarbeit, die als echt chinesisch in Museen und Sammlungen Europas zu finden ist.