Seite 266 Internationale Sammler-Zeitung. Nr. 17 Ex epistulis. Von Josef Mayer (Hohenaschau). Infolge des ständig wachsenden Wohlstandes macht sich bei uns in Deutschland der Wunsch und das Be streben geltend, bei allem, was das äußere Leben schön und angenehm macht, in höherem Maße als bisher die Kunst sich dienstbar zu machen. Vieles gewinnt ja durch sie erst Leben und Farbe und Sinn. Bei der unbestreit bar hohen Bedeutung des schriftlichen Verkehres, der mit der Vermehrung und Vervollkommnung unserer Ver kehrsmittel eine ungeahnte Höhe erreicht hat und weiter hin noch mächtig im Steigen begriffen ist, nimmt es des halb einigermaßen wunder, daß von den tausenderlei Deformen in unseren Einrichtungen durch das moderne Kunstgewerbe das Briefpapier bisher ausgeschlossen blieb. Schon ein flüchtiger Blick in die alten Handschriften unserer Museen zeigt uns, wie gedankenarm und phan tasielos unsere sonst so anspruchsvoll und formenfreudig sich gebärdende Zeit gerade auf diesem Gebiete ist. So wohl Material wie Ausstattung der Handschriften iiber- tieffcn weit alles, was unser heutiger Briefschmuck auf weist. Ich erinnere nur an das oft wochenlange Arbeit beanspruchende Zieren der in den mittelalterlichen Hand schriften enthaltenen Initialen mit prächtigen Malereien in Farben und Gold. Dazu kam dann noch der Aufdruck eines Siegels gleichsam zur Bekräftigung und Fürecht erklärung des schriftlich Niedergelegten. Die Anwen dung des Siegels in gewöhnlichen Privatbriefen ist heutigen Tages wegen der allgemeinen Nichtbeachtung ungekrönter Siegel fast ganz in Wegfall gekommen. Ein Ersatz hiefür war bis in die letzte Zeit nicht gefunden. So ist es leicht erklärlich, weshalb die erst kürzlich erfolgte Einführung eines neuen Briefschmuckes, der an Stelle eines Wappens oder aber auch in Verbindung mit einem solchen als bleibendes Abzeichen der Briefe einer bestimmten Person gedacht ist, des »E x e p i s t u 1 i s«, in verhältnismäßig kurzer Zeit schon vielen Anklang ge funden hat. Die Sitte des »Ex epistulis« ist eine Ueber- tragung der »Ex libris« in den Briefverkehr. Das »Ex epistulis« soll einen dreifachen Zweck er füllen. In erster Linie soll das »Ex epistulis« behilflich sein, den Namen des Briefschreibers zij enträtseln — eine oft recht schätzenswerte Hilfe, wenn man an die fast allgemein zur Mode gewordene Unsitte denkt, so un leserlich wie möglich zu unterschreiben. Das moderne »Ex epistulis« soll zweitens dazu dienen, diese Bezeichnung des Namens statt durch nüch terne Buchstaben allein in künstlerischer Aufmachung, in Verbindung mit einer hübschen Zeichnung u. s. w. dar zustellen. Wer schon ein »Ex libris« besitzt, kann dessen Verkleinerung nach Abänderung der Worte »Ex libris« vielfach als »Ex epistulis« benützen. Dies gilt besonders von »Ex libris« heraldischer, symbolischer oder allegori scher Art (analog den redenden Wappen). Daneben dürf ten auch ornamentale »Ex epistulis« sowie solche mit landschaftlichen Darstellungen Liebhaber finden. Auf diese Weise kann ein äußerst fruchtbarer und sinniger Austausch erfolgen von Millionen zählenden Kunst werken en miniature, da die »Ex epistulis« in allen Kulturstaaten Eingang gefunden haben. Der Hauptwert aber der »Ex epistulis« besteht darin, daß durch den in der Zeichnung enthaltenen Hinweis auf den Beruf, den Namen, auf Charaktereigenschaften und Liebhabereien des Briefschreibers der Brief nicht allein künstlerisch wertvoller, sondern auch individueller, per sönlicher, redender wird. Wie interessant verspricht es zu werden, den Beziehungen nachzuspüren, die zwischen dem »Ex epistulis« und seinem Inhaber bestehen, nament lich wenn es sich um das »Ex epistulis« eines Freundes, eines lieben Bekannten oder einer hervorragenden Per sönlichkeit, zum Beispiel eines Dichters, eines Künstlers, eines ausgezeichneten Staatsmannes, eines verdienten Heerführers u. s. w. handelt! Man wird da um so eher charakteristische Züge finden, als in den weitaus meisten Fällen der Briefschreiber selbst dem Künstler seine Wünsche hinsichtlich der Ausführung seines »Ex epistu lis« vorgeschrieben oder ein ihm nahe stehender, zeich nerisch begabter Freund ihn auf dem kleinen Kunstblatt charakterisiert hat. Die wenigsten von den Gebildeten besitzen eine der artige Bücherei, daß sich ihretwegen die Anschaffung eines »Ex libris« lohnen würde. Die Verwendung des »Ex epistulis« aber kann unschwer eine allgemeine werden, zumal nach Herstellung des Klischees die Druck- und je weiligen Nachschaffungskosten verhältnismäßig gering sind und das Briefpapier nicht allzusehr verteuern. Jeder Gebildete sollte sich daher eines mit seinem »Ex epistu lis« versehenen Briefpapieres bedienen. Wer schon ein Wappen besitzt, möge dasselbe in unaufdringlicher Weise darin anbringen lassen, was jedenfalls in dieser Form unserer modernen Zeit geschmackvoll Rechnung tragen würde. Soviel dürfte sicher sein: macht die schon beginnende Vorliebe für diesen modernen Briefschmuck weiter Fort schritte, so dürften die »Ex epistulis« aus den 'ange gebenen Gründen bald zur Anlage großer »Ex cpistulis«- Sammlungen führen, ebenso und in viel ausgedehnterem Maße als es mit den »Ex libris« der Fall war und ist. Zu diesem Zwecke haben schon jetzt, ähnlich den Brief marken- und Ansichtspostkartenalben — die »Ex epistu lis« können übrigens auch auf den Postkartenverkehr sinngemäße Anwendung finden - auch »Ex epistulis«- Alben Eingang gefunden. Auch der Beliebtheit und allgemeinen Einführung der Siegel marken würde, cs nur förderlich sein, wenn ihre Bezeichnung »Reklam-Siegelmarken« in »Ex epistu- lis-Marken« abgeändert würde, da unter diesem Namen nicht allein die Geschäftswelt, sondern auch die Allge meinheit solche Marken verwenden könnte, entweder an Stelle eines Aufdruckes zum Aufkleben am linken oberen Rand des Briefpapieres oder als Siegelmarken. Unzweifelhaft würde dadurch das Interesse für diesen sehr modernen und beachtenswerten Sammelsport und der Sammelwert dieser Marken selbst noch wesentlich gesteigert werden können.